Dieses Lächeln, diese strahlenden Augen. Ein Mensch, der so optimistisch, so voller Freude in die Welt schaut, muss glücklich und zufrieden gewesen sein. Glücklich mit seiner Familie, zufrieden mit seinem Beruf, seinem Leben. Dieses Lächeln, das so auffällig ist, existiert nur mehr auf Fotos. Es ist in der Nacht zum 28. Oktober 2011 erloschen, kurz vor 3 Uhr. Durch ein brutales Verbrechen. Der Polizist Mathias Vieth ist 41 Jahre alt, als er während eines Streifeneinsatzes im Augsburger Siebentischwald von Kugeln tödlich getroffen wird. Am Donnerstag beginnt, wie berichtet, vor dem Augsburger Schwurgericht der Prozess gegen die beiden mutmaßlichen Täter.
Er trug auf Streife immer eine Schutzweste – auch im Sommer
Wer den Polizeihauptmeister der Inspektion Augsburg-Süd als „Polizisten mit Leib und Seele“ beschreibt, setzt keine Plattitüde in die Welt. Dass gestandene Kollegen und Kolleginnen nach der bestürzenden Todesnachricht in jener Nacht Tränen in den Augen hatten, spricht für sich. Hilfsbereit, sympathisch und bescheiden war „Matze“, wie seine Kollegen Mathias Vieth nannten, ein Vorbild für junge Beamte. Der Leiter seiner Dienstgruppe sagte bei der Trauerfeier im Dom: „Er war der beste Polizist, den ich in meinem Leben kennen lernen durfte.“
Mathias Vieth, der im Schichtdienst arbeitete, wollte nie im Mittelpunkt stehen, auch „wenn mir mal etwas passiert“, wie er sagte. Er achtete auf sich, trug auf Streifenfahrten immer eine Schutzweste, auch im Hochsommer. Er wollte gesund bleiben für seine Familie, Ehefrau Sandra und seine beiden Söhne – zur Tatzeit 13 und 17 Jahre alt. Doch die Weste hat ihn nicht vor dem Tod bewahren können.
Mathias Vieth war ein guter Polizist
Mathias Vieth, der in Puchheim bei München aufwuchs, lernte seine Frau während seiner Ausbildung bei der Bereitschaftspolizei in Königsbrunn kennen und lieben. Er war, so beschreiben ihn Kollegen, nicht nur einer, der für Recht und Ordnung sorgen wollte. Als Polizist kümmerte er sich auch um Menschen, die Hilfe suchend auf die Wache kamen, hörte sich deren Probleme an, auch wenn sie mal nichts mit der eigentlichen Polizeiarbeit zu tun hatten.
Vieth soll ein ausgesprochener Familienmensch gewesen sein, der sich aber auch für die Gesellschaft engagierte. Er war Jugendleiter im Königsbrunner Fischereiverein, in der Kirchengemeinde betreute er Erstkommunionkinder und Firmlinge, er begleitete Sternsinger.
Der Mord am Augsburger Polizisten Mathias Vieth
Der Augsburger Polizeibeamte Mathias Vieth wird am frühen Morgen des 28. Oktober 2011 im Augsburger Siebentischwald von unbekannten Tätern erschossen.
Der Streifenbeamte und seine Kollegin wollen an diesem Freitagmorgen gegen drei Uhr auf einem Parkplatz am Augsburger Kuhsee ein Motorrad mit zwei Männern kontrollieren.
Die beiden Verdächtigen flüchten sofort in den nahen Siebentischwald, die Beamten nehmen mit ihrem Streifenwagen die Verfolgung auf.
Im Wald stürzen die Motorradfahrer. Dann kommt es zu einem Schusswechsel zwischen Beamten und Tätern. Der 41-jährige Polizeibeamte wird trotz Schutzweste tödlich am Hals getroffen, seine Kollegin durch einen Schuss an der Hüfte verletzt.
Die Täter flüchten. Eine anschließende Großfahndung, an der sich mehrere hundert Polizeibeamte beteiligen, bleibt ohne Erfolg.
Die Augsburger Polizei richtet noch am gleichen Tag eine Sonderkommission ein. Der Soko "Spickel", benannt nach dem Augsburger Stadtteil, in dem die Tat geschah, gehören zunächst 40 Beamte an.
Zwei Tage nach dem Polizistenmord geben die Ermittler bekannt, dass das Motorrad der beiden Täter in der Nacht vom 10. auf den 11. Oktober 2011 im Stadtgebiet von Ingolstadt gestohlen worden war. Dabei wurde die rund 15 Jahre alte Honda kurzgeschlossen.
Drei Tage nach dem tödlichen Schusswechsel rückt die Polizei erneut mit einem Großaufgebot im Augsburger Spickel an. Taucher von Polizei und Feuerwehr suchen in den Kanustrecken des Eiskanals nach Gegenständen.
Am 3. November wird Mathias Vieth bestattet. Am gleichen Tag stockt die Polizei die Soko "Spickel" auf 50 Beamte auf. Zugleich wird die Belohnung, die zur Aufklärung des Polizistenmordes ausgesetzt ist, auf 10.000 Euro erhöht.
Ein Abgleich von DNA-Spuren, die am Tatort gesichert werden konnten, mit der bundesweiten DNA-Datenbank ergibt laut Polizei keinen Treffer.
