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Olympiaturm München: Olympiaturm schließt für zwei Jahre: Letzter Besuch auf Münchens Wahrzeichen

Ab dem 1. Juni wird der Olympiaturm wegen Sanierungsarbeiten für voraussichtlich zwei Jahre geschlossen.
Olympiaturm München

Olympiaturm schließt für zwei Jahre: Letzter Besuch auf Münchens Wahrzeichen

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    Es macht "bing", zwei silberfarbene Türen öffnen sich. Ein paar Menschen steigen aus, dann ein paar wieder ein. So geht das den ganzen Tag hier. Eine Frau im Lift, von der noch die Rede sein wird, drückt auf den Knopf für das passende Stockwerk, dann geht es los. Mit sieben Metern pro Sekunde schnellt der Aufzug nach oben, nach wenigen Sekunden schon baut sich Druck auf den Ohren auf. Nur eine halbe Minute später ist die Fahrt vorbei, es macht wieder "bing". Nur noch ein paar Schritte, dann hat man alles vor sich: Auf knapp 190 Metern Höhe eröffnet sich ein atemberaubender Blick über München. Was für viele ein einzigartiges Erlebnis ist, war für Markus Prange jahrelang Alltag und der ganz normale Weg zur Arbeit.

    Prange ist Betreiber des Blueskycoffee, der höchsten Bio-Kaffeebar Deutschlands auf dem Münchner Olympiaturm. Wie er sich hier oben fühlt? "Der Spot ist einzigartig. Stell dir vor, es ist dunkel und du bist über der ganzen Stadt. Du hast den Schlüssel, du bist erhaben. Vor allem, wenn die Öffentlichkeit nicht dabei ist", schwärmt der 38-Jährige. Prange wohnt gleich um die Ecke im ehemaligen olympischen Dorf, fast zehn Jahre lang arbeitete er tagtäglich hier. Nun für eine ganze Weile nicht mehr: An diesem Freitag ist der Turm das letzte Mal geöffnet, dann wird er zwei Jahre lang saniert und bleibt zu.

    Noch schneller zur Arbeit kommt derzeit nur Ulrich Bodammer. "Zwei Meter" sind es dem Betriebsleiter zufolge. Er zeigt aus seiner offen stehenden Wohnungstür auf den Flur und eine gegenüberliegende Tür. "Da ist das Büro." Dann sieht sich der große schlanke Mann in dem halb leer stehenden Apartment um. "Bald wird der Weg länger, die neue Wohnung ist etwa 200 Meter von hier in einem der Bungalows", sagt Bodammer und zeigt aus dem Fenster. Er trägt eine schwarze Kappe, ein Langarm-Shirt mit breiten roten und schwarzen Streifen, darüber eine schwarze Weste.

    Nach 56 Jahren wird der Olympiaturm länger geschlossen und saniert

    Ulrich Bodammer ist einer von drei Betriebsleitern und sorgt dafür, dass auf dem Gelände des Olympiaparks alles rund läuft. Und das rund um die Uhr, fast wie ein Hausmeister. Zu seinen Aufgaben zählt alles von einer defekten Toilettenspülung in der Schwimmhalle, fehlender Restaurantausstattung bis zu den Besucheraufzügen im Turm. Mehr als 20 Jahre wohnte der Betriebsleiter in seiner Wohnung direkt am Fuß des Turms. Nun muss er also ausziehen.

    Zwei Männer, zwei Geschichten. Zwei von so vielen, die sich auf dem Olympiaturm, dem höchsten Gebäude Münchens, zugetragen haben. Geschichten, die oft mit Freude oder Aufregung verbunden waren. Dies ist ein Ort, mit dem nahezu jede Bayerin und jeder Bayer was anfangen kann. Ein Touristenmagnet. Ein Bauwerk, um das sich Mythen ranken.

    1964 beschloss der damalige Münchner Stadtrat den Bau des Fernsehturms, der inzwischen fester Bestandteil der Münchner Skyline ist. Im Juni des darauffolgenden Jahres begannen die Arbeiten, am 22. Februar 1968 wurde der exakt 291,28 Meter hohe Turm für insgesamt 22 Millionen Mark fertiggestellt. Bis heute ist er das höchste Gebäude der Landeshauptstadt und neben der Frauenkirche am Marienplatz ihr markantestes Wahrzeichen. Von verschiedenen Teilen der Stadt erhascht man immer wieder einen Blick auf den Turm mit den ringförmigen Plattformen. Andersherum ist die Sicht aber noch beliebter: Auf der Plattform in rund 190 Metern Höhe bietet der Turm ein sagenhaftes Panorama der Stadt, bei gutem Wetter reicht der Blick bis in die Alpen. Das schlägt sich auch in den Zahlen nieder. Seit der Eröffnung 1968 kamen etwa 44,5 Millionen Besucherinnen und Besucher auf den Turm. Zuletzt waren es jährlich um die 500.000 Gäste, die für das Restaurant 181, Pranges Kaffeebar und vor allem für die Aussicht in den Aufzug stiegen.

