Startseite
Icon Pfeil nach unten
Bayern
Icon Pfeil nach unten

Prozess in Augsburg: Tödliche Attacke am Königsplatz: Ist das Urteil zu milde?

Prozess in Augsburg

Tödliche Attacke am Königsplatz: Ist das Urteil zu milde?

    • |
    Halid S. hat den tödlichen Faustschlag am Augsburger Königsplatz ausgeführt. Der 17-Jährige muss viereinhalb Jahre ins Gefängnis.  Ist dieses Urteil zu milde?
    Halid S. hat den tödlichen Faustschlag am Augsburger Königsplatz ausgeführt. Der 17-Jährige muss viereinhalb Jahre ins Gefängnis. Ist dieses Urteil zu milde? Foto: Karl-Josef Hildenbrand, dpa

    Viereinhalb Jahre Haft lautete das Urteil gegen Halid S., der den tödlichen Faustschlag am Augsburger Königsplatz gesetzt hat. Vielen ist das zu wenig. Die Entscheidung des Augsburger Landgerichts lässt die Emotionen hochkochen. In unseren sozialen Medien wird das Urteil heftig diskutiert. Dabei gerät einiges durcheinander. Wir klären nochmals die wichtigsten Fragen.

    Halid S. hat einen Menschen totgeschlagen. Warum wurde er nicht wegen Mordes verurteilt?

    Mord ist laut Strafgesetzbuch die vorsätzliche Tötung eines Menschen, die genau definierte „Mordmerkmale“ aufweist. Das können unter anderem sein: Mordlust, Befriedigung des Geschlechtstriebs, Habgier, sonstige niedrige Beweggründe, Heimtücke oder die Verdeckung einer anderen Straftat. Keines dieser Mordmerkmale liegt im Fall Halid S. vor. Nur für Mord sieht das deutsche Recht eine lebenslange Haftstrafe vor.

    Königsplatz-Prozess: Hätte der Täter wegen Totschlags verurteilt werden können?

    Theoretisch ja. Die vorsätzliche Tötung eines Menschen ohne Vorliegen eines Mordmerkmals ist juristisch als Totschlag zu sehen. Meist liegt die Haftstrafe dafür bei fünf bis zu höchstens 15 Jahren. Der Knackpunkt im Kö-Prozess ist allerdings der Vorsatz. Bei Mord oder Totschlag muss dem Täter bewusst sein und er muss auch wollen, dass seine Tat zum Tod des Opfers führt. Nach allen vorliegenden Beweisen und Zeugenaussagen hatte Halid S. diesen Vorsatz nicht. Sein Faustschlag gegen Feuerwehrmann Roland S. war zwar wuchtig, die tödlichen Folgen aber eine Verkettung unglücklicher Umstände. So hat es auch der Gutachter der Münchner Rechtsmedizin bewertet. Daher blieb den Richtern nichts anderes übrig, als den geständigen 17-Jährigen wegen „Körperverletzung mit Todesfolge“ zu verurteilen. In solchen Fällen führt der Täter die

    Dieses Bild aus der Videoüberwachung der Polizei zeigt die Gruppe mit den Verurteilten kurz vor der Tat am Augsburger Königsplatz.
    Dieses Bild aus der Videoüberwachung der Polizei zeigt die Gruppe mit den Verurteilten kurz vor der Tat am Augsburger Königsplatz. Foto: AZ-Archiv

    Hätte die Strafe nicht auch bei „Körperverletzung mit Todesfolge“ höher ausfallen können?

    Doch. Das Strafgesetzbuch sieht in Paragraf 227 bei diesem Delikt eine Mindeststrafe von drei Jahren Gefängnis vor. Eine Höchststrafe ist im Gesetz nicht ausdrücklich verankert, es gibt allerdings den eindeutigen Bezug zu den anderen Arten der Körperverletzung, und da liegt die Obergrenze für die Strafe bei zehn Jahren. In minder schweren Fällen ist der Strafrahmen ein bis zehn Jahre Haft. Einen minder schweren Fall hat das Landgericht Augsburg bei Halid S. nicht erkannt.

