Ein Söder kostet auf Ebay bis zu 25 Euro zum Sofortkauf. Für ähnliches Geld bekommt man mit etwas Glück das Autogramm von FC-Bayern-Profi Joshua Kimmich. Der Original-Aiwanger lag am Freitag auf der Auktionsplattform Ebay bei einem Gebot von 1,50 Euro. Die Unterschrift der Landtagsabgeordneten Stephanie Schuhknecht ist da deutlich teurer. Für 13 Euro bietet sie ein Antiquariat zum Sofortkauf an. Eine weitere Autogrammkarte von ihr ist inzwischen aus dem Netz verschwunden. Ob sie jemand ersteigert hat oder einfach nur der Auktionszeitraum endete, die Grünen-Politikerin weiß es nicht.
Etwa alle zwei Wochen bekomme sie E-Mails mit der Bitte nach einem Autogramm, erzählt die 41-Jährige bei einem Treffen in ihrem Büro in der Augsburger Innenstadt. Wer sie in der Abgeordnetenliste auf der Homepage des Landtags sucht, muss bis zu Nummer 162 scrollen. Doch die Sammler stammen aus ganz Deutschland, Schuhknecht kann es selbst nicht fassen. „Für mich sind Autogramme mit Stars verbunden - mit Musikern, Fußballern, Instagrammern.“ Aber mit Landtagsabgeordneten?
Ganz offensichtlich gibt es auch diesen Markt. Von einem beträchtlichen Teil der 203 bayerischen Parlamentsmitglieder findet man online Autogramme zum Kauf. Sogar auf einen sympathisch dreinblickenden Hans Reichhart, heute Landrat im Kreis Günzburg, kann man noch bieten. Aber wer sammelt sowas?
Christian Bach weiß das. Bach ist Vorsitzender des Clubs der Autogrammsammler in Deutschland, hat selbst rund 10.000 Unterschriften, vor allem von Musikern, Sängerinnen, Kinohelden und Schauspielerinnen. Sein Herzensprojekt: die „Lindenstraße“. Politiker hat er auch. „Es kann für Sammler interessant sein, ein komplettes Landesparlament zu haben“, sagt der Experte aus Göttingen. Ebay sei dabei nur eine Notlösung. „Am schönsten ist es natürlich, die Leute selbst zu treffen.“ Bach erinnert sich noch an sein Aufeinandertreffen mit dem Linken-Bundestagsabgeordneten Gregor Gysi, der ihm neben einer Unterschrift gleich noch ein Buch über den Bundestag schenkte.
Bach, der selbst mit 14 Jahren zu sammeln begann - sein erster Namenszug war von Fußballer Pierre Littbarski -, schätzt die Zahl der Autogramm-Liebhaber in Deutschland auf 25.000. Er selbst ist mit 44 Jahren einer der Jüngeren. Etwa 700 haben die Fachzeitschrift „Autogramm-Post“ abonniert, die Bachs Club viermal im Jahr veröffentlicht. „Sowas wie die Bravo für den Sammler“, sagt der Vorsitzende. Als „wahnsinnig guten Signierer“ bezeichnet er Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP). Warum? „Einfach, weil er dem interessierten Bürger sehr zugetan ist“, sagt Bach. Lindner erfülle gern Autogrammwünsche. „Man merkt, er mag die Rolle als Popstar und Galionsfigur der FDP.“
Aktuell aber habe das Polit-Autogramm einen schweren Stand. „Man spürt, dass viele Menschen sich eine Politikverdrossenheit zugelegt haben.“ Dazu komme, „dass es in der Politik einfach an Personen mit Profil fehlt. Schmidt, Brandt, die hatten eine Aura. Merkel hatte mehr Strahlkraft als Scholz. Wenn das Charisma fehlt, macht sich das auch unter Autogrammsammlern bemerkbar.“
Die Augsburger Abgeordnete Stephanie Schuhknecht hat gerade 500 neue Karten drucken lassen. Seit der laufenden Legislaturperiode ist sie Vorsitzende im Wirtschaftsausschuss. „Die Idee war, mit der neuen Aufgabe einen Rebrand zu machen“, sagt sie, sprich: sich ein neues Erscheinungsbild zu geben. Auf der alten Autogrammkarte - die für 13 Euro auf Ebay steht - sitzt sie vor einem Graffito, auf der neuen ist sie seriös im schwarzen Blazer zu sehen, unterschreibt darauf mit weißem Stift. Das Foto entstand als Teil einer ganzen Serie für ihre Homepage. „Das war ein ganzer Tag Shooting mit Beleuchtung, Makeup, allem drum und dran.“
Obwohl sie sich noch immer nicht daran gewöhnt hat, dass Menschen Autogramme von ihr möchten, erfüllt Schuhknecht diese Wünsche gern. „Für mich ist das eine Möglichkeit, mit Bürgerinnen und Bürgern in Kontakt zu treten.“ Mit Menschen, die sie auf Tiktok oder Instagram eher nicht erreicht, wo mehr als die Hälfte derer, die ihre Beiträge ansehen, zwischen 18 und 24 Jahre alt ist.
Von wem sie selbst gern ein Autogramm hätte? „Michelle Obama!“ Obwohl sie nie wirklich sammelte, erinnert sich Schuhknecht noch an Autogramme aus ihrer Jugend. „Mein erstes war eins von der Kelly Family“, erzählt die Augsburgerin, aus unerfindlichen Gründen ein wenig verschämt. „Und ich hatte welche von Lenny Kravitz, von der britischen Rockband Muse.“ Von Stars eben - mit denen sie selbst heute vielleicht in einem Sammelalbum klebt.
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