Seine Thesen sind steil, die Worte, die er findet, deutlich: Pit Rohwedder kritisiert die Degradierung der Berge zum Sportgerät und sagt, die Natur werde dadurch immer mehr zum „Fun- und Actionpark“. Der 60-jährige Schwangauer Bergführer setzt sich schon seit langem mit der Szene auseinander und glaubt, sie sei inzwischen mit ihrer Zielsetzung in einer Sackgasse angelangt. Outdoor-Ausrüster werben inzwischen mit Slogans wie „no pain, no gain (kein Schmerz, kein Fortschritt)“ oder „speed-up (schnell hinauf).“
Dabei seien die Berge doch so viel mehr, sagt Rohwedder. Sie böten einen faszinierenden Erlebnisreichtum, könnten helfen bei Regeneration, Sinnsuche und Spiritualität. In einem Buch hat Rohwedder nun sein Plädoyer für eine neue Bergsportphilosophie zusammengefasst. Darin will er diejenigen, die ihr Tun im Gebirge bloß über Zeiten und Rekorde definieren, gar nicht zu sehr angreifen. Aber er will aufzeigen, dass sie doch ganz vieles verpassen. „Wer verschiedene Wege kennt, der kann wählen“, sagt Rohwedder. Und so etwa den Dreiklang von Körper, Seele und Geist spüren, der sich im Gebirge erleben lasse.
Bergführer Pit Rowedder aus Schwangau ruft zu neuer Bergsport-Mentalität auf
„Bergsteigen ist auch eine Lebensschule“, sagt Rohwedder. Ein Satz, der von seinem langjährigen Bergwacht-Kameraden Heinz Hipp aus Füssen stammt. Denn: Es ist viel mehr als nur Ausdauer und Kraft nötig, um ein Bergsteiger zu werden. Wetterkunde, Tourenplanung oder Technik zum Beispiel. Aber auch Selbsterfahrung, Hilfsbereitschaft und Kameradschaft sind Eigenschaften, die dabei gefördert werden. Aus seiner Erfahrung als Bergwachtler weiß Rohwedder, dass seit dem Bau des Tegelbergklettersteigs die Einsatzzahlen rapide angestiegen seien. Grund: Überforderung. Auch eine Check-Tafel am Einstieg, die Sportler zur realistischen Selbsteinschätzung ermahnen sollte, half wenig. Rohwedder beschäftigt sich intensiv mit diesen Themen, da er auch Teil des Bundeslehrteams Bergsteigen des Deutschen Alpenvereins (DAV) ist. Doch er muss eingestehen, die Verbandsarbeit hat Grenzen: „Mit über 1,4 Millionen Mitgliedern haben wir inzwischen gar keine Chance mehr, jeden zu erreichen“, sagt er.
Rohwedder geht es deshalb auch um Vermittlung von Werten wie Ehrfurcht, Respekt und Demut. Stattdessen werden aber andere Ideale wie Schnelligkeit oder die Messbarkeit der eigenen Leistung an die oberste Stelle gesetzt. Für ihn eine Fehlentwicklung. Der Zeitgeist drohe sich der Vielfalt des Gebirges zu verschließen.
Entschleunigung am Berg im Allgäu hat viele positive Seiten
Bergmarathons oder Skitourenrennen hätten zwar eine Berechtigung, aber lediglich als Nische. Rohwedder führt dieses bloße „höher, schneller, weiter“ nicht zuletzt auf die kommerzialisierte Leistungsgesellschaft zurück. Als studierter Wirtschaftspsychologe öffnet Rohwedder Unternehmen mit seiner Consulting-Firma neue Blickwinkel. Etwa wenn es um Mitarbeitergesundheit oder Veränderungsprozesse in Unternehmen geht. Die Erfahrung, die er dort weitergibt: „In den Bergen lässt sich Perspektivwechsel lernen und Weitblick fördern.“ Durch schweigendes Gehen oder gezielte Atemübungen könne man etwa den assoziativen Modus des Gehirns wecken. Der Mensch wird so wieder kreativ, sagt Rohwedder. Außerdem könne sich Einem auf diese Weise eine ästethische, inspirierende Welt eröffnen. Eine, die sie womöglich nicht spüren, wenn sie nur mit der Stoppuhr am Anschlag einen Berg hinauf rennen. „Was zählt ist eben das Erlebnis und die daraus gewonnene Erfahrung – die Leistung ist nur ein Teil davon.“
Das Buch „Ich bin ein Teil der Berge“ von Pit Rohwedder, ISBN-Nummer 9783000757488, ist zum Preis von 29,90 Euro bei Amazon erhältlich.