    Markus Prange fotografierte lange auf dem Olympiaturm, inzwischen betreibt er dort auch eine Kaffeebar und bietet Baristakurse an.
    Markus Prange fotografierte lange auf dem Olympiaturm, inzwischen betreibt er dort auch eine Kaffeebar und bietet Baristakurse an. Foto: Blueskyphoto

    Befragt man die Besucher zum Olympiaturm, hört man oftmals ein "Beeindruckend, die Stadt von oben zu sehen" oder "Schön, die Perspektive zu wechseln". Aber was bleibt im Kopf, wenn man täglich in diesem Gebäude zu tun hat? "Das Feuerwerk vom Sommernachtstraum", sagt Prange wie aus der Pistole geschossen und meint damit das jährlich stattfindende Open-Air-Musikfestival im Olympiapark. "Ich schaue mir das immer von oben an, auch die Stimmung im Park unten ist genial. Und das Feuerwerk an Silvester." Es mag für Außenstehende etwas seltsam klingen, aber die tollsten Erlebnisse hatte er bei Unwetter allein auf dem Turm, nach den Öffnungszeiten. "Ich habe drei Blitzeinschläge im Turm miterlebt", erzählt der Barista. Beim Betriebsleiter sind es ähnliche Erinnerungen: "Es gibt viele Eindrücke, gerade auch wetterbedingt." Aber: "Die Aussicht ist immer noch beeindruckend. Es ändert sich immer."

    Hinter den Kulissen des Olympiaturms im Aufzugschacht

    Unten im Erdgeschoss schließt Betriebsleiter Bodammer die Wohnungstür und führt seinen Gast ins Untergeschoss, in den Schaltraum für die Aufzüge. In dem großen Raum, in den nur wenig Tageslicht gelangt, sind mehrere graue Spinde aneinander gereiht, aus einer offenen Tür ragen zahlreiche Kabel heraus, die wiederum mit anderen Kabeln und Steckern im Raum verbunden sind. In der Mitte ist etwa auf Hüfthöhe eine ein mal ein Meter große Platte mit vielen Knöpfen angebracht. Darunter stehen groß die Buchstaben A, B, C. "Das sind die verschiedenen Aufzüge", erklärt Bodammer. Wie aufs Stichwort bewegt sich etwas auf der Anzeige oberhalb des Buchstabens A. 0, 1, 2, immer weiter, bis 185. Das ist die Höhe in Metern. Heißt: Einer der beiden Personenaufzüge fährt gerade nach oben.

    Ulrich Bodammer, Betriebsleiter im Olympiaturm, steht im Schaltraum für Aufzüge. Hier kann er bei kleineren Problemen schnell eingreifen.
    Ulrich Bodammer, Betriebsleiter im Olympiaturm, steht im Schaltraum für Aufzüge. Hier kann er bei kleineren Problemen schnell eingreifen. Foto: Helen Geyer

    In den Aufzügen fährt immer jemand mit, an diesem Tag ist es Selvije Klaigi-Veligi. Seit zwei Jahren arbeitet die Frau im Turm. Ist sie im Dienst, kontrolliert sie Tickets und fährt mit den Gästen im Lift mit: unten rein, oben raus, oben rein, unten raus. Den ganzen Tag. Doch sie hat auch eine weitere wichtige Aufgabe. "Wenn ein Aufzug stecken bleibt, ruft der Aufzugfahrer uns an und ich versuche, das hier im Schaltraum zu lösen", sagt der Betriebsleiter. "Wenn ich nach fünf Minuten keine Lösung gefunden habe, breche ich ab. Dann werde ich es auch in einer Stunde nicht haben und so lange wollen wir die Leute im Aufzug nicht warten lassen." Statistisch gesehen gebe es allerdings nur alle fünf Jahre einen Defekt, der nicht aus dem Schaltraum heraus behoben werden könne. Zuletzt war im vergangenen Sommer ein Bauteil defekt. "Das heißt, jetzt haben wir noch vier Jahre, bis wieder was ist", sagt Bodammer und lächelt verschmitzt.

