Startseite
Icon Pfeil nach unten
Bayern
Icon Pfeil nach unten

Post Covid nach Corona-Infektion: Symptome für mehrere Monate

Interview

"Bei den meisten dauern die Post-Covid-Symptome mehrere Monate"

    • |
    Kopfschmerzen und Schwindel sind zwei von vielen Post- und Long-Covid-Symptomen.
    Kopfschmerzen und Schwindel sind zwei von vielen Post- und Long-Covid-Symptomen. Foto: Oliver Killig, dpa (Symbolbild)

    Herr Prof. Wendtner, offiziell ist die Pandemie vorbei. Lassen Sie uns darüber sprechen, was von ihr geblieben ist. Da muss man natürlich an Post Covid denken. Welche Möglichkeiten, den Menschen zu helfen, gibt es denn mittlerweile?

    Prof. Dr. Clemens Wendtner: Leider ist es im Moment immer noch so, dass wir keine kausale Therapie haben, da stochern wir im Dunkeln. Viel Hoffnung liegt auf BC 007, ein Medikament, das Antikörper gegen Sars-CoV-2 abfangen soll. Da sind jetzt die ersten Patientinnen und Patienten in eine größere Studie eingeschlossen worden, Anfang 2024 soll es erste Ergebnisse geben. Das ist ein Lichtblick. Aber für einen Großteil der Post-Covid-Patienten sind nicht-medikamentöse Therapien, also etwa Physio- oder Atemtherapien, der Standard, um zumindest eine gewisse Kontrolle über die Erkrankung zu haben. Bei vielen Patienten hilft das, aber eben nicht bei allen. Vor allem nicht bei den schweren Fällen. 

    Sie sagen, dass das Medikament Antikörper gegen Sars-Cov-2 abfängt. Ist die Post-Covid-Symptomatik also dadurch bedingt, dass das Immunsystem überreagiert?

    Wendtner: Ja, das ist eine der tragenden Hypothesen, dass da eine sehr starke Entzündungsreaktion abläuft. Kürzlich gab es eine Publikation, in der untersucht wurde, welche Menschen besonders anfällig sind, Post Covid zu entwickeln. Es scheint da einen Zusammenhang mit bestimmten Immunrezeptoren, die die Entzündungsreaktion im Körper steuern, zu geben. Und diese Rezeptoren sind bei diesen Menschen offenbar überaktiv. Das ist genetisch bedingt. Man kann das aber noch nicht mit Medikamenten einbremsen. Aber prinzipiell gäbe es Mittel, die diese Rezeptoren blockieren könnten. Dazu gibt es aber noch keine soliden Daten. 

    Wie lange wird uns denn das Thema Post Covid begleiten?

    Wendtner: Ich habe eine Patientin, die schon mehr als ein Jahr unter Post Covid leidet. Bei den meisten Menschen ist es so, dass die Symptome mehrere Monate andauern. Bei einem Großteil klingen sie dann wieder ab, das ist die gute Nachricht. Aber gerade, wenn es schwere Herzrhythmusstörungen oder schwere Lungenerkrankungen gibt, dann kann es sein, dass das nie mehr ganz ausheilt. 

    Was hat es mit der von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach angekündigten Post-Covid-Initiative auf sich? Profitieren die Betroffenen da wirklich davon?

    Wendtner: Es ist gut, dass sich die Politik diesem Thema widmet. Der Bundesgesundheitsminister hat dafür ja auch eine bestimmte Summe bereitgestellt. Es sind leider nicht die angekündigten 100 Millionen Euro geworden, sondern nur 40 Millionen. Das ist ein bisschen schade, weil es sich dann auf wenige Zentren fokussieren wird. Auch der bayerische Gesundheitsminister hat das ja zu einem Herzthema gemacht. Das ist sehr gut so, denn Post Covid ist relativ häufig. Bis zu zehn Prozent der Infizierten erkranken daran. Der Bedarf kann deshalb selbst mit 40 Millionen nicht gedeckt werden. Wenn man ansetzen würde, dass nur fünf Prozent erkranken, dann wären das bei 40 Millionen offiziell Infizierten zwei Millionen Post-Covid-Patienten. Bei 40 Millionen Euro sind das gerade einmal 20 Euro pro Betroffenem, das ist nicht viel. Es ist eine gute Anschubfinanzierung, aber damit werden wir das Problem nicht lösen. 

