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Katholische Kirche: Stimmungstest für die Kirche: Eine Wahl im Zeichen der Krise

Katholische Kirche

Stimmungstest für die Kirche: Eine Wahl im Zeichen der Krise

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    5,3 Millionen Katholikinnen und Katholiken ab 14 Jahren sind in Bayern zur Wahl aufgerufen.
    5,3 Millionen Katholikinnen und Katholiken ab 14 Jahren sind in Bayern zur Wahl aufgerufen. Foto: Peter Kneffel, dpa

    Das Wort „durchwachsen“ trifft es ganz gut. Claudia Possi von der katholischen Pfarreiengemeinschaft Dietkirch im schwäbischen Landkreis Augsburg sagt „gemischt“ – fragt man sie nach der Stimmung unter Kirchenmitgliedern. Am Sonntag finden in den sieben bayerischen (Erz-)Diözesen die nächsten Pfarrgemeinderatswahlen statt, zu denen 5,3 Millionen Katholikinnen und Katholiken ab 14 Jahren aufgerufen sind.

    Die Wahlen sind immer auch ein Spiegel dafür, wie es um die Kirche steht. Besonders in diesem Jahr: Finden sich noch ausreichend Ehrenamtliche, die den Alltag in den Gemeinden mitgestalten wollen? Oder sind selbst engagierte Gläubige all der Skandale überdrüssig, mit denen die katholische Kirche Schlagzeilen macht? Zuletzt im Januar mit der Veröffentlichung des Münchner Missbrauchsgutachtens.

    Die Pfarreiengemeinschaft Dietkirch im Bistum Augsburg besteht aus sechs Pfarreien – in einer werde kein Pfarrgemeinderat mehr zustande kommen, das sei schon jetzt klar. In den anderen gebe es dafür teilweise einen Wechsel, sagt Possi. Es träten motivierte junge Kandidaten und Kandidatinnen an, auch Zugezogene. Ein gemischtes Stimmungsbild eben. „Ich glaube, es wird sehr stark differenziert“, meint Possi. Das eine sei ja, was aus dem Vatikan oder von Bischöfen komme; das andere die eigene Gemeinde. „Die Kandidaten schauen darauf, dass Glaube vor Ort gelebt und weitergegeben wird – und darauf, was die Leute vor Ort brauchen.“

    Bereits die vorangegangenen Pfarrgemeinderatswahlen im Februar 2018 standen im Zeichen der Kirchenkrise, wenngleich eine bundesweite Missbrauchsstudie im Auftrag der Bischöfe erst im September vorgestellt wurde. Der zufolge sollen Geistliche zwischen 1946 und 2014 mindestens 3677 Kinder und Jugendliche missbraucht haben. Davor diskutierte man in Reihen der Kirche vor allem kontrovers über die Umstrukturierungsmaßnahmen in den Diözesen. Die Wahlbeteiligung lag bayernweit bei rund 17,5 Prozent, ein bisschen niedriger als 2014. Im Erzbistum München und Freising stieg sie sogar.

    Bei den Pfarrgemeinderatswahlen geht es auch um Reformen

    Dieses Jahr lautet das Motto der Wahlen: „Christ sein. Weit denken. Mutig handeln.“ Und nicht nur Missbrauchsfälle sind Thema, sondern auch Reformen: vom Zölibat bis hin zu mehr Mitwirkung von Laien, etwa bei der Bischofswahl.

    Das Landeskomitee der Katholiken in Bayern, ein Zusammenschluss der Diözesanräte und katholischen Organisationen, geht davon aus, dass sich in den kommenden vier Jahren von 2022 bis 2026 wieder insgesamt um die 30.000 gewählte Gläubige, mehrheitlich Frauen, ehrenamtlich in den Pfarrgemeinderäten engagieren werden. In diese Gremien werden nach den Wahlen dann weitere Mitglieder berufen – und auch die Pfarrer kommen noch hinzu.

