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Augsburg: Tausende Zeugen Jehovas treffen sich zu Sommerkongress

Augsburg

Tausende Zeugen Jehovas treffen sich zu Sommerkongress

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    Ein Königreichssaal der Zeugen Jehovas. Die Zeugen Jehovas sind eine christliche Gemeinschaft mit eigener Bibel-Auslegung.
    Ein Königreichssaal der Zeugen Jehovas. Die Zeugen Jehovas sind eine christliche Gemeinschaft mit eigener Bibel-Auslegung. Foto: Matthias Bein, dpa

    "Nur gute Nachrichten" sollen die "voraussichtlich rund 10.000" Menschen hören, die den Sommerkongress der Zeugen Jehovas in Halle fünf der Augsburger Messe besuchen. So steht es in einer Pressemitteilung. Die Veranstaltung vom 21. bis 23. Juni und vom 28. bis 30. Juni sei für die Religionsgemeinschaft "ein religiöser Feiertag". Das Programm habe das Motto "Macht die gute Botschaft bekannt". Simon Bödecker, Sprecher von Jehovas Zeugen für Bayern, wird mit den Sätzen zitiert: "In unseren turbulenten Zeiten drängt sich Pessimismus geradezu auf. Erstaunlicherweise liefert die Bibel aus unserer Sicht gute Gründe, um optimistisch in die Zukunft zu blicken. Diese Zuversicht möchten wir mit so vielen Menschen wie möglich teilen und freuen uns über jeden Besucher." Der Eintritt sei frei.

    Die "christliche Sondergemeinschaft", wie sie Matthias Pöhlmann, Beauftragter für Sekten- und Weltanschauungsfragen der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern bezeichnet, ist erkennbar um Offenheit bemüht. Berichterstatter werden "herzlich eingeladen", den Kongress zu besuchen. Die Internetseite der Messe Augsburg verlinkt zu der der Jehovas Zeugen, wie sie sich selbst nennen. Auf dieser ist ein Video mit dem Titel "Das erwartet Sie bei einem Kongress" zu sehen: lächelnde, ergriffene Menschen offensichtlich verschiedener Herkunft und Hautfarbe in der Kulisse spektakulärer Stadien.

    Experte Matthias Pöhlmann spricht von "Kosmetik an der Fassade"

    Pöhlmann sieht die Veranstaltung in Augsburg überaus kritisch. Im Gespräch mit unserer Redaktion sagt er: "Diese Kongresse dienen der Verkündigung, also der Missionierung, der Selbstvergewisserung und der Motivation der Mitglieder zu aktivem Zeugendienst." Er spricht von einem "neuen, positiveren Erscheinungsbild", das sich die Zeugen Jehovas geben wollten, von "Kosmetik an der Fassade": nach außen modern und transparent, auch in den benutzten Kommunikationsmitteln – "aber die bibelfundamentalistischen Überzeugungen ändern sich nicht, und das ist das Problem. Die Zeugen Jehovas betrachten ihre Organisation als Regierung Gottes auf Erden, als Theokratie. Daher sind sie eine geschlossene Gemeinschaft mit streng hierarchischer Struktur. Interne Kritik ist nicht möglich. Mit ihren Endzeitbotschaften werden sie zu Propheten der Angst."

    Zu den Höhepunkten des Sommerkongresses in Augsburg zählt nach Angaben der Zeugen Jehovas eine öffentliche Taufe. Am Sonntag zeige ein Vortrag, "warum sich heute Millionen Menschen trotz der schlimmer werdenden Weltlage sicher fühlen und zuversichtlich sind". Pöhlmann zufolge wollen die Zeugen Jehovas auf diese Weise an die multiplen Krisenlagen dieser Tage andocken, um ihre Sonderlehre zu propagieren. Hinter den auf den ersten Blick harmlos klingenden Botschaften, mit denen für den Kongress geworben werde, stecke unverändert der Glaube an ein bevorstehendes "Harmagedon", eine endzeitliche Entscheidungsschlacht. Diejenigen, die treu zu "Jehova" stünden, würden überleben – alle anderen würden vernichtet. "Das ist ein mit Absolutheitsanspruch verkündetes Horrorszenario."

    Aussteiger Udo Obermayer aus Augsburg engagiert sich als Vorsitzender des Vereins "JZ Help".
    Aussteiger Udo Obermayer aus Augsburg engagiert sich als Vorsitzender des Vereins "JZ Help". Foto: Silvio Wyszengrad

    Besonders konfliktreich sei der Umgang der Organisation, die in Deutschland den Status einer Körperschaft des öffentlichen Rechts hat, mit Aussteigern, so Pöhlmann. Der Augsburger Udo Obermayer verließ die Zeugen Jehovas im Jahr 2016. Als Vorsitzender von JZ Help e.V. unterstützt der 66-Jährige andere Aussteigerinnen und Augsburger Kongress von 2013. Damals berichtete unsere Redaktion, man habe sich dort gegen "Abtrünnige" gewappnet. Worte wie "verunreinigtes Gedankengut" seien gefallen. Obermayer kann sich auch an größere Kongresse, zum Beispiel im Münchner Olympiastadion, erinnern. Auf diesen sei stark um Spenden geworben und indoktriniert worden. Seiner Ansicht nach habe die aktuelle Augsburger Veranstaltung auch zum Zweck, die Missionierung wieder zum Laufen zu bringen – nach den Corona-Jahren.

    Werden Zeugen Jehovas während des Kongresses verstärkt an Haustüren missionieren?

    Nach Angaben des Sprechers der Zeugen Jehovas findet der Kongress zum siebten Mal seit 2013 auf dem Augsburger Messegelände statt. Er lobt die Zusammenarbeit mit den Behörden und der "Augsburger Schwabenhallen Messe- und Veranstaltungsgesellschaft". Matthias Pöhlmann verweist ebenfalls auf die günstigen Rahmenbedingungen dieses Veranstaltungsortes für die Zeugen Jehovas. Dass Mitglieder während des Kongresses verstärkt an Haustüren zu missionieren versuchen, erwartet er eher nicht – auch wenn sich in der Pressemitteilung der Satz findet: "Vor dem Kongress starten Zeugen Jehovas vor Ort eine Kampagne, um jeden zu der kostenlosen Veranstaltung einzuladen." Nach eigenen Angaben hat die Religionsgemeinschaft etwas mehr als 33.000 "Verkündiger" in Bayern.

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