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Rauchen im Freien: Muss Deutschland die Regeln fürs Rauchen überdenken?

Rauchen im Freien

Muss Deutschland die Regeln fürs Rauchen überdenken?

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    Die EU-Kommission empfiehlt, das Rauchen in der Öffentlichkeit einzuschränken. Was bedeutet das für Deutschland?
    Die EU-Kommission empfiehlt, das Rauchen in der Öffentlichkeit einzuschränken. Was bedeutet das für Deutschland? Foto: Finn Winkler, dpa (Symbolbild)

    In diesen ungewissen Zeiten von Krieg und Krisen hat die vergangene Woche immerhin eine Gewissheit geliefert: Die EU reicht weiter als Garant für Aufreger. Im jüngsten Fall echauffierten sich öffentlichkeitssuchende Europaabgeordnete wie auch der Boulevard, weil die EU den Bürgern angeblich das Rauchen unter freiem Himmel verbieten will. Der Tenor vieler Schlagzeilen: Wie weit will Brüssel noch in unseren Alltag hineinregieren?

    Anlass war die Abstimmung über eine gemeinsame Erklärung im Europaparlament in Straßburg zur Ausweitung von Rauchverboten auf bestimmte Orte im Außenbereich. Sie scheiterte, war aber auch weder bindend noch bedeutend, weil die EU-Abgeordneten keinerlei Einfluss besitzen. Nur ging das im Getöse der Empörung unter. Tatsächlich sind Rauchverbote Sache der nationalen Regierungen.

    Gesundheitsminister unterstützen Empfehlungen der EU-Kommission

    Deren Gesundheitsminister kamen an diesem Dienstag in Brüssel zusammen – und sie unterstützten in großer Mehrheit die Empfehlung der EU-Kommission von Mitte September, rauchfreie Zonen unter freiem Himmel zu schaffen wie etwa auf Spielplätzen, in Vergnügungsparks, Zoos und Schwimmbädern, an Haltestellen, Stränden und Bahnhöfen wie auch in Außenbereichen von Gesundheits- und Bildungseinrichtungen oder öffentlichen Gebäuden. Um aufgebrachte Gemüter zu beruhigen, versuchte die ungarische Ratspräsidentschaft aber bereits vor der Abstimmung zu versichern: „Die Empfehlung des Rates enthält kein obligatorisches Verbot.“ Und auch der österreichische Gesundheitsminister Johannes Rauch sah sich gezwungen zu betonen: „Europa verbietet gar nichts.“

    Mit dem Vorschlag, strengere Maßnahmen umzusetzen, gehe es der Gemeinschaft zufolge vielmehr darum, die Öffentlichkeit und insbesondere Kinder und Jugendliche besser vor der Belastung durch Passivrauchen und Aerosole aus Produkten wie E-Zigaretten zu schützen. So forderte die Behörde die EU-Länder in dem Entwurf auf, die für Zigaretten geltenden Beschränkungen auf „neu entstehende Produkte“ auszudehnen, etwa auf erhitzte Tabakgeräte und elektronische Zigaretten, die bei jungen Menschen immer beliebter werden.

    Gleichbehandlung von Rauchen und Vapen stößt auf Kritik

    Es ist ein weiterer Schritt auf dem Weg zum ehrgeizigen Ziel der Union, eine „Generation Rauchfrei“ zu schaffen. Bis 2040 sollen mit Hilfe des Europäischen Plans zur Krebsbekämpfung weniger als fünf Prozent der Bevölkerung Tabak konsumieren – und damit massiv weniger als im Vergleichsjahr 2021, als der Anteil der Raucher in der Union bei etwa 25 Prozent lag. „Jedes Jahr verlieren in der EU 700.000 Menschen ihr Leben durch Tabakkonsum“, sagte Gesundheitskommissar Oliver Varhelyi. Es handele sich um das größte vermeidbare Risiko.

