Lange bevor reiche Partygäste auf Sylt ihre ausländerfeindlichen Gesänge anstimmten, war dasselbe Lied in einer Diskothek im mittelfränkischen Greding gegrölt worden. Das Video dazu hatte Mitte Januar in ganz Deutschland Schlagzeilen gemacht: eine Gruppe ausgelassen feiernder Partygäste, aus ihrer Mitte schallen die mittlerweile allseits bekannten, rassistischen Parolen zu einem Song des italienischen Künstlers Gigi D'Agostino: "Ausländer raus." Am selben Wochenende hatte die bayerische AfD in Greding ihren Landesparteitag abgehalten. Im Zuge der Ermittlungen gerieten auch zwei Landtagsabgeordnete der AfD in Verdacht, mitgesungen zu haben: der Neu-Ulmer Politiker Franz Schmid und Benjamin Nolte aus Oberbayern. Jetzt gibt es Neuigkeiten in dem Fall: Die beiden Abgeordneten sind nach aktuellem Stand vom Verdacht der Volksverhetzung entlastet.
Das bestätigt Heike Klotzbücher, Oberstaatsanwältin und Pressesprecherin der Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth, gegenüber unserer Redaktion. "Das Verfahren richtet sich gegen mehrere Beschuldigte, denen Volksverhetzung bzw. das Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen vorgeworfen wird", erklärt Klotzbücher. "Die Beschuldigten sind nicht Abgeordnete des Bayerischen Landtags."
AfD: Nolte und Schmid räumten Besuch in der Diskothek ein
Das heißt: Es haben sich bisher keine Anhaltspunkte ergeben, dass die beiden Landtagspolitiker selbst Straftaten begangen haben. Ihnen konnte nicht nachgewiesen werden, dass sie die rassistischen Parolen mitgesungen hätten. Festzuhalten ist: Die polizeilichen Ermittlungen sind nun zwar abgeschlossen, die Akte liegt jedoch noch der Staatsanwaltschaft zur Prüfung vor.
Den Besuch in der Diskothek hatten beide Abgeordnete im Januar eingeräumt, aber bestritten, selbst gesungen zu haben. Franz Schmid, 23, stammt aus Babenhausen im Unterallgäu, er kandidierte im Kreis Neu-Ulm bei der Landtagswahl und schaffte es über die AfD-Liste ins Parlament. Benjamin Nolte, 42, trat in Oberbayern an.
Umstrittenes Schild beim Faschingsumzug Kempten
Um wen es sich bei den letztlich Beschuldigten handelt, teilt die Staatsanwaltschaft nicht mit. Die Polizei hatte schon kurz nach dem Vorfall geschrieben, es gebe Anhaltspunkte, dass es sich bei der feiernden Gruppe um Teilnehmende des AfD-Parteitags handelte. Ob sich das bewahrheitet hat, bleibt aus Gründen des Persönlichkeitsschutzes alleiniges Wissen der Ermittlungsbehörden.
Greding war nicht der einzige möglicherweise volksverhetzende Fall, der in Bayern in den vergangenen Monaten dokumentiert wurde. Im Fasching, Februar war es, rief ein fragwürdiger Spruch an einem Faschingswagen in Kempten die Staatsanwaltschaft auf den Plan. Die Oberallgäuer Gruppe "Hopfentorpedos Martinszell" hatten das Motto "Safari" gewählt. Den Traktor, der den Wagen zog, "zierte" ein Schild mit den Worten: "Deutschland macht überall auf die Tor, drum singt die ganze Dschungelschar im Chor." Jetzt liegt das Ergebnis der staatsanwaltschaftlichen Prüfung vor.
Der Sprecher der Staatsanwaltschaft Kempten, Thomas Hörmann, sagte unserer Redaktion: "Der Spruch hat nach unserer Bewertung den Tatbestand der Volksverhetzung nicht erfüllt." Das Verfahren wurde eingestellt, die Verantwortlichen müssen also nichts befürchten – und sind entsprechend froh. Eine Mitorganisatorin sagte: "Wir wollten nie jemanden angreifen." Auch habe der Gruppe die Erfahrung gefehlt. Wie kam nun die Staatsanwaltschaft zu zu ihrem Schluss? Der Spruch auf dem Faschingswagen könne unterschiedlich ausgelegt werden. Ihm könne Ausdruck einer gesellschaftlichen und kulturellen Vielfalt zugesagt werden, erklärte Sprecher Hörmann. Deshalb sei der Spruch im Ergebnis "von der freien Meinungsäußerung gedeckt".