Der ehemalige Bundesfinanzminister Theo Waigel hat trotz aller Krisen vor falscher Nostalgie gewarnt. "Ich möchte nicht in den Fünfziger- oder Sechzigerjahren leben. Mit der Theologie, der Pädagogik, der Ausgrenzung von damals", sagte der CSU-Ehrenvorsitzende der "Süddeutschen Zeitung" mit Blick etwa auf behinderte Menschen oder den Umgang mit der Vergangenheit. "Wenn 1949 oder 1953 die NSDAP wieder hätte kandidieren können, hätte sie sicher 15 bis 20 Prozent geholt."
Waigels Fazit: "Es gab nie eine heile Welt." Was ihn aktuell aber störe, sei das Freund-Feind-Denken. "Früher hat die Politik auch gestritten, aber es war eine Polemik mit Tiefgang."
Seinen Parteikameraden empfahl der ehemalige CSU-Vorsitzende mehr Austausch auch mit Vertretern linker Positionen. "Schon in den Siebzigern habe ich Intellektuelle und Andersdenkende zu Seminaren bei der Jungen Union eingeladen. Das war ein dialektischer Prozess, sehr bereichernd", schilderte der 84-Jährige im "SZ"-Interview. "Ich sage immer wieder jungen Leuten in der CSU: Macht das!"
Das direkte Gespräch dürfe man bei allen neuen Kommunikationsformen nicht vernachlässigen, Social Media ersetze nicht den persönlichen Kontakt. Waigel räumte aber ein: "Wenn die Rechtsradikalen da so ein Übergewicht haben, darf man ihnen diese Szene nicht überlassen."
(dpa)