Bus verpasst, Wecker überhört oder schlicht keinen Bock auf Schule: An der Mittelschule Krumbach stehen Schülerinnen und Schüler dann unter Umständen vor verschlossener Tür. Wenige Minuten nach Schulbeginn schließt die nämlich automatisch ihre Pforten. „Wer zu spät kommt, muss klingeln – und dann erst einmal beim Sekretariat vorbei“, sagt Rektorin Marion Vega. „Das schreckt ab.“ In einem digitalen System vermerkt die Lehrkraft dann die verpassten Minuten. Häufen sich die Fehlminuten, werden sie am Nachmittag nachgeholt, sagt Vega. Null Bock – bekommt man diese Haltung, die laut einigen Lehrkräften bei Kindern und Jugendlichen in den Nachpandemiejahren noch gestiegen ist, nur mit Strafen in den Griff?
Dürer-Gymnasium in Nürnberg verlangt Bußgeld fürs Zuspätkommen
Das Nürnberger Dürer-Gymnasium ist noch einen Schritt weitergegangen. Dort greifen Schülerinnen und Schüler seit einigen Monaten in die eigene Tasche, wenn sie ständig unentschuldigt zu spät zum Unterricht kommen. Fünf Euro kostet Zuspätkommen dort. Die ungewöhnliche Maßnahme von Schulleiter Reiner Geißdörfer hatte im Frühsommer bayernweit Wellen geschlagen. Nun, einige Monate später, fällt sein Fazit positiv aus. Auch von der Schülervertretung hört man, dass die Zahl der Zuspätkommenden deutlich zurückgegangen ist.
Um Strafe gehe es laut Geißdörfer im Grunde nicht. „Es ist nicht so, dass wir die Peitsche auspacken und draufhauen“, sagt er. „Wir haben zu viele Kinder, die aus welchen Gründen auch immer, es an der Schule nicht packen.“ Verweise seien denen egal, aber: „Die fünf Euro Bußgeld ärgern die richtig.“
Günzburger Schulamtsdirektor sagt, es gibt bessere Erziehungsmaßnahmen als Geldstrafe
Das Bußgeld sei ein letztes Mittel nach einer langen Kette von Gesprächen mit Eltern, Lehrkräften, Schulpsychologen, Sozialpädagogen und anderen Stellen. Bisher sei es erst in Einzelfällen verhängt worden und gelte nur für die neunte bis elfte Klasse, sagt Geißdörfer.
Trotzdem: „So etwas machen wir definitiv nicht“, sagt Thomas Schulze, Schulamtsdirektor im Landkreis Günzburg und zuständig für die Mittelschule Krumbach. Er sagt, es gebe geeignetere Mittel und Erziehungsmaßnahmen als Geldstrafen. „Wenn ein Kind zu spät zum Unterricht kommt, hat es die Schulpflicht noch lange nicht verletzt.“ Vielmehr wertet er dieses Verhalten als Signal des Kindes, dass die Schule ihm oder ihr nicht das Richtige biete.
Rektorin berichtet: Schulangst nimmt zu
Marion Vega, Rektorin der Krumbacher Mittelschule, möchte zwischen Schülerinnen und Schülern, die zu spät kommen, und denen, die häufig Unterricht schwänzen oder auffällig viele Krankheitstage ansammeln, differenzieren. Letzteres habe in den vergangenen Jahren nämlich an ihrer Schule spürbar zugenommen. Zahlen des bayerischen Schulleitungsverbands bestätigen diese Tendenz. Seit der Pandemie sei die Zahl der Jugendlichen mit psychischen Belastungen stark gestiegen und diese Probleme könnten zu Schulängsten oder Verweigerungshaltungen führen. Im Falle einer Schulangst, sagt Vega, nehme die Lehrkraft in der Regel Kontakt zu den Eltern auf. Auch eine Attestpflicht für Kinder, die aus diesem Grund häufig nicht im Unterricht erscheinen, sei ein probates Mittel.
Zahlen zu notorischen Schulschwänzern werden nach Angaben des Kultusministeriums nicht zentral erfasst. „Die Erfassung unentschuldigter wie entschuldigter Fehlzeiten liegt im Verantwortungsbereich der jeweiligen Schulen“, teilt eine Sprecherin mit. In Ausnahmefällen könnten die Kreisverwaltungsbehörden auf Antrag von Schulen oder Schulaufsichtsbehörden ein Bußgeld verhängen.
Problematische Unterrichtsversäumnisse wie am Nürnberger Dürer-Gymnasium gibt es nicht überall
Am Schmuttertal-Gymnasium in Diedorf im Landkreis Augsburg habe es einmal ein solches Bußgeldverfahren gegeben, erinnert sich Schulleiter Günter Manhardt. Dabei habe es sich allerdings um einen der berüchtigten Fälle gehandelt, bei dem Eltern die Schulferien verlängern wollten. Ein Anruf von alarmiertem Flughafenpersonal habe den Stein ins Rollen gebracht. Dieses habe das schulpflichtige Kind entdeckt und die ordnungsgemäße Schulbefreiung abgefragt. „Durch die Ordnungsmaßnahme hat sich der günstigere Abflugtag für die Eltern dann doch nicht mehr gelohnt“, sagt Manhardt. In der Regel allerdings funktioniere die Absprache mit den Erziehungsberechtigten, wenn Kinder regelmäßig nicht im Unterricht erscheinen. Die wenigen Fälle von Unterrichtsversäumnissen werden laut Manhardt je nach Einzelfall entschieden. Maßnahmen wie am Nürnberger Dürer-Gymnasium könne er sich nicht vorstellen.
Die Gründe dafür, dass Schülerinnen und Schüler immer wieder zu spät zur Schule kommen oder ganz wegbleiben, sind laut Fachleuten ganz unterschiedlich. „Man muss auch die Geschichten dahinter sehen“, sagt die Krumbacher Rektorin Vega. Mit verschlossener Schultür und digitalem Schulmanagement-System beobachte die Mittelschule die Anwesenheit der Schülerinnen und Schüler sehr genau. Aber die Rektorin findet: „Wir müssen es schaffen, die Kinder anders zu motivieren als mit fünf Euro Bußgeld.“ (mit dpa)
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