    Corona-Experte Clemens Wendtner behandelte mit seinem Team Anfang 2020 die ersten Covid-Patienten.
    Corona-Experte Clemens Wendtner behandelte mit seinem Team Anfang 2020 die ersten Covid-Patienten. Foto: Stephanie Sartor (Archivbild)

    Wie gesagt, die Pandemie ist vorbei – das Virus grassiert aber doch weiterhin, oder?

    Wendtner: Das Virus grassiert noch auf niedrigem Niveau. Und den meisten Menschen passiert bei einer Ansteckung nicht viel, weil sie schon eine Infektion hatten und durch eine Impfung grundimmunisiert waren. Auf null werden die Zahlen nie runtergehen. Das wird uns die nächsten Jahre begleiten, hoffentlich aber eher im Hintergrund. 

    Müssen noch Menschen wegen einer Covid-Infektion im Krankenhaus behandelt werden?

    Wendtner: Wir haben noch ganz vereinzelt Patienten in unserer Klinik, die wir positiv testen und die auch klinisch symptomatisch sind. Aber das sind Einzelfälle. Oft handelt es sich um immunsupprimierte Menschen, etwa mit einer Krebserkrankung. Die sind immer noch stationär im Krankenhaus, aber natürlich nicht mehr in der Fülle wie früher.

    Weiß man denn überhaupt noch, welche Varianten derzeit unterwegs sind?

    Wendtner: Es wird nur noch sehr sporadisch sequenziert. Letzte exakte Daten zu Subtypisierungen hatten wir Ende April. Da war der Großteil, über 80 Prozent, der Omikron-Subtyp X.B.B.1. Das ist wohl auch heute noch die im Vordergrund stehende Variante. Die Impfstoffe für die nächste Saison werden ja auch daraufhin adaptiert. Die angepassten Impfstoffe sind bereits zur Zulassung angemeldet und ich denke, dass sie dann im Herbst zur Verfügung stehen werden. 

    Wie zuverlässig sind aktuelle Daten? Es wird ja kaum mehr getestet?

    Wendtner: Wenn nicht mehr systematisch getestet wird, werden natürlich nur noch die Fälle erfasst, die in den Kliniken aufschlagen. Aber das ist zum jetzigen Zeitpunkt hinnehmbar. Das Infektionsgeschehen hat sich beruhigt. Wir haben jetzt den Zeitpunkt erreicht, wo Corona endemisch ist wie die Grippe. 

    Viele Menschen fragen sich, ob uns noch einmal eine Pandemie ereilt. Wäre der Freistaat denn gewappnet?

    Wendtner: Neue Pandemien halte ich für wahrscheinlich. Ich sage nicht, dass es im nächsten Jahr so kommt, aber in einem Zeitraum von zehn Jahren schon. Wir haben aus drei Jahren Covid ein paar Learnings gezogen. Ich hoffe, dass man sich an manche wieder erinnern wird. Etwa, wie man Massen-Testungen schnell auf die Beine stellt oder wie man Impfstoffe schnell entwickelt. Man wird sich auch daran erinnern müssen, dass man mit Lockdowns sehr behutsam umgehen muss. Am Anfang war es in Ordnung, am Schluss war man dann an der ein oder anderen Stelle zu streng. 

    Zur Person: Prof. Dr. Clemens Wendtner ist Chefarzt der Infektiologie, Immunologie, Hämatologie und Onkologie an der München Klinik Schwabing. Er berät die bayerische Staatsregierung in Corona-Fragen. Wendtner behandelte mit seinem Team Anfang 2020 die ersten deutschen Covid-Patienten.

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare
    Dieser Artikel kann nicht mehr kommentiert werden