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Rezension: Neues CSU-Buch: Das Ende christsozialer Herrlichkeit?

Rezension

Neues CSU-Buch: Das Ende christsozialer Herrlichkeit?

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    An Selbstbewusstsein mangelte es der CSU noch nie. Doch das Gefühl der Unverwundbarkeit hat Kratzer bekommen.
    An Selbstbewusstsein mangelte es der CSU noch nie. Doch das Gefühl der Unverwundbarkeit hat Kratzer bekommen. Foto: Peter Kneffel, dpa

    Ja, mei, die CSU. Was soll man da noch sagen? Was soll man da noch schreiben? Ziemlich genau 41 Jahre ist es her, dass der Journalist Herbert Riehl-Heyse (Süddeutsche Zeitung) ein Buch über die Partei veröffentlicht hat, die dieses Jahr ihren 75. Geburtstag feiert. Es trägt den herrlich ironischen Untertitel: „Die Partei, die das schöne Bayern erfunden hat.“ Damit war eigentlich alles gesagt. Damals zumindest.

    Die CSU ist nicht mehr so, wie die Bayern sie einst kannten

    Die Parteivorsitzenden, die auf den dereinst übermächtigen Franz Josef Strauß folgten, haben sich strikt an dieses Dogma gehalten. Theo Waigel, Edmund Stoiber, Erwin Huber, Horst Seehofer – sie alle haben, so unterschiedlich sie auch waren, immer so getan, als hätten die Christsozialen den Chiemsee von Hand ausgehoben und höchstselbst die Alpen aufgeschüttet. Markus Söder, der aktuelle Parteichef, macht da keine Ausnahme. Und doch hat sich nun wieder ein Journalist der Süddeutschen Zeitung hingesetzt und ein Buch unter dem Titel „Die CSU“ verfasst. Der Untertitel freilich deutet an, dass sich die Zeiten geändert haben. Er lautet jetzt: „Bildnis einer speziellen Partei.“ Die CSU ist nicht mehr selbstverständlich so, wie die Bayern sie einst kannten. Sie ist, zumal für die vielen Zugezogenen, auf eine neue Art und Weise zu einem erklärungsbedürftigen Phänomen geworden.

    Die „christsoziale Herrlichkeit“, so lautet eine der wuchtigen Thesen des Autors Roman Deininger, ist spätestens bei der Landtagswahl am 14. Oktober 2018 in sich zusammengefallen. Hier die Grünen, dort die AfD und dann noch all die Jahre des Streits und der Rebellionen – erst gegen Stoiber, dann gegen Seehofer. Die alte Unverwundbarkeit der immer noch erfolgreichsten Regionalpartei in Europa sei dahin. Wer die Ereignisse und Entwicklungen im Verlauf der vergangenen Jahre und Jahrzehnte verfolgt hat, kennt die Gründe.

    "Bildnis einer speziellen Partei": Selbst für Insider eine erhellende Lektüre

    Was Deiningers Buch so lesenswert macht, ist die Mischung aus detailgetreuer Beobachtung und gefühlsbetonter Beschreibung. Es ist eine journalistische Herausforderung, einem CDU-Mitglied, sagen wir aus Niedersachsen, überhaupt verständlich zu machen, warum für die CSU 37,2 Prozent bei einer Landtagswahl in Bayern eine Katastrophe sind. Ganz zu schweigen von dem Problem, einem CDU-Landtagsabgeordneten, sagen wir in Hessen, die emotionalen Befindlichkeiten in der CSU-Landtagsfraktion zu erklären, die sich bis heute als „Herzkammer“ der Partei fühlt, aber weniger zu sagen hat als je zuvor. Und jetzt kommt ja auch noch hinzu, dass selbst altgediente Parteisoldaten in der CSU nicht mehr so recht wissen, wie ihnen und ihrer Partei geschieht.

    Deininger lässt die Protagonisten ausführlich zu Wort kommen. Er meint es – trotz aller gebotenen Ironie und kritischen Distanz – sogar irgendwie gut mit ihnen. Er deckt die Widersprüchlichkeiten und Selbstzweifel hinter der selbstbewussten Fassade auf. Aber er hält sich an die Fakten und bleibt dabei fair. Und am Ende lässt er es sogar offen, ob es nicht doch ein hartnäckiges Potenzial für bleibende christsoziale Herrlichkeit geben könnte. Das letzte Wort jedenfalls lässt er ausgerechnet einen aus der ganz alten CSU sagen: dem rechtskonservativen Peter Gauweiler.

    Das neue Buch über die CSU ist sogar für politische Insider eine erhellende Lektüre. Noch gesteigert aber wird der Erkenntnisgewinn für den, der vorher noch einmal das 41 Jahre alte Buch über die CSU von Herbert Riehl-Heyse zur Hand nimmt. Der Vergleich der Sichtweisen enthüllt mehr als alle Fakten, was sich über die Jahrzehnte für diese sehr spezielle Partei so alles geändert hat.

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