    Während sich das Gros der Mitgliedstaaten hinter den Vorstoß stellte, enthielt sich Deutschland bei dem Votum. Man unterstütze zwar „unter gesundheitspolitischen Erwägungen“ die Inhalte der Empfehlung, doch die Maßnahmen fielen in der Bundesrepublik weitgehend in die Zuständigkeit der Bundesländer, sagte Staatssekretär Thomas Steffen, der Berlin bei dem Treffen vertrat. Diese lehnten insbesondere die empfohlene Ausweitung des Rauchverbots in Außenbereichen der Gastronomie ab und hatten diesbezügliche Einschränkungen als „zu undifferenziert“ kritisiert. Die Frage gehört zu den umstrittenen Punkten in der aktuellen Diskussion. Während sich die einen auf qualmfreie Abende im Biergarten freuen, fragen sich andere, wo das noch hinführen soll. Wird hier die Freiheit der Bürger verletzt? Bevormundet der Staat die Menschen mit übertriebener Vorsicht, harten Vorschriften und einem Eingriff in die Privatsphäre?

    Insbesondere die Gleichbehandlung von Rauchen und Vapen stößt bei einigen Politikern auf Kritik. Sind Aerosole, die von E-Zigaretten verursacht werden, genauso gefährlich wie Tabakrauch? Laut WHO enthalten auch die Emissionen von elektronischen Geräten in der Regel Nikotin und andere toxische Stoffe, die für Passivraucher ebenfalls schädlich sind. Doch Italien und Rumänien hatten in einer gemeinsamen Erklärung betont, dass die Forderung nach einem Verbot der E-Zigarette im Freien keine wissenschaftliche Grundlage habe und nicht in die Empfehlung hätte aufgenommen werden dürfen. Trotzdem stimmten Rom und Bukarest am Dienstag schlussendlich für den Text.

    Passivrauch vor allem für Schwangere gefährlich

    Dass die Empfehlungen der EU-Kommission beim EU-Parlament durchgefallen sind, sende ein „falsches Signal“, ist Dr. Barbara Weckler überzeugt. Sie ist Vorsitzende des wissenschaftlichen Beirats der Deutschen Lungenstiftung (DLS) und Oberärztin am Universitätsklinikum Gießen. Die DLS würde es sehr begrüßen, wenn die rauchfreien Zonen in Deutschland ausgeweitet werden würden.

    Weckler weißt auf die Risiken hin, die nicht nur für die Raucherinnen und Raucher selbst entstehen, sondern vor allem auch für Umstehende. Laut dem Verband Deutscher Lungenkliniken ist mehr als ein Viertel der nichtrauchenden Bevölkerung regelmäßig Passivrauch ausgesetzt. Wer „schädliche Substanzen“ in die Umwelt trage, so Weckler, müsse sich seiner Verantwortung für seine Mitmenschen bewusst sein, denn: „Letztlich kann es für Nichtraucher zu den gleichen Folgen kommen“, sagt Weckler. Damit meint sie unter anderem gefährliche Erkrankungen, wie Lungenkrebs, Bronchitis oder Lungenemphyseme, also eine Überblähung des Organs.

    Besonders für Schwangere und in dem Zuge das ungeborene Kind, sei die Belastung durch Passivrauch besonders gefährlich. Wenn weniger Menschen rauchen, führe das nicht nur zu „volleren Geldbeuteln“, sondern auch einer höheren Lebenserwartung und -qualität. Eine Ausweitung der rauchfreien Zonen unter anderem auf Spielplätze, sei auch deswegen sinnvoll, weil Kindern das Rauchen nicht mehr als „normal“ vorgelebt werde.

    Gesundheitsministerin: Bayern hat bereits starken Nichtraucherschutz

    In Bayern ist das Rauchen auf Kinderspielplätzen untersagt. Das sei ein Beispiel für den bereits starken Nichtraucherschutz dort, ist Judith Gerlach, Bayerns Gesundheitsministerin, überzeugt. Grundsätzlich begrüße sie allerdings die Ziele der EU-Kommission.

