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Prozess: Früherer Mitarbeiter bei den Domsingknaben gesteht heimliche Nacktaufnahmen

Prozess

Früherer Mitarbeiter bei den Domsingknaben gesteht heimliche Nacktaufnahmen

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    Dem Angeklagten, hier mit Verteidiger Marc Wederhake, war sein Auftritt vor Gericht sichtlich unangenehm.
    Dem Angeklagten, hier mit Verteidiger Marc Wederhake, war sein Auftritt vor Gericht sichtlich unangenehm. Foto: Silvio Wyszengrad

    Er galt bei den Domsingknaben als beliebt, war vielen jungen Sängern ein Vorbild, kannte ihre Eltern, war öfter bei ihnen zu Gast. "Wie ein großer Bruder" sei der Mann gewesen, so sagte es eines der Opfer bei der Polizei aus. Als dann die Kripo in Augsburg auf den Chor zuging und sagte, der Mann habe wohl mehrere junge Mitglieder heimlich in höchst intimen Situationen gefilmt, konnten das einige der Geschädigten zunächst nicht fassen. Der "Management Assistent", ein Urgestein des Chors, seit Jahren dabei – ein Sexualstraftäter? Wie jetzt ein Prozess vor dem Amtsgericht in

    Ermittler erhielten von Kollegen der britischen "National Crime Agency" einen Hinweis

    Rückblick, das Jahr 2020: Deutsche Ermittler erhalten von Kollegen der britischen "National Crime Agency" einen Hinweis, wie es unter Polizeibehörden befreundeter Nationen schon mal vorkommt. Unter einer deutschen IP-Adresse seien mehrere kinderpornografische Bilder hochgeladen worden, ob sich die deutschen Beamten das einmal anschauen wollten? Die Ermittlungen führen rasch nach Augsburg, zu einem Computer im Elternhaus des heute 26-Jährigen. Und dort schließlich zum Angestellten der Domsingknaben selbst, der sich kooperativ zeigt. Bis Spezialisten das Handy des Mannes knacken, dauert es. Aber als sie es geschafft haben, finden sie darauf Videos: Der Mann hatte Kinder und Jugendliche aus dem Umfeld des Chors mit versteckten Kameras heimlich beim Urinieren, bei der Selbstbefriedigung oder beim Duschen gefilmt. In den Räumen der Domsingknaben, in der Toilette einer Wohnung, in Hotels bei Chorfahrten. Offenbar nutzte er dabei auch eine Uhr, die Aufnahmen fertigen konnte und die etwa in den Badezimmern wohl von ihm platziert war, wie ein Ermittler am Donnerstag vor Gericht berichtete.

    Direkt beim Augsburger Dom kommen die Domsingknaben regelmäßig zum Musikunterricht im Haus St. Ambrosius zusammen.
    Direkt beim Augsburger Dom kommen die Domsingknaben regelmäßig zum Musikunterricht im Haus St. Ambrosius zusammen. Foto: Silvio Wyszengrad (Archivbild)

    Als der Fall vor einem Jahr die Öffentlichkeit erreichte, sorgte er bundesweit für Schlagzeilen, zumal die Domsingknaben weit über Deutschland hinaus bekannt sind. Im Unterschied zu den ausführlichen Ermittlungen ist der Prozess am Jugendschöffengericht in Augsburg eine vergleichsweise zügige Angelegenheit. Im Rahmen eines Deals gesteht der 26-Jährige alle Vorwürfe, neben den heimlichen Videos auch den Besitz kinderpornografischer Bilder und, was juristisch am schwersten wiegt, den Missbrauch eines damals 13-jährigen Domsingknaben im Jahr 2017. Mit diesem war der Angeklagte privat befreundet. Der 13-Jährige übernachtete damals in seiner Wohnung.

    Richter Bernhard Kugler: Der Angeklagte habe das Vertrauen der jungen Menschen "aufs Gröbste missbraucht"

    Ein Jahr und zehn Monate Haft auf Bewährung nach Jugendstrafrecht, so lautete letztlich das Urteil gegen den 26-Jährigen, der zudem dem damals 13-Jährigen als Geldauflage 2000 Euro zahlen muss. Der Angeklagte, sagte Richter Bernhard Kugler, habe das Vertrauen der jungen Menschen "aufs Gröbste missbraucht". Junge Menschen, die zu ihm aufgeschaut hätten. Die Taten wögen schwer, man müsse aber auch berücksichtigen, dass der frühere Angestellte des Chors den Zeugen durch sein Geständnis eine sicherlich belastende Aussage erspart habe. Der 26-Jährige bat im Prozess bei Mitgliedern des Chors, die im Publikum saßen, um Vergebung. Was er getan habe, "tut mir unglaublich und aufrichtig leid", sagte er. Er befindet sich aufgrund seiner Taten seit Jahren in Therapie.

    Die Ermittlungen und der Prozess wurden von ehemaligen und aktuellen Domsingknaben intensiv verfolgt, das Urteil gemischt aufgenommen. Die Mutter eines Betroffenen hatte vor der Gerichtsverhandlung auf ein "gerechtes Urteil" gehofft. Nach dem Prozess sprach sie von einem "zu milden Urteil". Eine Haftstrafe hätte sie für angebracht gehalten, sagte sie im Gespräch. Nun könne der Täter weiter frei herumlaufen und möglicherweise erneut einem Kind etwas antun. Ihr inzwischen erwachsener Sohn habe sich auf den heimlich erstellten Aufnahmen wiedererkannt; für die ganze Familie sei das ein "Schock" gewesen. Denn es habe keine Anzeichen gegeben. Den Angeklagten beschrieb sie als "Kumpeltyp" und Freund ihres Sohnes. Die beiden hätten gemeinsame Rad- oder Badeausflüge gemacht. Der Mann sei zu Hause bei der Familie gewesen. Dessen Bitte um Entschuldigung könnten weder sie noch ihr Sohn annehmen, sagte die Mutter des Betroffenen unserer Redaktion. "Es war ein riesengroßer Vertrauensbruch."

    Was der kaufmännische Geschäftsführer der Domsingknaben kurz nach Prozessende sagte

    Leonhard Fitz, der kaufmännische Geschäftsführer der Domsingknaben, erklärte kurz nach Prozessende am Donnerstagnachmittag: "Der Rechtsstaat konnte vollumfänglich agieren." Das Urteil und die Entschuldigungsbitte des Täters "muss jeder Betroffene für sich bewerten". Für die Domsingknaben als Institution bedeute es einen wichtigen, einen elementaren Baustein in der Aufarbeitung. Fitz zufolge werden künftig wieder Selbststärkungskurse durchgeführt. Und weiter: Man lege großen Wert darauf, einen transparenten und offenen Umgang zwischen Kollegium, Sängern, Eltern und allen anderen Beteiligten aufrechtzuerhalten.

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