Es soll ein Treffen von „historischer Dimension“ werden, sagte Ludwig Spaenle (CSU), der Antisemitismusbeauftragte der bayerischen Staatsregierung. Vom 30. Mai bis 1. Juni findet erstmals die Konferenz der Europäischen Rabbiner (CER) in München statt. Weit über 200 Rabbiner, religiöse Führer, Politikerinnen und Politiker werden erwartet, um sich mit den drängendsten Fragen für das Judentum zu beschäftigen.
Bei der Vorstellung des Programms am Dienstag verglich Spaenle die Konferenz mit den Papstbesuchen und dem eucharistischen Weltkongress 1960 in München. Die Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern, Charlotte Knobloch, lobte den Freistaat sowie die Stadt München. Diese „leisten sehr viel für das lebendige Judentum“, so Knobloch. Sie gab zu bedenken, dass es wegen des Völkermords der Nationalsozialisten an den Juden auch nach dem Ende des Krieges eine lange Zeit gegeben habe, „in der viele jüdische Vertreter in Europa sich nicht vorstellen konnten, nach Deutschland zu kommen“.
Rabbinerkonferenz steht stark unter dem Eindruck von Krieg und Pandemie
Das Treffen ist zugleich die 32. Generalversammlung der CER und steht stark unter dem Eindruck von Pandemie und Krieg. Die Rabbiner wollen drei Schwerpunktthemen aufgreifen: die Wahrung der Religionsfreiheit, die Bekämpfung von Antisemitismus und Extremismus sowie die künftige Gestaltung des Gemeindelebens im Zuge der Pandemie und im Lichte des Krieges in der Ukraine.
Die Schwerpunkte könnten aktueller nicht sein: Nach Zahlen des Bundesinnenministeriums wurden 2021 insgesamt 3027 antisemitische Straftaten in Deutschland gezählt – knapp 30 Prozent mehr als im Vorjahr und so viele wie noch nie innerhalb eines Jahres. Viele antisemitische Vorfälle dürften dabei auch im Zusammenhang mit der Pandemie stehen. So war es unter anderem immer wieder zu Verschwörungserzählungen gekommen, einige Querdenker und Teilnehmer von Corona-Demos relativierten zudem die Shoah.
Auch russische Rabbiner werden bei der Konferenz in München dabei sein
Auch der Krieg in der Ukraine wird die Konferenz bestimmen. Die CER verurteile den Angriffskrieg Russlands, sagte der Frankfurter Rabbiner und Vorsitzende der Orthodoxen Rabbinerkonferenz Avichai Apel. In München werden sowohl Rabbiner vor Ort sein, die sich in den Nachbarländern der Ukraine seit drei Monaten um ukrainische Geflüchtete kümmern als auch Rabbiner aus Russland, so Apel.
Auf der Konferenz soll darüber hinaus ein Ethikkodex für Rabbiner verabschiedet werden, der sich an der Thora orientieren soll. Er soll sich Fragen zu Nähe und Distanz, dem Umgang mit Missbrauch, aber auch Führung im 21. Jahrhundert widmen, so Apel.
Einige Rabbiner werden im Rahmen der Konferenz an 15 Schulen mit Schülerinnen und Schülern ins Gespräch kommen. Die Holocaust-Überlebende Charlotte Knobloch soll zudem mit dem erstmals vergebenen „CER Presidential Award“ für ihr Lebenswerk ausgezeichnet werden.
Die Generalversammlung der Rabbiner wird am Montag von Ministerpräsident Markus Söder und dem CER-Präsidenten Pinchas Goldschmidt eröffnet. Weitere prominente Gäste und Redner sind der Vizepräsident der EU-Kommission, Margaritis Schinas, der Generalsekretär der Weltweiten Evangelischen Allianz, Thomas Schirrmacher, und der Sonderberichterstatter für Religions- und Glaubensfreiheit der Vereinten Nationen, Ahmed Shaheed. Die Tagung endet am Mittwoch in der KZ-Gedenkstätte Dachau mit einer Gedenkzeremonie.