    Auch Gerlach weist auf die Risiken des Passivrauchens hin. Deswegen habe die Prävention und Aufklärung in Bayern „einen hohen Stellenwert“. Die Bayerische Staatsregierung unterstütze verschiedene Projekte, wie den Schülerwettbewerb „Be Smart - Don‘t Start“, der Jugendliche motivieren soll, gar nicht erst mit dem Rauchen anzufangen oder einen interaktiven Parcours zum Thema Tabak und Alkohol des bayerischen Zentrums für Prävention und Gesundheitsförderung.

    Ob in Kanada, Neuseeland, Kalifornien oder in Australien – in vielen Gegenden der Welt ist die Zigarette längst weitestgehend verbannt von Restaurant- und Caféterrassen. In Australien ist das Rauchen in einem Umkreis von fünf bis sieben Metern um den Eingangsbereich öffentlicher Gebäude sowie Restaurants, Pubs und Cafés verboten. Dies ist durch Schilder gekennzeichnet. In New York gilt das Rauchverbot auch in Parks, Schwimmbädern, am Strand und den Promenaden. Rauchen in nicht ausgewiesen Plätzen kann dort zu einer Geldstrafe von bis zu 250 Dollar führen. Selbst im Vereinigten Königreich neigen sich die Zeiten von der Kippe zum Pint vor dem Pub dem Ende zu.

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    5 Kommentare
    Klara Rasper

    Egal, was man vorschreibt, man muss es auch ueberwachen. Kuerzlich habe ich auf einer Bahnreise an 3 Bahnhoefen Menschen getroffen, die abseits der ausgewiesenen Zonen rauchten. Zwar im Freien, aber wenn man in Windrichtung steht kann das ganz schoen nerven. Ich habe die Leute angesprochen, die sich dann mehr oder weniger einsichtig zeigten. Mein Fazit: Ohne Kontrolle bringen Regeln wenig.

    Jochen Hoeflein

    Ich lasse mir von irgendwelchen Gesundheitsfuzzies in der EU nicht noch mehr meine persönlichen Freiheiten beschneiden für ewiges Leben durch EU erweitertes Rauchverbot, Umweltschäden gegen Null sowie wie Null Verkehrstote . Letzter beide realitätsferne Träumereien bei Null Verkehr und Deindustrialisierung. Ach habe vergessen Ernährungsvorschriften.

    Jochen Hoeflein

    Ergänzung: Bin über 75 Jahre alt, rauche gelegentlich und saufe und bin Fleischfresser - Speck und alles was ungesund ist und lebe wider Erwarten immer noch. Will aber auch nicht 100 Jahre alt werden und geistig und körperlich abgetreten das Zeitliche segnen.

    Franz Xanter

    Man muss sich doch ernsthaft fragen, warum kam es überhaupt zu solch einer Abstimmung in der EU? Diese hat weder die Kompetenz noch sonstige rechtliche Möglichkeiten, solche ein Verbot zu erlassen. Bleibt die ernsthafte Frage, was soll solch eine Aktion denn überhaupt? Hat man in der EU nichts besseres zu tun? Scheinbar ja nicht. Also macht man Selbstbeschäftigung ohne Sinn und Verstand. Und die Mitgliedsländer zahlen noch dafür. Es wird Zeit, dass sich diesbezüglich die EU ändert!

    Thomas Keller

    Das man vor Schulen und Kindergärten sowie in der Nähe von potentiellen Nichtrauchern nicht raucht, ist eine Frage des Anstands. Nikotin ist die am stärksten abhängig machende Substanz, das ist klar, verpackt werden darf sie aber in jugendkonforme Gewänder. Hier ist noch mehr zu tun, fürchte aber es wird ebenso sinnlos wie bei sozialen Medien sein.

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