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Seehofer im Interview: Ohne Obergrenze für Flüchtlinge keine Koalition

Seehofer im Interview

Ohne Obergrenze für Flüchtlinge keine Koalition

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    CSU-Chef Horst Seehofer beharrt auf seinen Forderungen. Die Begrenzung der Flüchtlingszahlen, Steuerentlastungen und die Abschaffung des Solidaritätszuschlags sind nur einige.
    CSU-Chef Horst Seehofer beharrt auf seinen Forderungen. Die Begrenzung der Flüchtlingszahlen, Steuerentlastungen und die Abschaffung des Solidaritätszuschlags sind nur einige. Foto: Klaus-Dietmar Gabbert, dpa

    Herr Seehofer, wir wollen Sie nicht über Gebühr ärgern. Deshalb fragen wir auch nicht nach dem FC Ingolstadt. Fragen nach dem Verhältnis zwischen den Unionsparteien aber können wir Ihnen nicht ersparen. Im Herbst 2017 wird ein neuer Bundestag gewählt. Wie soll es nach all dem Streit über die Flüchtlingspolitik jetzt weitergehen?

    Seehofer: Eines steht fest: Das werden die schwierigsten zehn Monate, die CDU und CSU seit Jahrzehnten erlebt haben. Wir stehen unter Druck von rechts und von links und haben als Union noch jede Menge inhaltliche Fragen zu klären. Es geht um Zuwanderung, Rente, Steuern, Sicherheit sowie um viele weitere wichtige Fragen, zum Beispiel zur Außenpolitik. Das ist eine gigantische Aufgabe. Ich kann Ihnen heute noch nicht im Einzelnen sagen, wie das alles ausgeht.

    Im Zentrum stehen Meinungsverschiedenheiten zu der Frage, wie viel Zuwanderung Deutschland in Zukunft verkraftet. Sollte es da nicht möglich sein, sich zumindest auf den anderen Politikfeldern zu verständigen – zum Beispiel bei der Steuer.

    Seehofer: Ja, aber deswegen können wir in der Steuerpolitik das, was wir für richtig halten, nicht einfach aufgeben. Wir wollen steuerliche Entlastungen für kleine und mittlere Einkommen sowie den Mittelstand. Wir fordern die Abschaffung des Solidaritätszuschlags und die Einführung eines Baukindergelds, damit sich auch junge Familien mit weniger Einkommen Wohneigentum schaffen können. Diese Forderungen können wir jetzt nicht einfach beerdigen. Wenn wir es täten, dann wäre das nichts anderes als ein Konjunkturprogramm für unsere politischen Wettbewerber.

    CDU-Chefin Angela Merkel liebäugelt mit den Grünen, Sie wollen auch nationalkonservative Wähler an die Union binden. Wie soll dieser Spagat gelingen?

    Seehofer: Wir müssen zwei zentrale Dinge klären. Erstens: Unser politischer Standort in der Parteienlandschaft ist die Mitte, und diese Mitte muss auch das national- und wertkonservative Spektrum umfassen. Zweitens müssen wir darum kämpfen, als Union so stark wie möglich zu werden. Dafür müssen wir aus dem Ungefähren rauskommen ins ganz Konkrete.

    Zum Beispiel?

    Seehofer: Bei der Rente etwa wird es darum gehen, massenhafte Altersarmut zu verhindern und die Mütterrente auszuweiten. Bei der inneren Sicherheit treten wir ein für eine Stärkung der Polizei und neue rechtliche Regeln wie eine Mindeststrafe von einem Jahr für Einbruchsdiebstahl. Wir wollen Volksabstimmungen auf Bundesebene möglich machen, um die Bürger stärker zu beteiligen und das Vertrauen in die Politik zu erhöhen. Zusammengefasst heißt das: Wir müssen den Menschen unseren Standpunkt erklären und ihnen vermitteln: Wir sorgen dafür, dass Deutschland Deutschland bleibt. Mit guten Inhalten und den dazugehörigen guten Köpfen haben wir die Chance, näher bei 40 als bei 30 Prozent zu landen. Dann kann gegen die Union keine Regierung gebildet werden.