    Tödliche Attacke am Königsplatz: Warum ist die Gefängnisstrafe dann nicht höher ausgefallen?

    Halid S. ist 17, er war zum Tatzeitpunkt minderjährig. Daher ist das Gericht gezwungen, Jugendrecht anzuwenden. Eine Wahl, ob Jugendrecht oder Erwachsenenstrafrecht angewandt wird, haben Richter nur bei Heranwachsenden zwischen 18 und 21. Da kommt es auf die Reife der Angeklagten an. Bei Halid S. gab es diese Wahl nicht. Theoretisch könnte die Strafe für eine Körperverletzung mit Todesfolge auch nach dem Jugendgerichtsgesetz bis zu zehn Jahre Haft sein. Im Jugendrecht fallen die Strafen in den allermeisten Fällen aber von vornherein geringer aus. Denn hier steht nicht die Bestrafung im Vordergrund, sondern der Erziehungsgedanke. Und hier beginnt auch der Ermessensspielraum der Da sich alle anfänglichen Vorwürfe – angefangen von einer aggressiven Gruppe junger Männer, die nur auf Gewalt aus war, bis hin zu einem angeblichen „Umzingeln“ des Opfers – nicht bewahrheitet haben, blieb das Gericht wie in solchen Fällen üblich deutlich unter der höchsten denkbaren Strafe. Das Geständnis muss beim Strafmaß außerdem zugunsten des Angeklagten gewertet werden. Klar ist aber auch: Wäre Halid S. zu fünf oder sechs Jahren Gefängnis verurteilt worden, hätte es in Juristenkreisen auch keinen Aufschrei der Empörung gegeben. Zumal in diese Strafe auch noch die Beteiligung des 17-Jährigen am Angriff auf den Freund des getöteten Feuerwehrmannes mit einfließt. Die hat das Gericht bei allen drei Angeklagten als gefährliche Körperverletzung gewertet. Das Opfer hatte durch Schläge und Tritte schwere Kopfverletzungen erlitten.

    Wie haben Gerichte in ähnlichen Fällen entschieden?

    Unserer Redaktion liegen Urteile in zwei sehr ähnlichen Fällen vor. In beiden Verfahren war die bekannte Augsburger Opferanwältin Marion Zech tätig. In einem Fall hatte ein 25-Jähriger nach dem Schlossfest in Neuburg an der Donau im Jahr 2011 seinem Kontrahenten einen wuchtigen Faustschlag ins Gesicht versetzt. Eine Wirbelarterie riss. Der Mann starb. Das Landgericht Ingolstadt verurteilte den (erwachsenen) Täter zu einer Haftstrafe von zwei Jahren auf Bewährung. Im anderen Fall verhängte das Landgericht München I im Jahr 2006 eine Jugendstrafe von drei Jahren gegen einen 19-Jährigen, der seinen Gegner mit zwei kräftigen Faustschlägen ins Gesicht und an den Hals getötet hatte.

    Warum legen die Verteidiger Marco Müller und Hansjörg Schmid Revision ein?

    Es ist das Recht jedes Verurteilten, Rechtsmittel einzulegen. Das müssen Verteidiger binnen einer Woche nach dem Urteil machen. Ob die Revision zum Bundesgerichtshof tatsächlich weiterverfolgt wird, entscheidet sich erst, wenn die Verteidiger das schriftliche Urteil geprüft haben.

    Alle Artikel zum Königsplatz-Prozess finden Sie in unserem Special.

    Wir wollen wissen, was Sie denken: Die Augsburger Allgemeine arbeitet daher mit dem Meinungsforschungsinstitut Civey zusammen. Was es mit den repräsentativen Umfragen auf sich hat und warum Sie sich registrieren sollten, lesen Sie hier.

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare
    Dieser Artikel kann nicht mehr kommentiert werden