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Oktoberfest 2023: Prost Mahlzeit! Wie vegan ist die Wiesn wirklich?

Oktoberfest 2023

Prost Mahlzeit! Wie vegan ist die Wiesn wirklich?

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    Röstaromen gibt es in Süß oder in Salzig. Mit den gebrannten Mandeln starten oder doch lieber mit etwas G'scheitem? Mit dem Hendl-Popcorn, wie ein Gericht hier tatsächlich heißt, oder mit der Hax'n-Semmel direkt nebenan. Oder vielleicht doch lieber die Knoblauch-Garnelen versuchen, die es ein paar Schritte weiter gibt? Wer in diesen Tagen mittags aus den Wiesn-Zelten stolpert, um den grummelnden Magen ruhigzustellen oder um eine Grundlage für weitere Maß Bier zu schaffen, sieht sich einer schier endlosen Auswahl an Essens-Angeboten gegenüber – samt ihren Mund-wässrig-machenden Gerüchen. Da muss doch wirklich für alle etwas dabei sein, oder? Dieses Jahr soll es zumindest so viele vegetarische und vegane Alternativen auf dem Oktoberfest geben wie noch nie, versprechen die Veranstalter. Zeit also für einen kulinarischen Spaziergang.

    Über die Theresienwiese zu spazieren, ist an einem frühen Samstagnachmittag allerdings gar nicht so einfach. Wie sich orientieren, wenn man ständig Angetrunkenen mit Hendl-Hut ausweichen muss? Und wo findet man denn nun das versprochene fleischlose Essen, wenn so gut wie jeder Stand nach Bratwürsten, Kalbsbraten und Co. benannt ist? "Würstlprinzessin", "Münchner Wurstbraterei" und "Spanferkel" klingt ja ziemlich fleischlastig. Doch bevor sich Verzweiflung einschleichen will, ragen sie wie kleine Leuchttürme aus der Menge hervor: Grüne Schriftzüge, die veganes und vegetarisches Essen versprechen. Nichts wie hin.

    Die Wiesn-Breze geht nur, wenn sie nicht mit Schweineschmalz bestrichen wurde

    Als Veganerin oder Veganer ist man vieles gewohnt. Nicht selten darf man sich sein Gericht aus ein paar Beilagen mit Salatblättern zusammenstellen. Pommes sind da häufig das höchste der Gefühle. Oder eine Wiesn-Breze – es sei denn, sie ist mit Schweineschmalz bestrichen. Dass auf Volksfesten auch an die gedacht wird, die komplett auf tierische Produkte verzichten, dass man gar eine Auswahl an richtigen Gerichten hat, das ist neu. Besonders in einem Bundesland wie Bayern, wo Weißwürste und Leberkäs ebenso wie die Maß Bier zu den Grundfesten zu gehören scheinen. Ohnehin ist das mit dem Essen inzwischen so eine Sache: Wer sich wie ernährt und warum, hat sich mittlerweile zu einer Art Glaubensfrage entwickelt – und zu einem Politikum. Nicht erst seit dem bayerischen Landtagswahlkampf. Und auch nicht nur in

    Das gab es bereits im vergangenen Jahr im Hofbräu-Zelt: vegane Currywurst und vegane Weißwürste.
    Das gab es bereits im vergangenen Jahr im Hofbräu-Zelt: vegane Currywurst und vegane Weißwürste. Foto: Felix Hörhager, dpa

    Aber besonders zwischen den Buden der bayerischen (Volks-)Feste wird der Kampf ums Fleisch mit einer scheinbar unerbittlichen Vehemenz ausgetragen. Jüngstes Beispiel: der Würzburger Hafensommer. Die Veranstalterinnen und Veranstalter hatten eigentlich geplant, dass es dort nur fleischlose Gerichte sowie Fisch geben sollte. Im zweiten Jahr in Folge. Dieses Mal löste diese Entscheidung allerdings einen regelrechten Sturm der Empörung aus, der es bundesweit in die Schlagzeilen schaffte. Es ging darum, dass man Menschen nicht dazu zwingen dürfe "nur noch Salat zu futtern", wie es der Würzburger CSU-Fraktionschef ausdrückte. Es ging um "Übergriffigkeit", "Umerziehung" und um "gestandene Männer, die nichts Vegetarisches essen wollen". Am Ende beugten sich die Organisatoren dem Protest, den vor allem die Würzburger

    Vegan? Da schaut man erst mal in ein wenig überforderte Gesichter

    Nur für den Fall, dass sich in München jemand Sorgen gemacht haben sollte: Fleisch gibt es auch auf diesem Oktoberfest zur Genüge. Ochsenfetzen und Schweinshaxn, Riesenbratwurst und Schnitzel, Spanferkel-Semmel und natürlich der Klassiker schlechthin: das halbe Hendl.

