Martin Huber gibt den Einpeitscher. Es gehört zum Ritual des Politischen Aschermittwochs der CSU in Passau, dass der Generalsekretär die Hardcore-Fans der Partei bei der „Jahreshauptversammlung des Vereins für deutliche Aussprache“ willkommen heißt. Es soll "Klartext" gesprochen werden bei Bier und Fischsemmeln. Die Dreiländerhalle soll "toben und beben". Für "übertriebene Political Correctness" ist da kein Platz. Das hat CSU-Chef Markus Söder am Vortag schon mal angekündigt.
Zum Ritual gehört freilich auch, dass sich die CSU "am größten Stammtisch der Welt" als die erfolgreichste aller Volksparteien feiert, die Bayern über ein halbes Jahrhundert mit absoluter Mehrheit regierte. Diesen Anspruch allerdings hat Söder hochoffiziell aufgegeben. Er will, wie er seit Monaten sagt, nach der Landtagswahl im Oktober die Koalition mit Hubert Aiwanger und den Freien Wählern fortsetzen. Ob das den Hardcore-Fans in Passau gefällt, wo doch die CSU in Umfragen schon wieder bei 42 Prozent liegt und die absolute Mehrheit der Sitze im Landtag nur noch wenige Prozentpunkte entfernt ist?
Markus Söder brennt Feuerwerk an Schmähungen ab
Einpeitscher Huber und Vize-Generalsekretärin Tanja Schorer-Dreml geben ihr Bestes. Von "toben und beben" aber kann – gemessen an früheren Jahren – zunächst nicht die Rede sein. Der nicht gerade wuchtig gespielte Defiliermarsch übertönt den Applaus beim Einzug Söders in die Halle. Will er die "Südkurve der CSU" rocken, wird Söder sich schwer ins Zeug legen müssen.
Und er tut es. "Grüß Gott Passau", ruft Söder in die Halle, "das würde in Berlin keiner sagen." Applaus. "Wir sind wieder da." Großer Applaus. Nach wenigen Minuten hat Söder das Publikum auf seiner Seite und brennt ein Feuerwerk an Schmähungen über die Ampel ab: "Die neue Bundesregierung ist die schlechteste Bundesregierung, die Deutschland je hatte."
Er kritisiert die Verteidigungspolitik, die 100 Milliarden für die Bundeswehr beschließt, aber dann nichts umsetzt: "Nix bestellt, nix gekauft." Er nennt die zurückgetretene Verteidigungsministerin eine "Blamage für Deutschland" und sagt: "Das einzig Gute an Frau Lambrecht ist, dass sie endlich weg ist."
Markus Söder sieht Grüne als "Sicherheitsrisiko"
Dann geht es mit Wucht gegen die Grünen, die ihrerseits zum Politischen Aschermittwoch nach Landshut einluden. "Früher waren sie Oster-, jetzt sind sie Militärmarschierer", spottet Söder. "Heute hat man den Eindruck, die Grünen reden sich geradezu in einen Kriegsrausch." Außenministerin Baerbock rede von Krieg, die Position der CSU dagegen sei: "Wir helfen der Ukraine, aber Deutschland ist nicht im Krieg mit Russland." Die Grünen seien ein "Sicherheitsrisiko für unser Land" sagt Söder, und er spricht den Bundeskanzler direkt an: "Herr Scholz, stoppen Sie endlich Frau Baerbock!"
Der CSU-Chef listet auf, wozu sich seine Partei bekennt – zur Autoindustrie, zur Landwirtschaft, zur Familie, zum Ausbau erneuerbarer Energien, zum Schweinsbraten, zu Recht und Ordnung, zu Integration. Er listet auf, was seine Partei ablehnt – illegale Zuwanderung, Legalisierung von Cannabis, Gendersprache und Genderpflicht, Zwang zu vegetarischer oder veganer Ernährung, Erhöhung der Erbschaftsteuer und – unter besonders großem Applaus – Klimakleber, die in Thailand oder Bali Urlaub machen.
Söder bezeichnet Finanzminister Lindner als "Schulden-Chrissi"
Richtig zünftig wird es, als es gegen Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) und Finanzminister Christian Lindner (FDP) geht. Über Habeck sagt Söder: "Das ist der schlechteste Wirtschaftsminister aller Zeiten. Ludwig Erhard würde im Grab rotieren." Und über Lindner sagt er: "Er entwickelt sich zum Schulden-Chrissi." Lindner nenne seine Schulden "Vermögen" und habe mit der Erhöhung der Erbschaftsteuer "Wahlbetrug" begangen. "Dass die FDP die Steuern erhöht, hätte ich nie geglaubt", sagt Söder.
Noch einen drauf setzt der CSU-Chef beim Thema Wokeness. "Es droht tatsächlich eine düstere Woke-Wolke unseren weiß-blauen Himmel über Bayern zu verdunkeln", orakelt Söder. Die Grünen würden Oma und Opa gerne in "Ompa" und Muttermilch in "Elternmilch" umbenennen. Man dürfe nach dem Willen der Grünen nicht mehr das Kinderlied "Zehn kleine Punkt, Punkt, Punkt" singen oder "Drei Punkt Punkt Punkt mit dem Kontrabass". Und am Schluss müsse sich die "schwarze Partei CSU" als "most indigene Partei" bezeichnen lassen. Söder schimpft: "Das ist doch nicht mehr normal. Das ist doch völlig verdreht. Wir lassen uns von den Grünen nicht Kultur und Sprache umerziehen."
Söder bekräftigt Wahlziel und richtet Warnung an die Freien Wähler
Hubert Aiwanger kommt in Söders Rede nur am Rande vor. Einmal äfft er seinen Koalitionspartner nach – "ho, ho, ho". Einmal spöttelt er über den Wunsch Aiwangers, so wie Winnetou zu sein. Warum?, habe er von ihm wissen wollen. Weil Winnetou so schön ist, habe Aiwanger gesagt. Darauf Söder: "Was hat das mit dir zu tun?"
Kurz vor Schluss bekräftigt Söder sein Wahlziel – eine Fortsetzung der Koalition mit den Freien Wählern. Aber er verbindet es mit der Warnung, die Freien mögen sich nicht überschätzen, sie sollten nicht nur bei der CSU wildern und nicht der AfD nachlaufen. "Wer Schmutz anfasst, fängt irgendwann selber zu stinken an."
Am Ende steht fest: Söder hat die Halle gerockt. Als er sie auffordert zusammenzustehen und die Hardcore-Fans fragt: "Kann ich auf euch zählen?", schallt ihm zweimal ein lautstarkes "Ja" entgegen. Das Publikum singt "Oh, wie ist das schön", skandiert "CSU, CSU" und applaudiert minutenlang.