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Seenotrettung: "Vorwürfe sind absurd": Staatsanwaltschaft ermittelt gegen Kapitän Reisch

Seenotrettung

"Vorwürfe sind absurd": Staatsanwaltschaft ermittelt gegen Kapitän Reisch

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    Gegen den Landsberger Kapitän Claus-Peter Reisch wird in Italien ermittelt, nachdem er mit der "Eleonore" in einem Hafen in Sizilien angelegt hat.
    Gegen den Landsberger Kapitän Claus-Peter Reisch wird in Italien ermittelt, nachdem er mit der "Eleonore" in einem Hafen in Sizilien angelegt hat. Foto: Johannes Filous, dpa

    Der Landsberger Kapitän Claus-Peter Reisch hatte mit seinem Boot, der "Eleonore", mehr als 100 Flüchtlinge von einem beschädigten Boot auf dem Mittelmeer gerettet. Erst eine Woche später fuhr Reisch mit der "Eleonore" in einen italienischen Hafen ein - obwohl das eigentlich verboten ist. Der Kapitän hatte zuvor den Notstand ausgerufen. Die Behörden gestatten ihm daraufhin, einen Hafen in Sizilien anzusteuern.

    Staatsanwaltschaft in Italien ermittelt gegen Kapitän Reisch

    Nun laufen allerdings Ermittlungen gegen den Landsberger, wie die italienische Nachrichtenagentur Ansa berichtet. Die Staatsanwaltschaft von Ragusa prüfe den Vorfall wegen einer möglichen Begünstigung der illegalen Einwanderung. Reisch selbst wurde darüber noch nicht offiziell informiert. „Ich habe vorhin ein Foto von einem Artikel aus der Zeitung geschickt bekommen, aber den habe ich noch nicht einmal komplett gelesen“, sagte er am Mittwochvormittag in einem Telefonat mit unserer Redaktion.

    Reisch hält sich weiterhin in Italien auf. Dass nun gegen ihn ermittelt wird, findet er "völlig absurd". Er beschreibt den Vorfall wie folgt: "Wir haben ein blaues Schlauchboot auf See gefunden, mit kaputtem Motor und einer geplatzten Kammer. Die Leute haben an einer Bordwand den Schlauch mit Händen hochgehalten, damit das Boot nicht untergeht." Als sich Reischs Boot ihnen näherte, sei eine zweite Kammer geplatzt. "Da war die Not noch größer. Wir haben die in letzter Sekunde da rausgeholt, sonst wären diese 104 Menschen jetzt nicht mehr am Leben. Dass man jetzt versucht, dem Einsatzleiter und mir daraus einen Strick zu drehen, ist schlicht verwerflich und völlig absurd“, sagt der 58-Jährige Landsberger.

    Nach acht Tagen auf See rief Reisch den Notstand aus

    Tagelang lag Reisch mit seinem Sportboot "Eleonore" nach der Rettung vor der Küste Maltas und wartete auf einen sicheren Hafen. Für die vielen Geretteten war das Boot viel zu klein, die Lage an Bord galt als heikel. Als in der achten Nacht ein Gewittersturm hinzukam, zog Reisch die Reißleine und rief den Notstand aus.

    „Was soll das? Wir sind acht Tage und acht Nächte mit diesen 104 Menschen unterwegs. Die hatten 46 Quadratmeter Deckfläche. In der letzten Nacht sind schwere Gewitter aufgezogen, mit Windstärke sieben. Da fallen in Landsberg schonmal die Ziegel von den Dächern", erinnert sich Reisch an die Vorfälle. Die 104 Geretteten, die sich zuvor an Deck aufhielten, wurden kurzerhand im Schiff untergebracht. "In meinem Bett haben vier Leute gelegen. In so einer Situation ziehe ich die Reißleine und bringe die Leute an Land – egal, welche Strafe mir droht. Oder glaubt irgendwer, dass ich stattdessen da draußen untergehe?“, sagt Reisch.

    Das Boot, mit dem Reisch unterwegs war, wurde derweil von den Behörden beschlagnahmt.

    Für den Kapitän der "Eleonore" ist völlig unverständlich, warum er nun angeklagt werden soll. Schließlich sei er zu seiner Notwehrhandlung schlicht gezwungen worden. "Man kann mir doch nicht sagen, ich dürfe mit 104 nassen Menschen nicht in einen Hafen einfahren und soll stattdessen nach Mallorca oder Hamburg weiter. Das wäre auch gar nicht möglich gewesen, da auf dem Mittelmeer gerade eine starke Strömung herrscht, mit der wir nicht nach Nordwesten hätten fahren können. Wir sind ja keine Fähre. Aber die Leute, die uns kritisieren, haben von Seefahrt keine Ahnung.“

    Für die Geretteten auf der "Eleonore" gibt es eine Lösung

    Italien und Malta verweigern Rettungsschiffen mit Migranten an Bord immer wieder die Einfahrt in ihre Häfen. Sie machen zur Voraussetzung, dass andere EU-Staaten ihnen die Migranten abnehmen. Diese Zusage kommt meist erst nach mühsamen Gesprächen. Deshalb mussten gerettete Migranten zuletzt immer wieder wochenlang an Bord ausharren.

    Nach einwöchiger Blockade auf dem Mittelmeer gibt es für die Verteilung der 104 Migranten des deutschen Rettungsschiffs "Eleonore" eine Lösung. Deutschland, Frankreich, Irland, Portugal und Luxemburg nehmen die Menschen auf, wie eine Sprecherin der EU-Kommission am Dienstag sagte. Die Brüsseler Behörde organisiere nun die Verteilung der Migranten von Italien aus.

    „Ich finde klasse, dass jetzt feststeht, wo diese Menschen unterkommen. Die Menschen an Land zu bringen ist ja letztlich nur daran gescheitert, weil Politiker in Italien verhindern wollten, diese Menschen an Land zu lassen. Das ist in meinen Augen schlichtweg pervers. Die Rettung von Menschenleben lasse ich mir von keinem verbieten“, sagte Reisch gegenüber unserer Redaktion.

    Er selbst werde nun die Ermittlungen abwarten, sagte Claus-Peter Reisch: „Ich handle nach Faktenlage. Ich werde nicht in vorauseilendem Gehorsam etwas unternehmen.“ (mit dpa)

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