    Ab Samstag wird der Turm also geschlossen und saniert, es sind vor allem technische Neuerungen. Die fallen auch bei den beiden Besucheraufzügen an, die seit 1968 fast problemlos funktionierten. Ersatzteile zu finden sei aber immer schwieriger, so der Betriebsleiter. Nach einem Unwetter etwa hatte es einen Defekt am Aufzug gegeben, für den ein Teil aus Österreich hermusste. Ein weiterer Grund für die Sanierung ist der Brandschutz, auch am Beton muss einiges ausgebessert werden. Bis Sommer 2026 sollen die Arbeiten fertiggestellt sein.

    Der Aufzugschacht im Inneren des Turms ist rund 200 Meter hoch. Das Ende ist kaum zu erkennen.
    Der Aufzugschacht im Inneren des Turms ist rund 200 Meter hoch. Das Ende ist kaum zu erkennen. Foto: Sven Hoppe, dpa

    Bodammer führt weiter durch das Innere des Turms, das normalerweise vor den Augen der Besucherinnen und Besucher verborgen ist. Auf etwa sieben Metern Höhe blickt er den gesamten Aufzugschacht entlang nach oben. Das sind etwa 200 Meter. "Als ich das erste Mal reingekommen bin, habe ich das nicht verstehen können", erzählt der Betriebsleiter, während er immer wieder den Kopf in den Nacken legt und nach oben späht. Das Licht ist nicht besonders gut, nur einige Baustellenlampen erhellen den langen Tunnel nach oben. An der Seite steht der alte Motor des Betriebsaufzuges, der seit Januar bereits saniert wird. Im Hintergrund sind Arbeiten zu hören. Für einen Turm-Kenner wie Bodammer ist es mit die beeindruckendste Stelle im gesamten Olympiapark.

    Heiratsanträge und Barista-Kurse auf knapp 190 Metern Höhe

    Es geht weiter nach oben, dorthin, wo alle hinwollen. Mit dem Aufzug, dann zu Fuß durch das schmale Treppenhaus. Auf dem Weg öffnet der Betriebsleiter immer wieder Türen mit einem Schlüsselbund, der mindestens zehn Schlüssel zählt. Er zeigt Räume, in denen hauptsächlich Technik steht und wo auch bald Möbel zwischengelagert werden sollen. Nach wenigen Treppen öffnet Bodammer erneut eine Seitentür und steht auf dem verglasten Rondell. Zielstrebig führt er zur Fensterscheibe und zeigt auf die Stadt, die sich unterhalb des Turms erstreckt. Also an die Stelle, die normalen Gästen ein kurzes "ohh" oder "wow" entlockt.

    Mit seinem Schlüsselbund kommt Bodammer fast überall hin auf dem Gelände des Münchner Olympiaparks.
    Mit seinem Schlüsselbund kommt Bodammer fast überall hin auf dem Gelände des Münchner Olympiaparks. Foto: Helen Geyer

    Kein Wunder, dass diese besondere Aussicht auch für besondere Momente genutzt wird. "Heiratsanträge gab es fast schon täglich", erzählt Prange von der Kaffeebar. "Für mich war es dann irgendwann nichts Besonderes mehr." Der 38-Jährige arbeitete lange als Fotograf auf dem Turm, dann erweiterte er zusammen mit einer Kollegin sein Angebot mit dem Verkauf von Kaffeebohnen und Heißgetränken sowie mit Barista-Kursen, mittlerweile betreibt er noch zwei weitere Cafés. "Ich habe da viel gebuckelt. Ich bin total fertig und freue mich, dass es zumacht. Aber auch, wenn es wieder weitergeht", sagt Prange. Er hofft, dass der Olympiapark ihm auch während der Renovierung einen Platz für ein Café bietet.

    So oft wie bisher wird Ulrich Bodammer die Aussicht über München nicht mehr genießen können. Wenn der Turm wieder öffnet, plant der Betriebsleiter, in Rente zu gehen.
    So oft wie bisher wird Ulrich Bodammer die Aussicht über München nicht mehr genießen können. Wenn der Turm wieder öffnet, plant der Betriebsleiter, in Rente zu gehen. Foto: Helen Geyer

    Jetzt fehlt nicht mehr viel. Bodammer geht etwa zehn weitere Treppenstufen nach oben, schiebt sich vorbei an Touristen, dann weht ihm der Wind um die Ohren. Er ist jetzt auf der offenen Aussichtsplattform und blickt über die Absperrung hinunter auf die Stadt. Für den 62-Jährigen ist es eines der letzten Male, dass er diese Aussicht im Dienst genießen kann. Wenn der Turm in zwei Jahren wiedereröffnet, wird der Betriebsleiter in Rente gehen. "Vielleicht kann ich bei der Eröffnung noch mal mit hoch", sagt er und lacht. "Ein bisschen wehmütig bin ich schon. Es ist ein komisches Gefühl. Aber es war eine ganz ganz gute Zeit."

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