Nur zwei Wochen nach Beginn der Verhandlungen haben CSU und Freie Wähler im Bayerischen Landtag ihren nächsten Koalitionsvertrag unterzeichnet. Beide Parteien haben für Donnerstagvormittag zu Gremiensitzungen eingeladen und in diesem Zuge den rund 90-seitigen Vertrag abgesegnet. Die Zustimmung der jeweiligen Gremien galt als Formalie. Am Nachmittag wurden dann die Unterschriften unter den neuen Vertrag gesetzt.
Markus Söder sprach nach der Unterzeichnung von einer "bürgerlichen, verlässlichen Regierung" und "einer Regierung, die ein hohes Maß an inhaltlichen Gemeinsamkeiten hat" – eine "Bayern Koalition, zweiter Teil." Es sei eine "Basis für fünf neue Jahre Verlässlichkeit und Zusammenarbeit" geschaffen worden.
Freie-Wähler Chef Hubert Aiwanger sprach von "einem Ergebnis, das sich aus Sicht der Freien Wähler sehen lassen kann". Die schnelle Arbeit bei dem Koalitonsvertrag sei ein Ergebnis davon, "dass wir gleich ticken und dass wir in der bürgerlichen Mitte Zuhause sind und keine ideologischen Grundsatzdebatten führen." Zuvor hatte es in der Regierungskoalition erheblich geknirscht.
Neue Regierung in Bayern: Mehring Digitalminister, Anna Stolz Kultusministerin
Am Mittwoch hatten Söder und Aiwanger gemeinsam mit den Fraktionsvorsitzenden Klaus Holetschek und Florian Streibl die Verteilung der Ministerien ausverhandelt. Seitdem steht fest: Die Freien Wähler übernehmen das Digitalressort von der CSU. Fabian Mehring folgt in diesem Zuge als Digitalminister auf Judith Gerlach. Im Gegenzug wurde vereinbart, dass die Freien Wähler einen von bisher zwei Staatssekretärs-Posten an die Christsozialen abgeben.
Die weitere Ressortaufteilung bleibt unverändert. Insbesondere bleibt das Agrarministerium, um das CSU und Freie Wähler seit längerem heftig gerungen hatten, weiterhin in der Hand der CSU. Die Freien Wähler behalten somit das Wirtschafts-, das Kultus- und das Umweltministerium. Die CSU stellt neben dem Ministerpräsidenten weiterhin den Staatskanzleichef und den Europaminister. Sie behält – neben dem Agrarministerium – zudem die Ressorts Inneres, Finanzen, Justiz, Verkehr/Bau, Gesundheit, Soziales und Wissenschaft/Kunst.
Die Besetzung der CSU-Ministerien soll laut Söder erst am 8. November bekanntgegeben werden, wenn das neue Kabinett vereidigt wird. Die Namen der Freien Wähler-Posten sind dagegen seit Donnerstag bekannt: Anna Stolz wird neue Kultusministerin. Sie löst damit Michael Piazolo ab. Ein Wechsel, der ebenfalls feststeht: Tobias Gotthardt ersetzt Roland Weigert als Staatssekretär. Beständigkeit gibt es dagegen im Umwelt- und Wirtschaftsministerium: Thorsten Glauber führt weiterhin das Umweltministerium an, Hubert Aiwanger bleibt Wirtschaftsminister.
Schlechtes Verhältnis zwischen Söder und Aiwanger belastete Zusammenarbeit
Bei der CSU wollten Parteivorstand und Landtagsfraktion am Vormittag gemeinsam beraten und entscheiden. "Vorstellung der Ergebnisse der Koalitionsverhandlungen für die Bildung einer neuen Bayerischen Staatsregierung", heißt es in der Einladung, die intern verschickt wurde. Und dann: "Beratung und Beschlussfassung über die Billigung der Verhandlungsergebnisse für einen Koalitionsvertrag". Auch bei den Freien Wählern wollten Landesvorstand und Fraktion gemeinsam beraten.
Das angespannte Miteinander gipfelte darin, dass es während der gesamten Verhandlungen keinen gemeinsamen Auftritt der Parteichefs gab, kein Foto und auch kein anderes Kamerabild. Geleitet wurden die Runden von den Chefs der Landtagsfraktionen, Klaus Holetschek (CSU) und Florian Streibl (Freie Wähler). Söder und Aiwanger nahmen nur wenige Male an den inhaltlichen Verhandlungen teil, immer dann, wenn es grundlegende Kompromisse zu finden galt.
Neuer Koalitionsvertrag: Präambel zur Abgrenzung gegen die AfD
Der neue Koalitionsvertrag soll unter dem Motto "Freiheit und Stabilität" stehen. Mit 60 Seiten deutlich länger aus als in der vorherigen Legislatur. Er dekliniert eine Vielzahl von Vorhaben für die kommenden fünf Jahre – wirklich fundamental neues findet sich in dem Vertrag nicht, vielmehr fasst er meist die Themen und Inhalte zusammen, die CSU und Freie Wähler bereits in der abgelaufenen Wahlperiode angekündigt hatten.
Bereits vorab angekündigt wurde eine Präambel, die ein Bekenntnis zur Demokratie und eine klare Abgrenzung gegen die AfD enthalten soll. Inhaltlich verankert der Vertrag unter anderem den Ausbau von 180.000 neuen Kita-Plätzen geschaffen werden, 50.000 für Kinder unter sechs Jahren und 130.000 für Grundschulkinder. Zudem soll es an den Schulen bis 2028 9000 neue Stellen geben: 6000 neue Lehrerstellen und 3000 neue Stellen "für multiprofessionelle Unterstützungskräfte". Bis 2027/28 soll die Besoldung A13 für alle Grund- und Mittelschullehrer gelten. Um die Befassung mit Werten der Verfassung zu stärken, soll es an den Schulen eine wöchentliche "Verfassungsviertelstunde" geben.
Bis 2028 sollen zudem weitere 8000 Pflegeplätze geschaffen werden. Das Landespflegegeld für pflegende Angehörige wird fortgeführt. Die Koalition will zudem bis Mitte 2024 mindestens zehn Prozent aller Verwaltungsvorschriften abschaffen.
Bis 8. November 2023 müssen die neuen Ministerinnen und Minister feststehen
Der weitere Zeitplan von CSU und Freien Wählern sieht vor, dass Söder am 31. Oktober wieder zum Ministerpräsidenten gewählt werden soll, einen Tag nach der konstituierenden Sitzung des neu gewählten Landtags. Bereits am 8. November könnte dann das neue Kabinett vereidigt werden. Bis dahin müssen dann auch die Namen der Ministerinnen und Minister festgelegt werden. Dem Vernehmen nach soll das bei der CSU erst am 7. November erfolgen - bei den Freien Wählern könnten die Namen bereits an diesem Donnerstag genannt werden.
CSU und Freie Wähler hatten bereits in der vergangenen Legislaturperiode zusammen regiert. Im neuen Landtag verfügen sie zusammen über eine stabile Mehrheit von 122 der insgesamt 203 Sitze. (mit dpa, svmo)