Die Bierzelte stehen im Rohbau, das Bier ist gebraut und die Wiesntische sind schon gut gebucht: München rüstet sich fürs Oktoberfest. Bald sollen die Gäste aber auch virtuell übers Festgelände schlendern können: Derzeit wird ein Online-Spiel entwickelt, bei dem Oktoberfest-Fans als Avatare mit VR-Brille das Volksfest besuchen können. Die Wiesn sei ein traditionelles Fest, verliere aber nicht den Anschluss an die Zeit, erläuterte Wiesn-Chef Clemens Baumgärtner (CSU) am Freitag.
Als Vorsorge für die nächste Pandemie sei das Spiel nicht gedacht, betonte Baumgärtner. Er glaube auch nicht, dass die virtuelle Wiesn-Variante den Zulauf zum echten Volksfest schmälern könnte. "Ich habe keinen Anlass zu glauben, dass man die Wiesnmaß nur noch vor dem Bildschirm trinkt." Dieses Jahr wird es ohnehin nur einen Prototyp für ausgewählte Nutzer geben - die Gäste müssen leibhaftig kommen.
Die Besucher erwartet an Neuheiten etwa das Fahrgeschäft "Mr. Gravity", bei dem Gondeln auf einer Scheibe rotieren. Hier gehe es "mit Tempo 100 durch die Stadt", sagte Baumgärtner. Neu sind auch ein Café im historischen Zirkuswagen und zwei "verrückte" Laufgeschäfte mit karibischem und australischem Flair, "Cracy Island" und "Cracy Outback". Letzteres hat zwar eine Koala-Waschanlage und eine Känguru-Boxschule - aber "keine Dinge, die man heute nicht mehr sehen will."
Im vergangenen Jahr hatten rassistisch-sexistische Motive an Wiesn-Geschäften für Aufregung gesorgt. Zum diesjährigen Oktoberfest haben die betreffenden Schausteller die Darstellungen übermalt.
Die Wirte wollen auch für mehr Nachhaltigkeit sorgen. Erstmals tagte dazu im Juni ein runder Tisch mit Vertretern von Stadt und Bauern. Zuvor gab es einen hitzigen Disput, ob eine Wiesn nur mit Bio-Produkten oder zumindest einer Bio-Quote möglich wäre. Nun geht das Paulaner-Festzelt voran und bietet erstmals nur Bio-Hendl an.
Mit Hochdruck arbeitet die Stadt laut Baumgärtner derzeit daran, heuer zum ersten Mal kostenlose Trinkwasserstationen einzurichten. Das war angesichts gestiegener Preise kürzlich im Stadtrat angeregt worden. "Wir versuchen das möglich zu machen", versprach Baumgärtner. Allerdings gebe es bürokratische und logistische Hürden. "Ein Wasserhahn auf der Wiesn hat ganz schön viel Vorlauf." Die Wasserspender sollten auch optisch ansprechend sein. Es werde aber "keine marmornen Statuen mit wasserspeienden Köpfen" geben.
Der Liter Tafelwasser kostet in den Zelten im Schnitt 10,04 Euro, nach 9,67 Euro im Vorjahr. Die Maß Bier liegt zwischen 12,60 Euro und 14,90 Euro, durchschnittlich 6,12 Prozent mehr als im Vorjahr.
Gestiegene Energiepreise machen Wirten und Schaustellern auch dieses Jahr zu schaffen. Einen umfassenden Verzicht auf Gas-Heizpilze draußen, auf den sich die Wirte im Vorjahr angesichts drohender Gasknappheit aus Solidarität geeinigt hatten, soll es dem Vernehmen nach nicht geben.
Neu auch: Die Wirte wollen Gästen auf einem Online-Portal den Verkauf nicht genutzter Reservierungen ermöglichen, zum originalen Preis. Seit Jahren kämpfen sie gegen überteuerte Graumarktverkäufe. Teils werden auf entsprechenden Portalen mehrere Tausend Euro für einen Tisch verlangt. Die Wirte hingegen verlangen nur den Kauf von Essens- und Getränkegutscheinen sowie eine überschaubare Bearbeitungsgebühr.
Die Wiesn dauert vom 16. September bis 3. Oktober, zwei Tage länger als üblich. Der Stadtrat verlängerte das Fest vom letzten Sonntag am 1. Oktober bis zum Tag der Deutschen Einheit. Baumgärtner erwartet dennoch keine Rekorde. Zur ersten Wiesn nach der Pandemie kamen 2022 rund 5,7 Millionen Besucher, gut eine halbe Million weniger als 2019. Ein Grund war wohl das miese Wetter mit Kälte und Regen.
(dpa)