Am 7. November findet im Augsburger Dom die offizielle Trauerfeier für Mathias Vieth statt. Auch Bayerns Innenminister Joachim Herrmann nimmt an ihr teilt.
Zehn Tage nach dem Augsburger Polizistenmord greift die Sendung "Aktenzeichen XY" den Fall auf. Zwar gehen daraufhin mehrere Hinweise ein, eine heiße Spur ist aber nicht darunter.
Dezember 2011: Die Belohnung für Hinweise, die zur Ergreifung der Täter führen, wird auf insgesamt 100.000 Euro erhöht.
Am 29. Dezember 2011 nimmt die Polizei in Augsburg und Friedberg zwei Verdächtige fest. Es handelt sich um die Brüder Rudi R. (56) und Raimund M. (58). Schnell wird bekannt: Der Jüngere hat bereits 1975 einen Augsburger Polizisten erschossen.
Nach der Festnahme entdecken die Fahnder etliche Waffen und auch Sprengstoff. Belastet wird einer der Verdächtigen durch DNA-Spuren, die am Tatort gefunden wurden.
Auf die Spur der beiden Männer kamen die Ermittler über ein Fahrzeug. Der Wagen war in Tatortnähe beobachtet worden. Im Zuge der Ermittlungen stellte sich heraus, dass die beiden Brüder des Öfteren mit diesem Wagen unterwegs waren.
Mitte Januar ergeht auch Haftbefehl gegen die Tochter von Raimund M.. Bei ihr wurden Anfang Januar drei Schnellfeuergewehre und acht Handgranaten gefunden, die ihr Vater und dessen Bruder Rudi R. versteckt haben sollen.
Im Juli 2012 wird die Tochter von Raimund M. verurteilt. Das Gericht spricht sie wegen Verstößen gegen das Waffen- und Kriegswaffengesetz, wegen Geldwäsche, Hehlerei und Diebstahl schuldig.
August 2012 Die Augsburger Staatsanwaltschaft erhebt Anklage gegen die Brüder Raimund M., 60, und Rudi R., 58, wegen Mordes am Polizisten Mathias Vieth. Außerdem listet die Anklage fünf Raubüberfälle auf.
Es zeichnet sich ein Mammutprozess ab. Das Landgericht Augsburg setzt mehr als 49 Verhandlungstage an.
21. Februar 2013: Der Mordprozess gegen die Brüder beginnt unter großen Sicherheitsvorkehrungen - und mit einem Eklat. Rudi R. beschimpft den Staatsanwalt als "Drecksack".
August 2013: Das Gericht hat den Mordkomplex abgearbeitet und beginnt mit der Beweisaufnahme zu den Raubüberfällen. Viele Beobachter rechnen mit einem Mordurteil.
September 2013: Ein Gutachter stellt fest, dass sich M.s Gesundheitszustand nach 15-monatiger Isolationshaft so verschlechtert hat, dass er verhandlungsunfähig ist.
November 2013: Das Gericht setzt den Prozess gegen M. aus. Er bleibt vorerst in Haft. Gegen seinen Bruder Rudi R. wird normal weiterverhandelt.
Februar 2014: Rudi R. wird zu einer lebenslänglichen Freiheitsstrafe verurteilt. Das Gericht sieht bei ihm eine besondere Schwere der Schuld und ordnet die anschließende Sicherungsverwahrung an.
September 2014: Der neue Prozess gegen Raimund M. beginnt.
Februar 2015: Der Bundesgerichtshof bestätigt das Augsburger Urteil gegen Rudolf R.
Seine Liebe galt auch den Bergen. Bei der Alpenvereinssektion Augsburg frönte er seinem Hobby. „Im Himmel gibt es ein Wiedersehen“, betitelten seine Bergkameraden ein Abschiedsfoto im Mitteilungsblatt der Sektion. Es zeigt Vieth mit Trapperhut und rotem Seil am Karabiner, stolz und glücklich unter einem Gipfelkreuz.
Prozessauftakt im Polizistenmord Augsburg
Seine Ehefrau Sandra, die er bisweilen liebevoll seine „Königin“ nannte, will selbst nicht am Prozess teilnehmen. Rechtsanwalt Walter Rubach vertritt die Witwe im Gerichtssaal als Nebenkläger.
Anders als sie will Diana K., jene Polizistin, die Vieth auf jener verhängnisvollen Streifenfahrt begleitet hatte, zumindest zum Prozessauftakt mit dabei sein. Auch sie tritt im Prozess als Nebenklägerin auf. Ähnlich wie Sandra Vieth lehnt sie es ab, mit Journalisten zu sprechen. Nach Aussage der Anwältin Marion Zech ist ihre Mandantin noch immer in therapeutischer Behandlung. Aber sie arbeitet wieder, hauptsächlich im Innendienst, jedoch in einem anderen Polizeirevier.
Die 31-Jährige ist von den Tätern nur leicht durch einen Streifschuss verletzt worden – obwohl diese mit Schnellfeuergewehren geschossen hatten. Diana K. weiß, dass sie unwahrscheinlich großes Glück gehabt hat. Eine Kugel traf wenige Zentimeter neben dem Rückenmark ihr Reservemagazin. Nur eine der Patronen zündete. Andernfalls hätte sie wohl nicht überlebt. So kam sie mit Prellungen davon.