Nach 70 Jahren soll das letzte Stündlein des Ladenschlussgesetzes des Bundes näher rücken, das nur noch in Bayern gilt. Im Juni will Arbeits- und Sozialministerin Ulrike Scharf (CSU) an einem runden Tisch mit Vertretern von Kirchen, Gewerkschaften und Wirtschaft ihre Pläne für ein bayerisches Ladenschlussgesetz diskutieren. Diese sehen in geringem Umfang bessere Einkaufsmöglichkeiten vor und versprechen weniger Bürokratie. Hinter den Öffnungszeiten in anderen Ländern bleiben sie aber zurück.
Mehr Einkaufsnächte: So will Bayern den Ladenschluss lockern
Das plant Ulrike Scharf: Die Kernöffnungszeiten von 6 bis 20 Uhr werktags bleiben, ebenso die bisherigen Regelungen an Sonn- und Feiertagen, sofern in den Geschäften Menschen arbeiten. Das heißt: Verkaufsoffene Sonntage darf es in einer Kommune höchstens vier pro Jahr geben – nötig ist dazu jeweils ein besonderer Anlass. Dafür soll es mehr werktägliche Einkaufsnächte geben – wie viele, ist noch Verhandlungssache –, welche die Kommunen ohne Antrag selbst festsetzen können. Einen Anlass braucht es dazu nicht mehr. Bislang ist nur eine Nacht im Jahr zulässig. Digitale Kleinstsupermärkte und Automatenläden dürfen werktags 24 Stunden öffnen, hinzu kommen Öffnungszeiten an Sonn- und Feiertagen. Offen ist noch, wie groß die Geschäfte sein dürfen, die Rede ist von um die 100 Quadratmeter. In den digitalen Märkten darf es kein Personal geben. Das heißt: Selbstbedienung. Bezahlt wird dann an Selbstscanner-Kassen, wie sie immer mehr eingeführt werden.
Ladenschluss: Darum soll es in Bayern bei 20 Uhr bleiben
„Die Grundpfeiler bleiben erhalten, aber das veraltete Recht wird durch zeitgemäße Regelungen ersetzt“, sagte Scharf gegenüber unserer Redaktion. Eine Ausweitung der werktäglichen Öffnungszeiten hält sie für wenig sinnvoll: „Die Umsätze werden nicht steigen, sie verteilen sich, aber die Kosten gehen nach oben.“ Schon der jetzige Rahmen werde von vielen Geschäften nicht genutzt. Die Arbeit im Einzelhandel werde durch längere Öffnungszeiten weniger attraktiv, sagt Scharf, die auch an die Familien denkt: „90 Prozent der Beschäftigten im Einzelhandel sind Frauen. Wenn die Mütter erst nachts um 11 Uhr von der Arbeit heimkommen, ist das nicht im Sinne der Familien.“ Ähnliches gelte für die Sonntage, hinzu komme der verfassungsrechtliche Schutz des Sonntags. Für geöffnete Geschäfte an diesem Tag brauche es einen besonderen Grund.
Die Bewertung: Scharfs Vorstellungen gehen nicht allen weit genug. Erst vor wenigen Tagen war die Münchner Stadtratsfraktion von CSU/FW vorgeprescht und hatte Öffnungszeiten bis 22 Uhr gefordert, zudem vier verkaufsoffene Sonntage im Jahr ohne Anlass sowie weitere zu besonderen Ereignissen wie etwa dem Oktoberfest. Das entspreche den Bedürfnissen der Großstadt, so der Münchner Fraktionschef Manuel Pretzl: „Die Lebensmodelle der Menschen sind flexibler geworden und damit auch ihr Einkaufsverhalten.“ Die Ministerin hält dagegen: „Diese Vorstellungen sind verständlich, gehen aber zu weit. Als Ministerin muss ich ganz Bayern, Stadt und Land, im Blick behalten. Auf dem flachen Land sind Öffnungszeiten, wie sie den Münchnern vorschweben, gar nicht leistbar.“
Bei verkaufsoffenen Sonntagen gehen die Vorstellungen auseinander
Unterstützung erhält Scharf aus der CSU-Landtagsfraktion. Von den Vorschlägen der Münchner „halte ich persönlich nichts“, verdeutlicht CSU-Fraktionschef Klaus Holetschek. Das sehe auch die Mehrheit der Fraktion so. Wichtig am neuen Gesetz seien aus Sicht der Fraktion der Schutz des Sonntags und die Beibehaltung der Kernöffnungszeiten.
Der Koalitionspartner von den Freien Wählern dürfte in einigen Details Gesprächsbedarf haben. Wie die CSU ist man gegen eine Ausweitung der Öffnungszeiten bis 22 Uhr, das betonte Fraktionschef Florian Streibl auf Anfrage unserer Redaktion. In einem anderen Punkt aber fordern die Freien Wähler mehr, als Scharf bislang zugestehen will. Streibl: „Wir möchten vier bis sechs verkaufsoffene Sonntage im Jahr ermöglichen. Diese können zum Beispiel im zeitlichen Kontext von Großveranstaltungen wie dem Oktoberfest oder einem Stadtgeburtstag stattfinden.“ Über die Sonntage solle jede Kommune selbst entscheiden können. Auch bei den Einkaufsnächten plädieren die Freien Wähler für vier bis sechs. So steht es laut Streibl schon im Koalitionsvertrag.
Ladenschluss: Das sind die Regeln in Deutschland
So machen es die anderen: In zwölf von 16 Bundesländern ist Einkaufen werktags rund um die Uhr möglich. In Bayern und im Saarland dürfen Geschäfte zwischen 6 und 20 Uhr öffnen, in Rheinland-Pfalz und in Sachsen zwischen 6 und 22 Uhr. In ganz Deutschland gilt: Verkaufsoffene Sonntage bedürfen eines besonderen Anlasses. Die Zahl variiert allerdings. In Berlin und Nordrhein-Westfalen sind acht Sonntage möglich, in Baden-Württemberg nur drei. Bayern lässt wie die meisten Länder vier Sonntage zu.