Es geschah mitten in der Nacht in einer idyllischen Gegend bei einer normalen Kontrolle: Am frühen Montagmorgen haben Unbekannte im Landkreis Kusel in der Westpfalz zwei junge Polizisten erschossen. Die 24 Jahre alte Polizeianwärterin und der 29 Jahre alte Polizeibeamte konnten nach Angaben aus Sicherheitskreisen noch einen Funkspruch an ihre Kollegen absetzen mit den Worten: "Die schießen." Doch als die Kolleginnen und Kollegen kurz darauf anrückten, war es zu spät: Die junge Polizistin war bereits tot, ihr Kollege starb kurz darauf. Der dramatische Fall erinnert stark an den Augsburger Polizistenmord aus dem Jahr 2011. Damals eröffneten zwei Täter im Siebentischwald das Feuer auf den Polizisten Mathias Vieth, 41, und seine jüngere Kollegin. Vieth starb im Kugelhagel.
Diese Parallelen gibt es zum Augsburger Polizistenmord
Die Tatzeit: Ebenso wie in Augsburg fielen die Schüsse in der Pfalz in den frühen Morgenstunden. Nach Polizeiangaben war es gegen 4.20 Uhr. In Augsburg nahm das Verhängnis am frühen Morgen des 28. Oktober 2011 gegen 2.50 Uhr seinen Lauf.
Routinekontrolle: Nach Angaben der Polizei in der Pfalz waren die beiden Polizisten in einem Zivilfahrzeug auf Streife unterwegs. Warum sie das Auto mit den Täter anhielten, ist bislang nicht bekannt. Die Gegend ist abgelegen, die Straße wird von Einheimischen gerne als Schleichweg benutzt – auch wenn man mal betrunken fährt. Wahrscheinlich wollten die beiden Beamten das überprüfen. In einem ersten Funkspruch gaben sie durch, dass sie im Kofferraum des Autos totes Wild entdeckt hätten und nun eine Kontrolle durchführen. Im zweiten Funkspruch wurde nur noch hektisch gerufen: "Die schießen!" Auch hier gibt es starke Parallelen zum Augsburger Polizistenmord. Mathias Vieth und seine Kollegin waren nachts auf Streife unterwegs und entdeckten zufällig auf dem Parkplatz des Kuhsees zwei Männer mit einer schwarzen Tasche auf einem Motorrad. Da ihnen dies verdächtig vorkam, wollten sie die beiden kontrollieren. Doch die gaben Gas und flüchteten über das Hochablass-Wehr über den Lech.
Täter auf der Flucht: In beiden Fällen konnten die Täter zunächst flüchten. Für die Polizei stellt dies immer eine besondere Herausforderung dar. Wenn bewaffnete Täter, die soeben Menschen ermordet haben, auf der Flucht sind, weiß man nie, wozu sie noch fähig sind. Sowohl in der Pfalz als auch in Augsburg startete sofort ein Großeinsatz der Polizei mit Straßensperrungen und weiträumig abgeriegelten Tatorten. In der Westpfalz warnten die Ermittler am Montagmorgen davor, Anhalter mitzunehmen. In Augsburg wurden zwei Monate nach dem Mord die Brüder Rudolf Rebarczyk und Raimund Mayr festgenommen. Rebarczyk hatte im Jahr 1975 schon einmal einen Augsburger Polizisten ermordet.
Anfangs alles unklar: Das Motiv für die aktuelle Tat in der Pfalz ist noch unklar. Für nähere Erkenntnisse ist es noch zu früh. Ein Hinweis könnte sein, dass die Streifenpolizisten im Kofferraum totes Wild entdeckten. Haben sie zufällig zwei Wilderer erwischt, die ihre Beute heimbringen wollten? Das würde zumindest erklären, warum die Männer Waffen dabei hatten. Andererseits: Würde jemand tatsächlich wegen eines solchen Vergehens das Feuer auf Polizisten eröffnen und in Kauf nehmen, zwei Beamte zu töten?
Im Augsburger Fall ist bis heute nicht einhundertprozentig geklärt, warum Rebarczyk und Mayr mitten in der Nacht mit Kalaschnikow-Gewehren und Pistolen unterwegs waren. Die Brüder haben immer geschwiegen. Die wahrscheinlichste These: Sie wollten wie in den Jahren zuvor schon einen Supermarkt oder einen Geldtransporter überfallen. Ob auch im Pfälzer Fall mehr dahintersteckt als Wilderei, ob es sich möglicherweise um Schwerkriminelle handelt, die kein Problem damit haben, sofort auf Polizisten zu schießen, werden die Ermittlungen zeigen.
Heimtückische und unvermittelte Attacke: Die Täter im Kreis Kusel haben offenbar völlig unvermittelt das Feuer eröffnet. Das ist den Funksprüchen zu entnehmen. Und das ergibt sich zudem daraus, dass die 24-jährige Polizeianwärterin nicht einmal mehr ihre Waffen zücken konnte. Ihre Dienstpistole befand sich laut Polizei noch im Holster. Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) sagte, "diese Tat erinnert an eine Hinrichtung". Nach Informationen der Bild-Zeitung starben die Polizisten in der Pfalz durch Kopfschüsse.
Auch beim Augsburger Polizistenmord eröffneten die Brüder ganz unvermittelt das Feuer. Nachdem sie auf der Flucht mit dem Motorrad möglicherweise gestürzt waren, konnten Mathias Vieth und seine Kollegin sie einholen. Als Vieth aus dem Streifenwagen stieg, schossen die beiden Täter aus dem Schutz von Büschen auf die Polizisten. Als Vieth bereits am Boden lag, feuerte einer der beiden Täter noch eine Salve aus dem Kalaschnikow-Schnellfeuergewehr auf den wehrlosen Beamten ab. Vieths Kollegin hatte ungeheures Glück. Die Täter schießen auch auf sie. Fast wird sie ebenfalls getötet. Eine Kugel trifft ihr Reservemagazin, eine ihrer Patronen zündet. Sie erleidet eine schwere Prellung.
Schutzwesten: In beiden Fällen trugen die Polizistinnen und Polizisten Uniformen und Schutzwesten. Leider hat dreien von ihnen diese Ausrüstung nicht das Leben gerettet.
In diesen Punkten gibt es gravierende Unterschiede zum Augsburger Polizistenmord
Doch bei allen Parallelen weisen die beiden Fälle auch gravierende Unterschiede auf. So teilte die Polizei im aktuellen Fall schon am Montagnachmittag mit, dass sie nach einem polizeibekannten Verdächtigen fahndet. Der Mann habe bereits eine Unfallflucht begangen und habe eine Waffenbesitzkarte. Am Abend meldeten die Ermittler dann eine erste und kurz darauf eine zweite Festnahme. Zeugen gibt es bisher im Pfälzer Fall nicht, und – anders als im Augsburger Fall – keine Überlebenden.
Unklar ist in der Pfalz, ob das Auto der Täter gefunden worden ist. Deutete zunächst vieles darauf hin, dass die Täter mitsamt Wagen spurlos verschwunden sind, könnte der Warnhinweis, keine Anhalter mitzunehmen, auch bedeuten, dass die Unbekannten zu Fuß geflüchtet sind. In jedem Fall untersucht die Spurensicherung den Tatort penibelst und sucht genauestens nach Reifen- und Schuhspuren.