Die steigenden Sozialkosten bringen nicht nur Städte und Gemeinden ans Limit. Auch die bayerischen Bezirke, zu deren wichtigsten Aufgaben die Hilfen für Menschen mit Behinderung sowie im Pflegebereich zählen, sind in Finanznot. Denn einerseits sind immer mehr Menschen auf Unterstützung angewiesen. Andererseits kämpfen die Bezirke mit in die Höhe schnellenden Kosten, etwa durch die Tariferhöhungen im öffentlichen Dienst. „Und die Träger geben die entsprechenden Mehrkosten eins zu eins an uns weiter“, betonte Schwabens Bezirkstagspräsident Martin Sailer (CSU) zuletzt im Interview mit unserer Redaktion.
Auch in anderen Bereichen explodierten die Ausgaben des Bezirks zuletzt: Während die Kosten für die Eingliederungshilfe – zum Beispiel Werkstätten und besondere Wohnformen für Menschen mit Behinderung – im Jahr 2020 noch bei 513 Millionen Euro lagen, rechnet man fünf Jahre später bereits mit 780 Millionen Euro. Die Schulbegleitungen haben sich binnen eines Jahres um 26 Prozent erhöht, auch Individualbegleitungen im Kindergarten haben stark zugenommen. Doch wo das Geld für die zunehmenden Leistungen herkommen soll, ist unklar.
187,5 Millionen Euro: Es ist das größte Defizit, das der Bezirk Schwaben jemals hatte
Als Ende Oktober die Haushaltsberatungen des Bezirks für das kommende Jahr begannen, war das Finanzloch noch 250 Millionen Euro groß – „das größte Defizit, das wir in der Geschichte des Bezirks Schwaben jemals hatten“, wie Sailer im Interview betonte. In einem Schreiben an Ministerpräsident Markus Söder (CSU) forderte er, gemeinsam mit den anderen bayerischen Bezirkstagspräsidenten, deutlich mehr Geld. Schließlich seien die Zuweisungen seit zehn Jahren nicht gestiegen, während die Ausgaben in die Höhe schnellten.
Tatsächlich gibt es mehr Geld. Der Freistaat stattet 2025 nicht nur die Landkreise und Gemeinden mit höheren Schlüsselzuweisungen aus, auch die Bezirke profitieren über den kommunalen Finanzausgleich. Für Schwaben sind das voraussichtlich 174 Millionen Euro – fast 40 Millionen Euro mehr als im Jahr 2024.
Trotzdem ist das für Bezirkskämmerer Martin Seitz kein Grund zum Aufatmen. Bereits für das noch laufende Haushaltsjahr 2024 droht ein Defizit, die Rücklagen sind fast vollständig aufgezehrt. Ein Nachtragshaushalt, den der Bezirk Ende November verabschiedet hat, ermöglicht zwar, einen Kredit in Höhe von 14 Millionen Euro aufzunehmen. Doch das Finanzloch für das kommende Jahr bleibt. „Auch mit den gestiegenen Zuweisungen durch den kommunalen Finanzausgleich rechnet der Bezirk Schwaben für 2025 mit einem Haushaltsdefizit von etwa 187,5 Millionen Euro“, betont Seitz. Der Bezirk wird ohne gültigen Haushalt ins neue Jahr gehen, dieser soll erst am 30. Januar verabschiedet werden. Eine Situation, wie es sie in Schwaben in den vergangenen 20 Jahren nicht gab.
Die Sorge ist groß, dass manche Landkreise die höhere Umlage nicht stemmen können
Klar ist auch: Landkreise und kreisfreie Städte werden höhere Beträge an den Bezirk abführen müssen. Die Bezirksumlage, mit der sie die Arbeit der Bezirke zum Großteil finanzieren, muss angehoben werden. Sailer, der selbst Augsburger Landrat ist, äußerte bereits vor Monaten die Befürchtung, eine deutliche Steigerung „könnte manchen Landkreis erdrücken. Meine große Sorge ist, dass es die kommunale Familie zerreißt.“
Um einen stabilen Haushalt aufzustellen, müsste die Bezirksumlage nach Seitz‘ Worten eigentlich um mehr als vier Prozentpunkte steigen. Doch für die meisten Landkreise und kreisfreie Städte, die selbst unter stagnierenden Steuereinnahmen und steigenden Kosten ächzen, wird das nur schwer zu stemmen sein. Sie haben deshalb darum gebeten, die Höhe der Umlage noch einmal zu kalkulieren. Derzeit arbeitet man in der Bezirksverwaltung an einem entsprechenden Vorschlag.
Ein Problem ist, dass der Bezirk kaum Möglichkeiten hat, Kosten einzusparen. Der Sozialbereich macht 95 Prozent der Bezirksausgaben aus. Dabei handelt es sich um gesetzliche Pflichtaufgaben, die nicht gekürzt oder eingespart werden können. Dennoch arbeite man daran, in allen Bereichen Kosten zu senken beziehungsweise auf dem bisherigen Niveau zu halten. Bezirkstagspräsident Sailer betonte zuletzt im Interview mit unserer Redaktion, dass man überlege, im Bereich der Kulturarbeit einzusparen. Im Vergleich zum Sozialetat seien das allerdings „Kleckerlesbeträge“. „Auf die Spitze gebracht: Würde ich den gesamten Kulturbereich zum Jahresende stilllegen, würde das nur 17 Millionen Euro ausmachen – und die Folgen für unser kulturelles und gesellschaftliches Leben wären enorm“, betonte Sailer. „Also schließen wir das aus.“
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