    Nun aber zurück zu der Suche nach den fleischlosen Alternativen: Direkt vor dem Bräurosl-Zelt verspricht ein Stand "Bayerische Brotzeit", flankiert von den grün geschriebenen Worten "vegan" und "vegetarisch". Auf die Frage, was sie hier denn Veganes anbieten würden, blickt man aber erst einmal in ein wenig überforderte Gesichter. Eine Kollegin kommt hinzu und weiß Rat: "Wir haben zum Beispiel einen Gemüse-Burger." Schnell noch einmal frittiert, mit Ketchup und Salat garniert und in der Semmel platziert – fertig. Für 6,50 Euro hat man eine vegane Alternative zur Fleischpflanzerl-Semmel, die schmeckt. Nur die Gemüsestücke im Burger sind groß und hart. 

    Einer, für den die Frage nach dem veganen Angebot nichts Neues ist, ist Franz Anthuber mit seinen "Altbayrischen Spezialitäten". Direkt vor der Ochsenbraterei hat auch er die Worte "Vegan – Vegetarian – Gluten Free" an seinem Stand angeschlagen. Veganes gibt es bei ihm allerdings nicht erst seit Kurzem, sondern bereits seit 2008. Ein Grund: Anthuber ist selbst schon jahrelang Vegetarier. Bevor er und sein Team damit loslegten, habe es eigentlich noch nichts für ihn auf der Wiesn zu essen gegeben. "Nur Bratwürste, Bratwürste, Bratwürste, Schnitzel und Schweinebraten", sagt er, während er an seinem Stand lehnt und sich eine Zigarette anzündet. Also drehten sie den Spieß kurzerhand um und nahmen neben der klassischen Leberkäs-Semmel unter anderem auch zwei vegane Varianten ins Angebot. 

    Auch Thomas Müller hat Interesse an veganem Leberkäs

    Schlagzeilen darüber, dass es nun auch veganen Leberkäse auf der Wiesn geben soll, machte diesen Sommer allerdings nicht Anthuber – von dessen Seite aus das streng genommen ja auch keine Neuigkeit war –, sondern FC Bayern-Profi Thomas Müller. Der Fußballspieler investiert seit 2022 in Fleischersatz-Produkte des Unternehmens Greenforce. Das Unternehmen brachte im vergangenen Jahr die vegane Weißwurst auf die Wiesn. Und in diesem Jahr kann man sich veganen Greenforce-Leberkäse zum ersten Mal in verschiedenen Zelten schmecken lassen – sofern man das denn möchte. Müller war es in diesem Zusammenhang wichtig zu betonen, dass es nicht darum ginge, einen kompletten Fleischverzicht zu propagieren. Stattdessen solle es "Angebote, nicht Verbote" geben, wie es auch der Wiesn-Chef Clemens Baumgärtner klarstellte.

    In diesem Jahr gibt es auf dem Oktoberfest veganen Leberkäse. Daran hat auch Thomas Müller seinen Anteil.
    In diesem Jahr gibt es auf dem Oktoberfest veganen Leberkäse. Daran hat auch Thomas Müller seinen Anteil. Foto: Matthias Balk, dpa (Archivbild)

    Und selbst Ministerpräsident Markus Söder (CSU), der gern Bilder seiner fleischlastigen Lieblingsgerichte in den sozialen Medien teilt, kam beim traditionellen Bieranstich nicht umhin zu betonen: "Jeder soll essen, was er mag". Also, wo liegt dann das Problem?

