Die Bertelsmann-Stiftung stellt dem Freistaat erneut kein gutes Zeugnis aus. Im „Ländermonitoring frühkindliche Bildung“ kommt sie zu dem Schluss, dass in Bayern insgesamt zu wenig Personal in Krippen, Kindergärten und Horten beschäftigt ist. Mit Folgen für Angestellte und Kinder.
Angeblich erfüllen nur drei Prozent der bayerischen Kitas eine hohe Fachkraftquote. Was bedeutet das?
Die Bertelsmann-Stiftung untersucht in ihrer Studie mehrere Dinge, unter anderem, wie viele Menschen mit welchen Bildungsabschlüssen in den bayerischen Kitas arbeiten. Als Fachkräfte wertet sie alle, die einen Hochschulabschluss oder mindestens einen Fachschulabschluss haben, also Erzieherinnen oder Heilpädagogen. Das traf in Bayern im Jahr 2023 auf 52,6 Prozent aller Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Kitas zu. Ein weiteres Drittel der Kita-Angestellten sind Kinderpflegerinnen und -pfleger. Ihre Ausbildung dauert nur zwei Jahre. Sie werden in der Studie nicht zu den Fachkräften gezählt.
Bei den drei Prozent handelt es sich wieder um eine weitere Quote: Eine Expertenkommission hat dem Bundesfamilienministerium empfohlen, dass in Kitas 80 Prozent der Angestellten Fachkräfte sein sollten – etwa Erzieherinnen. In Bayern erfüllen nur drei von 100 Kita-Teams diese Quote. Im deutschlandweiten Durchschnitt ist es jedes dritte Team. Bayern ist damit das Schlusslicht im Ländervergleich. „In Bayern verfügt bereits seit Jahren ein großer Anteil des Kita-Personals nicht über die fachlich einschlägige Qualifikation“, sagt Bildungsexpertin Kathrin Bock-Famulla von der Bertelsmann-Stiftung.
Wie reagiert die bayerische Familienministerin Ulrike Scharf auf die Kita-Studie?
Scharf sagt, die Staatsregierung habe mit dem Nachtragshaushalt eine Richtungsentscheidung für Familien getroffen und gebe mehr Geld ins System der Kinderbetreuung. Das komme insbesondere dem Kita-Personal zugute. Auch stärke man die Weiterbildung der Ergänzungskräfte zu Fachkräften, verdoppele die Teamkräfte zur Entlastung des pädagogischen Personals in den Kitas und schaffe mehr Fachakademien. Bis 2028 entstünden weitere 200 Studienplätze für Soziale Arbeit und Kindheitspädagogik.
Tatsächlich hat die Staatsregierung gerade entschieden, das Familien- und Krippengeld anders zu verteilen. Ein Teil wird weiter direkt an Eltern ausgezahlt. Der andere Teil soll in die Verbesserung der Kita-Infrastruktur fließen.
Was sagen die Gewerkschaft Verdi und die bayerische Opposition zu der Bertelsmann-Studie?
Harsche Kritik kommt von der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi. Die bayerische Staatsregierung müsse sich endlich entscheiden: „Geht es um Betreuungsqualität oder nur mehr Köpfe, also Bildung oder Aufbewahrung der Kinder“, sagt Martina Meyer vom Landesvorstand Erziehung, Bildung, Soziale Arbeit. Inzwischen seien aufgrund der Situation viele Kolleginnen und Kollegen überlastet und frustriert und würden deshalb die Kitas verlassen.
Auch die Grünen im Landtag kritisieren die Staatsregierung für ihre Kita-Politik. „Seit Jahren ist Bayern Schlusslicht im bundesweiten Vergleich. Die pädagogischen Fachkräfte in den Kitas können bei ihrem Arbeitspensum die Kinder nur noch versorgen – für Bildungs- und Förderangebote bleibt da keine Zeit mehr“, sagt Landeschefin Eva Lettenbauer. Die SPD will die Staatsregierung im Sozialausschuss des Landtags an diesem Donnerstag dazu auffordern, die Finanzierung der Kitas neu zu regeln.
Was bedeutet der Personalmangel für Erzieherinnen und anderes Kita-Personal?
Die Bertelsmann-Stiftung hat dazu eine zweite Untersuchung veröffentlicht. Hier geht es darum, als wie belastend Kita-Mitarbeiterinnen ihre Arbeit empfinden. Die Ergebnisse sind drastisch. So sagen nur fünf Prozent aller Kita-Mitarbeiter, dass ihre Einrichtung immer gut besetzt sei. Dagegen spricht ein Viertel aller Befragten davon, dass ihre Einrichtung immer unterbesetzt sei, und ein weiteres Drittel sagt, ihre Einrichtung sei meistens unterbesetzt. Das führt dazu, dass ein Großteil der Angestellten die Arbeitsbelastung als sehr hoch empfindet. Dazu kommt: Kita-Mitarbeiter, die angeben, dass ihre Einrichtung oft schlecht besetzt sei, denken häufiger darüber nach, den Beruf zu wechseln. Die Bertelsmann-Stiftung warnt deshalb vor einer Negativspirale, die die anhaltende Überlastung in Gang setzen könnte.
Sie hat deshalb berechnet, wie viel zusätzliches Personal Bayern einstellen müsste, um die Menschen, die jetzt schon in Kitas arbeiten, zu entlasten. Ergebnis: Um die schon bestehenden Ausfallzeiten zu kompensieren, müssten in bayerischen Kitas 10.995 mehr Fachkräfte arbeiten. Um sie zu beschäftigen, müsste der Freistaat im Jahr 643,4 Millionen Euro zusätzliche Personalkosten ausgeben. (mit dpa)
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