    Ohne einen engen Schulterschluss mit Frau Merkel wird das nicht gelingen. Ist eine Verständigung nach all dem Streit über die Flüchtlingspolitik in so kurzer Zeit noch zu schaffen?

    Seehofer: Selbstverständlich ist das ein wichtiger Punkt. Aber ein Schulterschluss allein ist noch kein Erfolg in der Sache. Die schwierigste Frage ist hier die von uns geforderte Obergrenze bei der Aufnahme von Flüchtlingen. Wir werden auf maximal 200000 pro Jahr bestehen, weil eine Begrenzung die Voraussetzung dafür ist, dass Integration gelingt. Das Migrationsgeschehen wird stark bleiben und in den nächsten Jahren noch zunehmen. Deshalb brauchen wir ein Regelwerk, das gewährleistet, dass sich das, was nach dem 5. September 2015 geschehen ist, in den nächsten Jahren nicht wiederholt. Nur so können wir die Spaltung in unserer Gesellschaft überwinden. Durch die Grenzöffnung im September 2015 haben sich die politischen Koordinaten verändert. Ich werde nicht ruhen, bis wir die Ursache dieser Entwicklung wieder beseitigt haben.

    Die CDU-Chefin und gemeinsame Kanzlerkandidatin von CDU und CSU lehnt eine Obergrenze aber nach wie vor ab. Denken Sie, dass die CDU sich noch bewegt?

    Seehofer: Die CDU hat sich schon bewegt. Sie kann nicht ignorieren, dass die Union je nach Umfrage zwischen sechs und zehn Prozent unter ihrem letzten Wahlergebnis liegt. Die Zuwanderung ist dafür der entscheidende Grund. Das geht auch an der CDU nicht spurlos vorbei. Auch sie spricht mittlerweile von Begrenzung, Steuerung und Leitkultur. Das sind Begriffe, die zeigen, dass in der Wortwahl bereits eine Annäherung stattfindet.

    Ihre Konkurrenz auf der rechten Seite des politischen Spektrums wird sagen: Wer CSU wählt, wird Merkel bekommen. Wie wollen Sie diesen Wählern glaubhaft vermitteln, dass Sie Ihre Inhalte dennoch durchsetzen?

    Seehofer: Da weise ich erstens darauf hin, dass das, was ich in den letzten Monaten vertreten habe, von der Kanzlerin übernommen wurde. Ohne die CSU gäbe es bis heute keine Grenzkontrollen und keine Verschärfung des Asylrechts. Zweitens sage ich den Wählern: Wir garantieren, wenn ihr euch für uns entscheidet, dass wir die Begrenzung durchsetzen. Wir werden nur dann in Berlin mitregieren, wenn das realisiert wird. Diese Garantie gebe ich für meine Partei ab.

    Bleibt noch die Frage, wie Sie die Merkel-Kritiker in Ihrer Partei davon überzeugen wollen, sich im Bundestagswahlkampf hinter sie zu stellen.

    Seehofer: Denen sage ich, nur die CSU gewährleistet, dass das, was sie wollen, auch so kommt. Bei dieser Bundestagswahl wird darüber gestritten werden, welche Richtung die Bundesrepublik in Zukunft einschlägt. Rot-Rot-Grün steht ohne Zweifel für noch mehr Zuwanderung, für Steuererhöhungen, für neue Schulden, für den Anschlag auf das Auto mit klassischem Verbrennungsmotor, für die Abschaffung des Ehegattensplittings, für das Aus von Sanktionen gegen Hartz-IV-Verstöße – nur um das Wichtigste dazu zu sagen.

    Ach ja, noch etwas. Können Sie nach dem mittlerweile vierten Versöhnungsgespräch mit Ihrem innerparteilichen Kontrahenten Markus Söder auch garantieren, dass es an der Spitze Ihrer Partei keine Keilereien mehr gibt?

    Seehofer: Wenn es nach mir geht, könnte ich dafür eine Ewigkeitsgarantie geben. Aber ich bin nicht allein auf der Welt.

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