    Wie hoch die Wahlbeteiligung in diesem Jahr ausfallen werde, sei schwer zu beurteilen, sagt der Geschäftsführer des Landeskomitees, Karl Eder. Was die Kandidierenden-Suche betreffe, so sei diese schon vor vier Jahren mühsam gewesen. Dennoch könne man feststellen, dass viele Gläubige sich „jetzt erst recht“ zu einer Kandidatur bereit erklärt hätten.

    „Diejenigen, die sich in Pfarrgemeinderäten engagieren, lassen sich eher nicht durch die gesamtkirchliche Lage abschrecken“, sagt Eder. Er schätzt, dass die Zahl der Pfarreien, in denen es demnächst keinen Pfarrgemeinderat mehr geben werde, bayernweit im „unteren zweistelligen Bereich“ liegen dürfte. Die Gründe hierfür seien hauptsächlich vor Ort zu suchen – zum Beispiel in Schwierigkeiten mit dem Pfarrer.

    Auch Hildegard Schütz, Vorsitzende des Diözesanrats der Katholiken im Bistum Augsburg, sagt: „Die gegenwärtigen innerkirchlichen Diskussionen bezüglich der Lage der Kirche wirken sich aus meiner Sicht nur bedingt auf die Wahlen aus.“ Schließlich gehe es in erster Linie darum, die Kirche vor Ort lebendig zu halten. Was sich stärker auf das ehrenamtliche Engagement auswirke, seien beispielsweise Bedenken, sich an eine Mitarbeit über einen längeren Zeitraum zu binden. Auch deshalb vermutet Schütz, dass bei diesen Wahlen „in einigen Pfarreien eher weniger Kandidatinnen und Kandidaten zur Wahl stehen“.

    Pfarrgemeinderäte sind Bindeglied zwischen Pfarrer und Gemeinde

    Einen Gesamtüberblick darüber habe sie aber nicht, da sich die Zahl der zu wählenden Mitglieder nach der Anzahl der Katholiken einer Gemeinde richte und das amtierende Gremium diese festlege. In einer Pfarrei mit bis zu 1000 Mitgliedern bewege sie sich zwischen vier und acht, so Schütz. Erst nach den Wahlen kenne sie die genauen Zahlen.

    Schütz hofft auf eine möglichst hohe Wahlbeteiligung am Samstagabend und am Sonntag, dem Hauptwahltag, in den Pfarrgemeinden oder per Briefwahl. Denn: „Kirche lebt von Gemeinschaft.“ Wie wichtig der Beitrag der knapp 1000 Pfarrgemeinderäte im Bistum Augsburg sei, habe sich gerade in der Pandemie gezeigt: In der sei in den Pfarreien „so viel Neues und Kreatives entstanden wie nie zuvor“.

    Im Bistum Augsburg gaben 2018 rund 110.000 Gläubige – das entsprach einer Wahlbeteiligung von etwa elf Prozent – bei den Pfarrgemeinderatswahlen ihre Stimme ab. Im Bistum Würzburg wird dieses Jahr fast ausschließlich und flächendeckend per Briefwahl gewählt. In den Bistümern Eichstätt und München-Freising kann erstmals auch online abgestimmt werden. Im Erzbistum München und Freising startete die digitale Stimmabgabe am 2. März und endet an diesem Donnerstag um 16 Uhr. Für den ersten Wahltag wurde ein „großer Ansturm“ verzeichnet.

    Über Pfarrgemeinderatsmitglieder wird manchmal despektierlich gesagt, sie seien bloß fürs Kuchenbacken beim Pfarrfest zuständig. Tatsächlich spielen sie eine viel wichtigere und vielfältige Rolle: Sie beraten und unterstützen beispielsweise den jeweiligen Pfarrer, sind Mittler zwischen ihm und Gläubigen oder Multiplikatoren. Das Landeskomitee der Katholiken in Bayern formuliert selbstbewusst, dass engagierte Christinnen und Christen „nicht nur Handlanger“ seien. Geschäftsführer Karl Eder sagt: „Die pastorale Arbeit vor Ort wäre niemals alleine durch Hauptamtliche zu stemmen.“

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