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Schule: Bilanz vor den Sommerferien

Kommentar

Diese zwei Schulprobleme muss Bayerns Kultusministerin lösen

Sarah Ritschel
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    Die bayerische Kultusministerin Anna Stolz (FW) beim Sportunterricht an der Grundschule Jettingen-Scheppach.
    Die bayerische Kultusministerin Anna Stolz (FW) beim Sportunterricht an der Grundschule Jettingen-Scheppach. Foto: Stefan Puchner, STMUK

    Es wäre nicht abwegig zu glauben, dass Bayerns Kultusministerin Anna Stolz ihr früheres Leben als Lehrerin an einer Schule verbracht hat. Während ihrem Vorgänger oft unterstellt wurde, er lebe in einem Elfenbeinturm, scheint das Klassenzimmer ihre natürliche Umgebung zu sein. Die einstige Rechtsanwältin, als erste Staatsministerin in der Geschichte der Freien Wähler kurz nach Beginn des aktuellen Schuljahres ins Amt gekommen, hat Bälle im Sportunterricht geworfen, sich zu Grundschülerinnen auf den Boden gesetzt und sich erklären lassen, wie sie am Tablet lernen. Auf dem Boden geblieben und nah an den Leuten, so will sie sein. Dass sie sich gut präsentieren kann, daran herrscht kein Zweifel an den gut 6200 Schulen im Freistaat. Aber steckt mehr dahinter?

    Fest steht: Die 41-Jährige packt vieles an. Sie reagierte schnell auf die Horror-Ergebnisse in der Pisastudie, hat sich gegen Ministerpräsident Markus Söder (CSU) aufgelehnt und öffentlich erwogen, am heiligen Religionsunterricht zu kürzen. Sie ist wie versprochen in jeden Regierungsbezirk gereist, um sich in „Zukunftswerkstätten“ mit hunderten Schülern, Lehrkräften, Eltern, Sozialpädagogen auszutauschen. Bei vielen Themen räumt sie den Schulen maximal mögliche Entscheidungshoheit ein. Allerdings: Die Freiheit kommt nicht in jedem Rektorat gut an und gipfelt mitunter in der Kritik, Stolz wälze zu viel Verantwortung auf die Schulen ab.

    Chancengerechtigkeit und Personalbedarf hängen zusammen

    Zwei Probleme aber muss sie überwinden: den Lehrkräftemangel und die fehlende Gerechtigkeit, die soziale Kluft, die Kinder aus benachteiligten Familien immer noch so oft verschluckt. Beides wird im nächsten Schuljahr bleiben. Im schlimmsten Fall auch für den Rest von Stolz‘ Amtszeit.

    Die zwei Megathemen hängen unmittelbar zusammen: Denn was fällt als Erstes aus, wenn Pädagogen fehlen? Die individuelle Förderung für genau diese benachteiligten Kinder. Erst im Frühjahr wieder hat eine Studie des Münchner ifo-Instituts belegt, wie sehr die Chancen auf einen höheren Schulabschluss von der ökonomischen Lage der Eltern abhängen. Kinder aus Familien mit wenig Geld und geringer Bildung bleiben im Schnitt beträchtlich hinter den Lernleistungen ihrer Mitschüler mit Akademiker-Eltern zurück, die sich im Notfall auch privaten Nachhilfeunterricht locker leisten können.

    Stolz wäre eine gute Quereinsteigerin in den Lehrerberuf

    Doch statt die strukturellen Probleme anzugreifen, versteckt Bayern sich allzu zu oft hinter der Tatsache, dass bayerische Schüler in den meisten Vergleichsstudien Deutschlands Überflieger sind. Das ist eine gute Nachricht, aber auch eine, mit der man gut kaschieren kann, dass hier im Freistaat die soziale Kluft teils noch größer ist als anderswo. Auch Anna Stolz blendet das aus, wenn sie betont, man habe in Bayern „viele etablierte Förderinstrumente, um individuelle Talente auch bestmöglich fördern zu können“. Offensichtlich wirken sie nicht ausreichend.

    Wenn Anna Stolz es schafft, Personalnot und die fehlende Chancengerechtigkeit im Laufe ihrer Amtszeit zu überwinden, wenn sie ihr selbstgestecktes Ziel erreicht, dass es in Bayern „glückliche, selbstbewusste Kinder und Jugendliche gibt, die ihre Talente kennen“ und wenn sie diese Talente in einem gerechten Schulsystem ausbilden, in denen die Lehrkräfte Zeit haben für jedes Kind, dann wird sie die meisten CSU-Kultusminister der vergangenen Jahrzehnte überflügeln. Wenn nicht, wäre sie immerhin eine gute Quereinsteigerin in den Lehrerberuf. Eine, die sowohl mit den Schülern, als auch den Lehrkräften und Eltern kann. Das können nicht viele Bildungsminister von sich behaupten.

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