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Herzbube Daniel aus Schwabmünchen: Das Spendeherz macht Sorgen

Schwabmünchen

Wenn der Körper das Herz angreift: Daniels Spenderherz macht Sorgen

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    Seit Juni 2021 lebt Daniel mit einem Spenderherz. Der Bub ist mittlerweile fünf Jahre alt.
    Seit Juni 2021 lebt Daniel mit einem Spenderherz. Der Bub ist mittlerweile fünf Jahre alt. Foto: Diana Dietrich

    Immer wieder bricht Diana Dietrich die Stimme weg, als sie in einem Instagram-Video davon erzählt, dass die Untersuchungsergebnisse nicht so ausgefallen sind wie gehofft. Bei ihrem Sohn Daniel, der im Juni 2021 ein Spenderherz bekommen hat, wurde bei einer Biopsie eine chronische Abstoßung festgestellt. "Warum immer er? Warum kann er nicht einfach mal Ruhe haben?", sagt

    Ein paar Tage nach dem Video hat Daniels Mutter den ersten Schock verdaut. "Es wurde zum Glück in einem sehr sehr frühen Stadium erkannt", sagt sie im Gespräch mit unserer Redaktion. "Ich vertraue den Ärzten, die sagen, dass sie das in den Griff kriegen." Die chronische Abstoßung war bei einer Routineuntersuchung aufgefallen. "Ich hatte überhaupt nicht damit gerechnet, dass so eine negative Nachricht kommt. Es ging ihm ja gut", sagt Diana Dietrich. 

    Daniel aus Schwabmünchen wartete 943 Tage auf sein neues Herz

    Rückblick: Im Oktober 2018 erfährt Diana Dietrich, dass ihr damals zehn Monate alter Sohn schwer krank ist. Daniel leidet an einer dilatativen Kardiomyopathie, einer extrem seltenen Krankheit, bei der eine Herzkammer massiv vergrößert ist. Schnell ist klar: Um zu überleben, braucht er ein neues Herz. Was zu diesem Zeitpunkt noch niemand weiß: Der Weg wird lang werden. Sehr lang sogar. Während Daniel auf ein neues Organ wartet, ist er an ein Herzunterstützungssystem angeschlossen – nur eine Übergangslösung, aber sie rettet ihm das Leben. Bis endlich ein passendes Organ gefunden ist, vergehen schließlich 943 Tage. Von der aufwendigen Operation erholt Daniel sich schnell, ein Jahr danach geht er schon in den Kindergarten. Rückschläge wie häufige Infekte gibt es aber immer wieder. Und jetzt muss die Familie aus Schwabmünchen im Landkreis Augsburg schon wieder mit einer schlechten Nachricht umgehen. 

    Dass Menschen mit einem Spenderorgan eine chronische Abstoßung erleiden, kommt immer wieder vor. "Es ist im Langzeitverlauf der häufigste Grund für Herzversagen", sagt Professor Dr. Felix Schönrath, kardiologischer Leiter und Oberarzt der Bereiche Schwere Herzinsuffizienz und Herztransplantation an der Klinik für Herz-, Thorax- und Gefäßchirurgie am Deutschen Herzzentrum der Charité in Berlin. Bei der Lunge, die immunologisch sehr aktiv sei, komme es häufiger zu solchen chronischen Abstoßungen. "Beim Herzen ist das seltener", erklärt Schönrath. Das Risiko liege pro Jahr bei etwa fünf Prozent.

    Im Körper passiert dabei Folgendes: Antikörper, die von den weißen Blutkörperchen gebildet werden, greifen das Herz an und führen dort zu Veränderungen. "Chronisch bedeutet in diesem Zusammenhang, dass das sehr langsam passiert und auf einem sehr niedrigen Niveau", sagt Schönrath. Eine akute Abstoßung indes schreite schneller fort – das Risiko sei kurz nach der Transplantation am höchsten, eine akute Abstoßung könne aber auch noch nach zehn Jahren auftreten, erklärt der Experte. Und: Kinder seien öfter von Abstoßungen – akuten wie chronischen – betroffen, weil deren Immunsystem aktiver sei als das von älteren Menschen.

    Spendeherz: Betroffene merken zu Beginn nichts von einer chronischen Abstoßung

    Oftmals würden Betroffene zu Beginn nichts von einer chronischen Abstoßung merken, fährt Schönrath fort. "Zudem können Kinder so etwas sehr gut kompensieren, weil der Körper noch jung und fit ist." Oft falle eine chronische Abstoßung deswegen bei den regelmäßigen Kontrollen auf. "Hinweise gibt es da bereits im Ultraschall oder im Herzkatheter." In der Biopsie würde das Bild dann deutlicher. "Auch im Blut kann man mittlerweile mit genetischen Methoden Hinweise für solche Abstoßungen finden", sagt Schönrath.

    Das Herz kann durch eine chronische Abstoßung in unterschiedlichem Ausmaß geschädigt werden. "Das kann nur leicht sein, so, dass man es zwar anhand der Herzmuskel-Biopsie nachweisen kann, das Herz aber gut funktioniert." Es könne aber in schweren Fällen auch zu einer kompletten Versteifung und damit zu einem Versagen des Herzens kommen. "Dann muss man im schlimmsten Fall über eine erneute Transplantation nachdenken." Solche erneuten Organ-Verpflanzungen seien aber selten. "Weltweit machen Re-Transplantationen nur etwa drei Prozent aller Transplantationen aus. Bei uns in Deutschland ist der Anteil aufgrund des Spendermangels noch ein bisschen niedriger", sagt Schönrath. 

    Dass es viel zu wenige Organe gibt, zeigt sich auf den Wartelisten: In Deutschland warten rund 8500 Menschen auf ein Spenderorgan, im Freistaat sind es dem bayerischen Gesundheitsministerium zufolge rund 1100.

    Daniels Medikamente können nicht reduziert werden

    Gegen die chronische Abstoßung musste Daniel drei Tage lang hochdosiertes Kortison nehmen. "Wir haben das Glück, dass er das zu Hause machen konnte. Er hat es ohne Probleme genommen", sagt Diana Dietrich. Allerdings hätte es auch Nebenwirkungen gegeben. "Zum Beispiel Übelkeit und Stimmungsschwankungen. Aber es hat sich in Grenzen gehalten." Diana Dietrich ist optimistisch, dass die Therapie anschlägt. Sie habe Kontakt zu anderen Transplantierten aufgenommen, die auch eine chronische Abstoßung hatten. "Da leben manche seit über 20 Jahren mit ihrem Spenderherz. So etwas zu hören, beruhigt einen." 

    Daniel muss in einem Jahr wieder zur Kontrolle. "Es gibt auch Fälle, wo gleich nach vier Wochen geschaut wird, wie es sich entwickelt hat. Das hängt davon ab, wie weit die chronische Abstoßung fortgeschritten ist. Uns haben die Ärzte aber gesagt, dass man es sehr früh entdeckt hat", sagt seine Mutter. Die Immunsuppressiva, die alle Transplantierten nehmen müssen, nimmt Daniel weiter ein. "Wenn das Ergebnis der Biopsie positiv gewesen wäre, dann hätte man diese Medikamente nach unten gefahren. Das macht man jetzt aber nicht", sagt Daniels Mutter. 

    Im Hintergrund hört man Daniel lachen. "Er ist wirklich so eine Frohnatur", sagt Diana Dietrich. "Es ist Wahnsinn, was dieser kleine Mensch schon durchgemacht hat und dass er trotzdem so glücklich ist."

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