"Es war einmal in einem kleinen Städtchen, da lebte ein Mädchen namens Barbara" ... Von den mehr als sechs Millionen Aufrufen, auf die der Zungenbrecher-Ohrwurm "Barbaras Rhabarberbar" allein auf dem Youtube-Kanal des Kabarettisten Bodo Wartke kommt, ist das wenige Sekunden dauernde Instagram-Video zweier Ordensschwestern des Crescentiaklosters Kaufbeuren weit entfernt. Aber auch es fällt auf, wird geteilt – und gefällt vielen. In dem Video tanzen Schwester Clara Marie Beuth (27) und Schwester Annika Wörle (47) zu dem Song die dazugehörige Choreografie. Ihren Beitrag haben sie mit den Hashtags #Freude und #ordenslebenrockt versehen. "Ich bin ehrlich gesagt ein bisschen erschrocken", sagt Schwester Annika Wörle. "Dass es so viral geht, hätte ich nicht gedacht."
Virale Ordensschwestern: "Es ging uns nicht um möglichst viele Klicks"
Das sagt ebenfalls Schwester Johanna Maria Höldrich, Oberin der Kongregation der Franziskanerinnen des Crescentiaklosters. Eine Art Werbeclip für das Kloster, gar Teil einer ausgeklügelten Imagekampagne sei das Video nicht, betont sie. Ihre beiden Mitschwestern hätten einfach etwas aufgegriffen, das aktuell sei. Es gebe das Lied, es sei gerade Rhabarberzeit und im Kloster werde Rhabarberkuchen gegessen. Schwester Annika Wörle ergänzt, dass schon die heilige Crescentia, die Ende des 17. Jahrhunderts geboren wurde, gerne mit ihren Mitschwestern gesungen habe – gerne und wohl wegen ihrer markanten Nase "Von allerhand Nasen" ihres Zeitgenossen Johann Valentin Rathgeber. Es kam also eines zum anderen. Seit November 2022 ist das Crescentiakloster auf Instagram, anlässlich des tausendsten Followers sollte es etwas Besonderes sein: Am 5. Mai nahmen die Schwestern das Video auf, vor wenigen Tagen stellten sie es online. "Es ging uns nicht um möglichst viele Klicks", sagt Wörle. "Wir wollten den Menschen, die unserem Kanal folgen, eine Freude bereiten."
Das Video kann man sich hier auf dem Instagram-Kanal des Klosters anschauen.
Wenn das "Barbaras Rhabarberbar"-Tanzvideo eine Botschaft enthalte, meint ihre 41-jährige Oberin, dann diese: Es könne den vielen Vorurteilen entgegenwirken, mit denen das Ordensleben behaftet sei. In ihrer Gemeinschaft leben 25 Schwestern, die jüngste, Beuth, sei 27, die älteste 90 Jahre alt. Man habe ein Durchschnittsalter von knapp über 68 – und das sei "relativ jung". Um das zu verstehen, muss man sich mit den statistischen Daten befassen. Und die erzählen eine nicht so fröhliche Geschichte wie die des Tanzvideos.
Nach Angaben der Deutschen Ordensobernkonferenz standen Ende 2023 10.211 römisch-katholische Ordensfrauen 3223 Ordensmännern gegenüber. 2013 gab es noch 18.303 Ordensfrauen, 2002 waren es 28.973. Überalterung ist ein riesiges Problem für die Gemeinschaften: Waren bei den Ordensmännern 50 Prozent älter als 65, waren es bei den Frauen rund 82 Prozent. Die Zahl der Novizen lag 2023 deutschlandweit bei 21, die der Novizinnen bei 38. "Klostersterben" – ein allgegenwärtiger Begriff. Ein katholischer Kosmos droht zu verschwinden. Zwar engagieren sich auch heute noch Ordensfrauen in Seelsorge oder Pflegeberufen. Doch nicht oder nicht mehr tätig, etwa aufgrund ihres Alters oder ihrer angeschlagenen Gesundheit, sind 5114 Schwestern – die Hälfte.
Instagram und die eigene Homepage verstehe man als "virtuelle Pforte"
"Für mich persönlich ist die große Herausforderung: Die Alten alt sein lassen – und die Jungen jung sein lassen", sagt Oberin Höldrich. Fragt man sie nach Wegen in die Zukunft, antwortet sie: "Wir sind dafür da, dass wir geistlich leben – und aus dem geistlichen Leben heraus die Aufträge erfüllen, die aktuell wichtig sind." Es gehe zum Beispiel darum zu sehen, wo die Not groß sei. Dann spricht sie von einer verbreiteten "Sehnsucht zum Innehalten". Diese schlage sich in einem hohen Interesse an Angeboten wie "Kloster auf Zeit" nieder. Das Crescentiakloster biete zudem ein "Freiwilliges Ordensjahr" an.
Das Projekt der Deutschen Ordensobernkonferenz ermöglicht es Interessierten, drei bis zwölf Monate lang in einer Ordensgemeinschaft "mitzuleben, mitzubeten, mitzuarbeiten und mitzulernen". Im März zog eine ältere Interessierte ins Crescentiakloster. Wie man Menschen für das Ordensleben begeistern könne? Schwester Annika Wörle meint: "Wir sollten möglichst authentisch sein in unserem Leben und in unserem Tun." Das Internet könne ein Mittel sein, um wieder etwas mehr Aufmerksamkeit auf das Ordensleben zu lenken.
Berührungsängste damit hat man in Kaufbeuren nicht. Instagram oder die eigene Homepage verstehe man als "virtuelle Pforte", erklärt Oberin Höldrich – als "eine Schnittstelle zwischen der Innen- und Außenwelt" des Klosters. Während an der Klosterpforte Bedürftige jeden Tag nach einem Mittagessen fragen könnten, manchmal seien es bis zu 25, könnten über die Homepage Gebetsanliegen an die Schwestern geschickt werden. Einfach per Email.