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Oktoberfest: Sexismus- und Rassismus-Vorwürfe: Wiesn-Attraktionen werden übermalt

Oktoberfest

Sexismus- und Rassismus-Vorwürfe: Wiesn-Attraktionen werden übermalt

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    Der Voodoo Jumper ist auf vielen Volksfesten zu sehen, in diesem Jahr auch wieder auf der Wiesn – allerdings mit neuer Bemalung.
    Der Voodoo Jumper ist auf vielen Volksfesten zu sehen, in diesem Jahr auch wieder auf der Wiesn – allerdings mit neuer Bemalung. Foto: Ingo Wagner, dpa

    Der Voodoo Jumper ist nichts für schwache Nerven. Denn es geht ziemlich zur Sache. Hoch, runter, vorwärts, rückwärts, volles Programm eben. Dass das Karussell auch sie selbst einmal viele Nerven kosten würde, hätte Martina Dorenkamp-Schäfer, die das Fahrgeschäft mit ihrer Familie betreibt, nicht gedacht. "Wir waren völlig geschockt", sagt sie. Bei der Debatte, die die Schausteller aus dem nordrhein-westfälischen Schwerte im Vorfeld des Oktoberfests kalt erwischt hat, geht es um eine Abbildung auf dem Voodoo Jumper, die als rassistisch und sexistisch kritisiert wurde. Darauf zu sehen: Eine Frau, die sich die Hände vor die Brust hält, weil ein Affe ihr das Bikini-Oberteil geklaut hat. Daneben ein dunkelhäutiger Mann, der, so die Auslegung, die Szene lüstern beobachtet. 

    Hochgekocht war die Debatte, nachdem Münchens Zweite Bürgermeisterin Katrin Habenschaden (Grüne) vor einigen Wochen Kritik an den Bemalungen geäußert hatte, die Wiesn-Chef Clemens Baumgärtner (CSU) umgehend empört zurückwies. Habenschaden sah neben dem Voodoo Jumper auch Probleme bei einer Wurfbude – dort war ein dunkelhäutiger Mann abgebildet, der einer Frau unter den Rock schaut. "Die Wiesn ist kein rechtsfreier und auch kein anstandsfreier Raum. Ich will nicht, dass Frauen und Mädchen auf der Wiesn der Rock hochgezogen wird – auch nicht auf Bildern", schrieb sie damals auf Instagram. Heute will Habenschaden sich zu dem Thema auf Nachfrage unserer Redaktion nicht mehr äußern. Möglicherweise, weil der Fall jetzt abgehakt ist. Die Betreiber haben sich bereit erklärt, die Motive zu ändern. Der Voodoo-Jumper ist bereits neu gestaltet.

    Schaustellerin: Die Fassade war niemals diskriminierend gemeint

    Für Martina Dorenkamp-Schäfer ist die ganze Angelegenheit allerdings noch nicht ganz vorbei. Weil sie sich immer noch darüber ärgert, wie alles gelaufen ist. "Wir haben aus der Presse von dieser Diskussion erfahren", sagt sie im Gespräch mit unserer Redaktion. Von der Debatte, die in München ausgebrochen war, wusste sie bis dahin nichts, vonseiten der Politik sei niemand an sie herangetreten. "Es gab zuvor auch nie Probleme mit dem Karussell, niemand hat sich in elf Jahren je über die Bilder beschwert", sagt sie. 

    Die Fassade des Voodoo Jumpers sei niemals diskriminierend gemeint gewesen, fährt sie fort. Dass sich jemand beleidigt fühlen könnte, wäre ihr nie in den Sinn gekommen. Dennoch hat sich die Schaustellerfamilie entschlossen, die Bilder übermalen zu lassen. "Weil wir die Vorwürfe nicht auf uns sitzen lassen wollten. Das ist ja auch geschäftsschädigend." Ein Veranstalter hatte ihr schon abgesagt, nachdem er in den Medien gehört hatte, dass es Zoff wegen des Karussells gibt. "Unsere Existenz stand auf dem Spiel. Wir hatten Angst, dass wir noch mehr Aufträge verlieren und dann Insolvenz anmelden müssen." 

    Also heuerten die Schausteller den Künstler an, der das Fahrgeschäft damals schon bemalt hatte, und baten ihn, die umstrittenen Szenen umzugestalten. Der Preis dafür: rund 83.000 Euro. Die Frau, die auf dem Fahrgeschäft zu sehen ist, trägt nun ein grünes Oberteil und eine kurze Hose und der Affe, der ihr einst das Bikinioberteil gestohlen hatte, reckt ihr jetzt einen Blumenstrauß entgegen. Auch der dunkelhäutige Mann ist verschwunden, an seiner Stelle ist nun eine Musikbox zu sehen. Martina Dorenkamp-Schäfer hat nun zwar neue Motive auf dem Voodoo Jumper – verstehen kann sie die ganze Sache aber nach wie vor nicht. "Ich als Frau kann das nicht nachvollziehen, dass das jemanden verletzen könnte. Es ist doch lustig, dass der Affe das Bikinioberteil klaut. Und der dunkelhäutige Mann hat die Szene auch nicht lüstern beobachtet. Da war ein 90-Grad-Winkel dazwischen. Wie soll der denn um die Ecke kucken?"

    Wiesn-Stadträtin Berger: "Ich bin erleichtert, dass es eine Lösung gibt"

    Die Münchner Wiesn-Stadträtin Anja Berger (Grüne) ist froh, dass die Bilder übermalt wurden. "Ich bin erleichtert, dass es eine Lösung gibt. Die Schausteller waren wirklich sehr kooperativ." Es habe, fährt Berger im Gespräch mit unserer Redaktion fort, im Vorfeld mehrere kritische Hinweise aus der Bevölkerung gegeben, die dann bei der Fachstelle für Demokratie und gegen Rechtsextremismus gelandet seien. "Die Zeiten haben sich geändert, die Menschen empfinden solche Motive heute einfach anders." 

    Bereits im vergangenen Jahr hatte eine Sexismus-Debatte auf der Wiesn rasant an Fahrt aufgenommen. Es wurde darüber diskutiert, ob der Song "Layla" – darin ist von einer "Puffmama" die Rede, die "schöner, jünger, geiler" ist – verboten werden sollte. Die Wirte kündigten an, auf das Lied verzichten zu wollen, Kapellmeister dichteten extra einen entschärften Text. Doch die Masse der Besucher wollte es anders. Am Ende wurde das Lied zum Wiesn-Hit gekürt. 

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