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Neuer Tierschutzgesetz-Entwurf enttäuscht: Gründe & Kritik

Tierschutz

Das sind die Streitpunkte im neuen Tierschutzgesetz

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    Die Anbindehaltung von Rindern ist ein Streitpunkt beim neuen Tierschutzgesetz. Der Entwurf sieht nun Ausnahmen vor, die wiederum Tierschützer kritisieren.
    Die Anbindehaltung von Rindern ist ein Streitpunkt beim neuen Tierschutzgesetz. Der Entwurf sieht nun Ausnahmen vor, die wiederum Tierschützer kritisieren. Foto: Karl-Josef Hildenbrand, dpa

    Ganzjährig angebundene Tiere, lange Transporte, Qualzuchten – Tierschützer sehen viele Missstände. Große Hoffnung setzten sie auf ein neues Tierschutzgesetz, das die Lücken im Tierschutz schließen sollte. Das war auch das Ziel der Bundesregierung. Und tatsächlich verabschiedete das Bundeskabinett im Mai einen neuen Gesetzentwurf von Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne). Inzwischen hat auch der Bundesrat über das Gesetz beraten und Ende des Monats sind die Abgeordneten des Bundestages am Zug. Sie können an dem Gesetz noch Änderungen vornehmen. Darauf hoffen Tierschützer, denn sie bezeichnen den Entwurf als verwässert. Aber auch die Bauern sind unzufrieden, ihnen gehen die Auflagen viel zu weit. Wir stellen einige Streitpunkte vor:

    Werden Tiere weiter angebunden?

    Die Anbindehaltung von Tieren – ob Rind, Esel oder Ziege – wird grundsätzlich verboten, heißt es. Allerdings gibt es Ausnahmen, mit denen das Bundeslandwirtschaftsministerium gerade Bergbauern und Almen in Süddeutschland entlasten will. Bei Betrieben unter 50 Tieren soll die sogenannte „Kombihaltung“ erlaubt bleiben. Hier müssen die Tiere neben der Anbindung regelmäßig Zugang zu einer Weide haben. Die übrigen Betriebe haben zehn Jahre Zeit, ihre Ställe umzubauen. Dass es Übergangsfristen geben muss, ist für Thomas Schröder, Präsident des Deutschen Tierschutzbundes, völlig nachvollziehbar. „Dass der Bundeslandwirtschaftsminister allerdings saisonale Anbindehaltung dauerhaft zulässt, ist für uns völlig inakzeptabel, das ist nur ein politisches Zugeständnis an die Bauern in seiner Heimatregion.“ Und noch ein Problem sieht Schröder: Wenn die Kombihaltung erlaubt bleibt, fragt er sich, warum die Tiere nur zweimal in der Woche ins Freie dürfen und nicht jeden Tag? Und wer kontrolliert das überhaupt? „Das kann keiner kontrollieren“, ist sich Schröder sicher. Für Günter Felßner, Präsident des Bayerischen Bauernverbandes, ist das Ende der Anbindehaltung kein Problem: „Diese Ställe werden ohnehin schon seit 40 Jahren nicht mehr gebaut.“ Die Übergangsfrist garantiere, dass die Bauern den Betrieb mit Renteneintritt beenden könnten. Die geplanten Auflagen bei der Kombihaltung hält er für die süddeutsche Almwirtschaft aber für gefährlich. Almauf- und Abtriebe gehörten seiner Meinung nach mit dem neuen Gesetz der Vergangenheit an.

    Dürfen Schwänze und Hörner der Tiere weiterhin entfernt werden?

    Ja, Schwänze und Hörner zu entfernen, bleibt erlaubt. Aber die Bedingungen dafür sollen sich ändern. So soll das Kürzen von Schwänzen bei Kälbern und Lämmern mittels elastischer Ringe, die das Gewebe schmerzvoll absterben lassen, komplett untersagt werden. Auch bei den Schweinen dürfen Schwänze nur noch entfernt werden, wenn in einem Betrieb eine gewisse Anzahl der Tiere Verletzungen an Ohren und Schwänzen aufweist. Und selbst dann müssen die Ferkel bei der Amputation betäubt werden. Die Bundesregierung hat hier also zwischen der Wirtschaftlichkeit und dem Tierwohl abgewogen. Kälber, denen die Hörner ausgebrannt werden, sollen künftig ebenfalls betäubt werden müssen. Bayerns Bauernverband warnt allerdings, es gebe für die geplante Narkotisierung der Tiere nicht genügend Tierärzte. Denn anders als die bisherigen Schmerzmittel, die mit örtlichen Betäubungen kombiniert werden, dürften Bäuerinnen und Bauern Narkosemittel nicht selbstständig verabreichen.

    Sind Haustiere aus Qualzuchten bald verboten?

    Hier gibt es ein klares Nein von der Bundesregierung. Keine Hunderasse, die Merkmale von Qualzuchten aufweisen kann, soll grundsätzlich verboten werden. Allerdings sieht der Gesetzesvorschlag bestimmte Kriterien vor, anhand derer Tierärzte eine Qualzucht künftig feststellen können. Das sind etwa Atemnot, Bewegungsanomalien oder Haarlosigkeit. Diese Tiere dürfen dann nicht mehr auf Messen zur Schau gestellt oder online gehandelt werden. Für den Präsidenten des Deutschen Tierschutzbundes sind diese Auflagen völlig unzureichend: „Qualzuchten - das prominenteste Beispiel ist der Mops - müssen endlich verboten werden.“

    Wie sollen die Schlachthöfe künftig überwacht werden?

