Die Angeklagte sei eine Frau, die niemals gewalttätig geworden sei. Sogar wenn sie in der eigenen Wohnung eine Spinne entdeckt habe, habe sie diese nicht getötet, sondern lebend ins Freie gebracht. So schildert die Verteidigerin den Charakter der heute 52 Jahre alten Frau aus München. Und doch hat sie einen Menschen getötet. So hat sie es bereits während der Ermittlungen eingeräumt und so wiederholt es die Verteidigung zum Prozessauftakt vor dem Landgericht München I.
Das Opfer ist ein 76-Jähriger, der in Folge von mindestens hundert Messerstichen verblutete. Die Staatsanwaltschaft wirft der Frau darum Mord aus Heimtücke und niederen Beweggründen vor.
Laut einer Erklärung, die die Verteidigung zu Beginn verliest, hatte die Angeklagte das spätere Opfer, einen alten Bekannten der Familie, im Januar 2023 zufällig mit ihrem Ehemann getroffen. In der Folge habe sie große Angst bekommen, dass der 76-Jährige ihrem Mann die Handynummer eines ehemaligen Trinkkumpans geben könne.
«Eine existenzielle Bedrohung für ihre Ehe, ihre Familie und sich selbst»
Dieser habe in der Zeit ab Mitte der 1990er Jahre bis Anfang der 2000er einen schlechten Einfluss auf den Ehemann gehabt. Von gemeinsamen Gelagen sei dieser aggressiv zurückgekehrt, habe die Frau beleidigt und mitunter auch geschlagen. Durch das potenzielle Aufleben des Kontakts sah sie «eine existenzielle Bedrohung für ihre Ehe, ihre Familie und sich selbst», so beschreibt es die Verteidigung.
Mehrmals habe die Frau das Gespräch mit dem späteren Opfer gesucht und ihn gebeten, den Kontakt auf keinen Fall herzustellen. Als der 76-Jährige angegeben habe, sich nichts sagen lassen zu wollen, sei ein Treffen eskaliert. Laut Erklärung der Verteidiger kam es in der Wohnung des Mannes zu Handgreiflichkeiten, zum weiteren Geschehen könne die Frau keine Angaben machen.
Als sie wieder klare Gedanken habe fassen können, war der 76-Jährige bereits verblutet. «Sie wollte ihre Familie beschützen und hat dadurch zwei Familien zerstört», heißt es in der Erklärung der Verteidiger. Diese Schuld laste schwer auf ihr.
«Es tut mir sehr leid, dass ich ihn getötet habe»
Bei der anschließenden Befragung durch die Vorsitzende Richterin Elisabeth Ehrl sagt die Frau: «Es tut mir sehr leid, dass ich ihn getötet habe.» Hier entsteht das Bild einer Frau mit kaum sozialen Kontakten, die sich an ihre Töchter im Teenageralter klammert und bedrängt, sie möchten ja nicht ausziehen. Immer wieder befindet sich die Frau im Laufe der Jahre in psychischer Behandlung.
Das Landgericht wird sich vor allem mit der Frage auseinandersetzen müssen, ob es sich bei der Tat auch um Mord handelt, wie von der Staatsanwaltschaft argumentiert. Vorerst sind bis Ende September weitere zwölf Verhandlungstermine angesetzt.
Dass Frauen wegen Mordes oder versuchten Mordes verurteilt werden, ist selten: In Bayern waren 2022 unter 39 Verurteilten nur 4 Frauen.
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