    Nun muss man wissen, dass es auch um das Essen auf der Wiesn vorab einige Kontroversen gab. Die Initiative "Faire Wiesn", in der sich mehr als 30 Verbände und Organisationen mit Themen wie Klima-, Tierschutz und Landwirtschaft zusammengeschlossen haben, forderte unter anderem, dass es mehr fleischloses Essen auf dem Oktoberfest geben soll. Auch die Bio-Quote soll bis 2027 schrittweise auf 50 Prozent gesteigert werden, bis 2035 dann auf 100 Prozent. Das hingegen entrüstete den Bayerischen Hotel- und Gaststättenverbands Dehoga, der die Pläne als unrealistisch kritisierte. Gewissermaßen als Gegenreaktion gründete

    Schweinebraten in der Semmel, Kässpatzen in der Waffelschale

    Dabei geht es im Grunde bei beiden Initiativen – zumindest den Forderungen nach – um dasselbe. "Genuss und Gaudi zum Wohle aller, nicht zulasten Dritter", heißt es bei der "Fairen Wiesn". "Lebensfreude, Genuss & Nachhaltigkeit: Das geht nur zusammen!", verkünden die Initiatoren des "Heimatpakts" auf ihrer Website. Was genau unterscheidet die beiden Bündnisse also voneinander? 

    Es ist wohl die Überzeugung, wie man am Ende zu mehr Nachhaltigkeit kommt. Laut Thomas Geppert, zweitem Vorsitzenden des Heimatpakts und Landesgeschäftsführer des Dehoga Bayern, hätten die Wiesn-Wirte ein ureigenstes Interesse an Nachhaltigkeit, denn nur das sei überhaupt wirtschaftlich. Er sperrt sich allerdings, wenn es zum Beispiel um die Bio-Vorgaben geht: "Was nutzt eine Quote, wenn man sie nicht umsetzen kann?" Auch ginge es darum, dass Bio und vegan nicht immer automatisch nachhaltiger seien, zum Beispiel etwa, wenn die Produkte aus dem Ausland kämen. In puncto Nachhaltigkeit, Qualität und Wertschöpfung müsse man vielmehr auf regionale Lebensmittel setzen. Beim Bündnis "Faire Wiesn" hält man hingegen fest an der Meinung "Weniger ist mehr. Und wenn's Fleisch sein soll, dann Bio!" Die negativen Folgen eines übermäßigen Fleischkonsums auf die Umwelt seien ausreichend belegt. 

    Hat der "Heimatpakt" selbst denn nun auch etwas gegen die veganen Produkte? "Nein, überhaupt nicht", sagt Geppert. Man wolle ja gerade verbinden und nicht ausgrenzen. "Aber es hängt auch davon ab, was die Menschen essen und verzehren möchten."

    So kennt man das: ein Tablett mit halben Hendl im Bierzelt.
    So kennt man das: ein Tablett mit halben Hendl im Bierzelt. Foto: Karl-Josef Hildenbrand, dpa (Archivbild)

    Und die Leute essen und verzehren auf dem Oktoberfest so einiges. Draußen vor der Ochsenbraterei steht eine Gruppe beisammen und lässt sich Kässpatzen aus Waffel-schalen schmecken. Der ein oder andere Schweinebraten geht in der Semmel über die Theke. Manchmal darf es auch eine Currywurst mit Pommes sein. Neben all dem klassischen Volksfest-Essen wird aber auch viel Veganes nachgefragt. Das zumindest hat Julia Landauer beobachtet. Sie leitet zusammen Axel Krembs die "Strudelliebe". Seit zwei Jahren bieten sie hier nur noch vegetarische und vegane Strudel an. "Dieses Jahr wird der vegane Gemüsestrudel noch mal deutlich mehr nachgefragt als letztes Jahr – und auch mehr als der vegetarische daneben", erzählt Landauer. 

    Auch bei Anthubers "Altbayerischen Spezialitäten" gehen etwa gleich viele vegane wie normale Semmeln über die Theke. "Als wir zum ersten Mal den veganen Leberkäs im Angebot hatten, haben wir nur 20 Stück verkauft, heute kommen wir auf ein Vielfaches", sagt Franz Anthuber. Die meisten, die zu ihnen kommen, seien aber weder Veganer noch Vegetarier. "Manchmal probieren Menschen spontan etwas aus, weil sie es bei jemand anderen sehen." Später kämen dann viele mit dem Feedback zurück, dass sie es wirklich gut fanden und das gar nicht gedacht hätten. 

    Und wie ist er denn nun, der vegane Leberkäs? Tatsächlich riecht er nicht nach allzu viel, zumindest, wenn man ihn mit einem echten vergleicht. Geschmack und Textur gehen aber in Richtung des Originals. Menschen, die den Geschmack und Geruch lieben, wird er damit eher nicht begeistern können, das weiß auch Franz Anthuber. "Aber es ist eben eine gute Alternative."

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