    Schlachthöfe sollen künftig per Videokameras kontrolliert werden, um Tierschutzverstöße besser ahnden zu können. Allerdings sollen die Kameras nur bei den großen Betrieben angebracht werden. Tierschützer wie Thomas Schröder kritisieren das und fordern Videokameras in allen Schlachthöfen. Bayerns Bauernpräsident ist auch für Kameras in Schlachtbetrieben, nur müssten die Konsumenten dann auch bereit sein, einen Cent mehr für das Kilo Fleisch zu bezahlen. Man müsse die kleinen Schlachthöfe erhalten, sonst drohten den Tieren längere Fahrten.

    Bleibt der Löwe im Zirkus?

    Tatsächlich sollen bestimmte Wildtiere wie Elefanten oder Großkatzen nicht mehr in Zirkussen auftreten müssen. Wenn die Tierhalter allerdings belegen können, dass der Transport den Tieren kein Leid zufügt, kann das Tier weiter im Zirkus gehalten werden. Auch diese Ausnahme kritisieren Tierschützer, da sie es in der Praxis für ausgeschlossen halten, dass dies vor Ort überhaupt überprüft werden kann.

    Was ändert sich bei Tiertransporten und Tierversuchen?

    In dem Gesetzesentwurf der Bundesregierung gibt es an einigen Stellen aus Sicht von Tierschützern gar keine Verbesserungen, obwohl sie diese seit Langem fordern. So gibt es für Tiertransporte auf Langstrecken ins EU-Ausland, bei denen die Tiere nicht selten tagelang unter teils schwierigen Umständen umhergefahren werden, kein Verbot und auch keine genaueren Regeln. Auch Tierversuche können weiterhin stattfinden. Das Bundeslandwirtschaftsministerium schreibt hierzu sogar explizit: „Für die Forschung ändert sich dadurch nichts. Beantragungs- und Genehmigungsverfahren und alle sonstigen Anforderungen an Tierversuche bleiben gleich.“ Tierschützer Schröder fordert dagegen ein generelles Verbot von Tierversuchen, „denn dann müssten Tierversuche beispielsweise aus medizinischen Gründen ausführlich begründet werden“. Und auch das Töten der überzähligen Tiere muss nach Ansicht von Schröder verboten werden, „doch nicht einmal das steht im Entwurf“.

    Muss eine Katze kastriert werden, wenn sie frei nach draußen gehen kann?

    Für diese Forderung hatten sich seit Langem auch besonders die Tierheime eingesetzt, denn sie müssen die vielen gefundenen Katzenkinder von Straßenkatzen meist aufnehmen, obwohl sie ohnehin an ihren Kapazitätsgrenzen sind. Auch sei das Leid der vielen Straßenkatzen, die oft krank sind, groß. Bisher können Kommunen eine Kastrationspflicht für Freigängerkatzen anordnen, flächendeckend gibt es aber keine Vorschrift. Der Bundesrat hat nun aber eine Registrierungspflicht von Hunden und Katzen vorgeschlagen und möchte eine Kennzeichnung freilaufender Katzen per Ohrspitzmarkierung.

    Was ändert sich beim Onlinehandel von Tieren?

    Tierhändler, die online Tiere verkaufen, sollen auf den Plattformen künftig ihre Identität angeben müssen. Überprüft wird diese nach dem aktuellen Entwurf aber nicht. Tiere, die Merkmale von Qualzucht aufweisen, dürfen online dann gar nicht mehr verkauft werden. Tierschützer Schröder hätte sich hier klar ein Verbot des Handels von lebenden Tieren gewünscht. Er weiß um die juristischen Schwierigkeiten eines weltweiten Internethandels, „dennoch müssen wir endlich auf nationaler Ebene die Kontrolldichte verstärken und die Strafen erhöhen“. Schröder plädiert auch für eine sogenannte „Positivliste“ bei Haustieren, sprich, es müsse eine Liste von Tieren geben, die privat gehalten werden dürfen. Nur so könne man endlich verhindern, dass beispielsweise nicht heimische Spinnen oder Schlangen nicht artgerecht in Privathaushalten leben müssen.

    Darf der Hummer noch serviert werden?

    Hummer und andere Flusskrebse gibt es weiterhin, aber Privatpersonen können sie künftig nicht mehr lebendig kaufen. Gleiches gilt für Tintenfische und Kalmare. Die Bundesregierung begründet das damit, dass Privatpersonen nicht über die notwendige Sachkenntnis und die erforderlichen Gerätschaften für das Betäuben und Töten der Tiere verfügten. Lebend gekochten Hummer gibt es damit nur noch in Restaurants.

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    1 Kommentar
    Benjamin Miletic

    Es gibt keinen wirtschaftlichen Grund, einen Anbindestall nicht in einen Freilaufstall zu verwandeln. Es dauert nicht mal all zulange, ich habe schon dabei geholfen. Und wer bis zu 50 Kühe angebunden halten kann, hat auch den Platz, seinen Stall umzubauen. Die Bauern wollen nur wie immer nicht, weil die Sturheit "Auf meinem Hof sagt mir keiner was!" in Bayern leider vor allem anderen steht. Und ja, ich habe Erfahrung in Landwirtschaft und mit Landwirten und bereits auf einem Hof gearbeitet.

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