Wie oft hat er sich das vorher anhören dürfen: Lass die Finger davon, das wird doch nie etwas. Markus Putz hat sich nicht beirren lassen. Im McDonald's sprach er Jugendliche an, die da herumhängten, weil sie nicht wussten, wo sie sich treffen konnten. Was ihnen in Mindelheim fehlt, was sie sich von der Stadt wünschen, solche Fragen stellte ihnen Putz und zeichnete das alles per Video auf. Damit ging er zum Bürgermeister, und der wiederum ließ Putz vor dem Stadtrat sprechen.
Mindelheimer Stadträte erkannten: Wir müssen etwas tun
"Bei vielen war das ein Aha-Moment", erzählt Putz, der als Redakteur beim Bayerischen Rundfunk arbeitet. Kneipen in der Unterallgäuer Kreisstadt sind verschwunden, Treffpunkte für Jüngere gibt es kaum noch. Den Stadträten in ihrer großen Mehrheit wurde bewusst: Wir müssen etwas tun. Diese Lücke wollte Putz mit seinen Mitstreiterinnen und Mitstreitern füllen. Ohne die Stadt hätte sich aber nichts bewegt.
Sechs Jahre ist das inzwischen her. Das größte Problem anfangs war, einen geeigneten Ort zu finden für dieses alternative Kulturprojekt. Denn um Kultur sollte es in jedem Fall gehen. Ein mitten in der Stadt gelegenes leer stehendes Areal, in dem zuletzt Haushaltsgeräte gelagert wurden, bot sich an. Die Sache hatte nur einen Haken: Heizung und Sanitäranlagen mussten überholt werden und Möbel gab es in dem ganzen Haus keine. Die jungen Leute brachten Begeisterung und Ideen mit, Geld aber hatten sie keines.
Der Eigentümer ließ sich dennoch auf das Experiment ein, weil die Stadt für die ersten Jahre bis zu 19.000 Euro jährlich an Defizitausgleich zusicherte. Die ersten Jahre der Kulturfabrik sind so gut angelaufen, dass der Stadtrat sein Engagement für die kommenden Jahre verlängert hat.
Ehrenamtliche werden von der Stadt unterstützt
Dieses Miteinander von Stadt und Ehrenamtlichen betonen auch Jaqueline Schuster und Stefan Dannhart, die beiden Vorsitzenden den Vereins "Kulturfabrik auf der Insel", der inzwischen gegründet wurde. "Das ist nicht selbstverständlich, dass die Stadt hier so einspringt", sagt Markus Putz. 90 Aktive, viele im Alter um die 30, haben sich der Kulturfabrik angeschlossen. Die meisten von ihnen sind mit Feuereifer dabei, bauen für Veranstaltungen mit auf, räumen alles wieder weg, mähen Rasen oder räumen Schnee.
Jeden Donnerstag ist abends Inseltreff. Da kann jeder vorbeikommen. Wer neu in der Stadt ist, findet hier schnell Anschluss, sagt Schuster. Mindestens zweimal im Monat organisiert der Verein Veranstaltungen. Kürzlich waren Street-Art-Künstler da, die mit Kindern gesprayt haben. Mal gibt es einen Flohmarkt, eine Kleidertauschbörse oder Kleinkunst mit Musik und Lesungen. Damit sich das jeder leisten kann, sind die Preise äußerst niedrig gehalten. Unter dem gemeinsamen Dach der Kulturfabrik hat auch das Miele-Museum von Christoph Reß eine neue Heimat gefunden. Da geht es um das Lebensgefühl der 50er und 60er Jahre. Verein und Museum ergänzen sich gut.
Die Kulturfabrik ist auch Treffpunkt für andere Organisationen geworden
Das Haus wird mehr und mehr auch zur Begegnungsstätte. Andere Vereine wie Bund Naturschutz, Rotaract oder eine Tanzgruppe nutzen die Räumlichkeiten. Wenn jemand eine Idee hat, dann ist das den Machern der Kulturfabrik am allerliebsten. Dannhart sagt, "wir sind froh über jeden, der mithilft". So entsteht Neues.
Größte Veranstaltung wird wieder das Inselfestival sein, das am 15. Juli steigen wird. Dort werden einige Bands auftreten. Die Nachbarn übrigens werden vorher immer verständigt, wenn es mal etwas länger dauert. Viele von ihnen kommen dann auch vorbei und sind Teil der Gemeinschaft. Auch das macht die Kulturfabrik aus.
Seit 34 Jahren zeichnet unsere Zeitung mit der Silberdistel Menschen aus, die sich ehrenamtlich besonders ins Zeug legen – jetzt im Mai geht diese Auszeichnung an die Kulturfabrik in Mindelheim.
Das ist die Silberdistel:
- Auszeichnung: Mit der Silberdistel ehrt unsere Redaktion seit vielen Jahren Menschen aus der Region für ihr besonderes bürgerschaftliches Engagement.
- Handwerk: Der Preis besteht aus einer Urkunde und einer kunstvoll in Silber gearbeiteten Distelblüte, die eigens in der „Alten Silberschmiede“ in Augsburg angefertigt wurde.
- Vorschläge: Jede Leserin und jeder Leser kann Vorschläge für unsere Auszeichnung machen. Ansprechpartnerinnen und Ansprechpartner finden sich in unseren Lokalredaktionen.