Hass und Hetze im Internet haben in Bayern offenbar einen neuen Höchststand erreicht. Wie Justizminister Georg Eisenreich (CSU) und der Münchner Generalstaatsanwalt Reinhard Röttle am Donnerstag mitteilten, lag die Zahl der neu eingeleiteten Ermittlungsverfahren im vergangenen Jahr bei 3115 und damit so hoch wie noch nie. Im Vergleich zum Vorjahr betrug der Anstieg 28 Prozent.
Eisenreich sagte, Hassdelikte im Netz hätten ein erschreckendes Ausmaß angenommen und seien zu einer echten Gefahr für die Demokratie geworden. Die Angriffe seien besonders häufig fremdenfeindlich und antisemitisch motiviert. Menschen würden aber auch vermehrt wegen ihrer sexuellen Orientierung, wegen ihres muslimischen oder christlichen Bekenntnisses oder als Behinderte attackiert. Und immer öfter seien auch Frauen Ziel von Hate-Speech im Internet.
Bei der Bekämpfung von Hassdelikten ist die Polizei durchaus erfolgreich
„Prominente Frauen, Journalistinnen, Politikerinnen oder andere Frauen, die sich öffentlich engagieren, werden allein wegen ihres Geschlechts Opfer sexualisierter Beleidigungen im Internet. Das ist erniedrigend und beschämend“, sagte Eisenreich. Um zu demonstrieren, dass Polizei und Justiz in Bayern auch hier nicht tatenlos zusehen, verwies der Minister auf zeitgleich stattfindende Durchsuchungen anlässlich des bundesweiten Aktionstages zur Bekämpfung von Frauenfeindlichkeit im Internet. Sie richteten sich am Donnerstag gegen zehn Tatverdächtige – acht Männer und zwei Frauen im Alter zwischen 24 und 68 Jahren – aus verschiedenen Teilen Bayerns. Ihnen werden Delikte wie Beleidigung, Verleumdung, öffentliche Aufforderung zu Straftaten und Verwendung von Kennzeichen verfassungsfeindlicher Organisationen vorgeworfen.
Dass Polizei und Staatsanwaltschaft bei der Bekämpfung von Hassdelikten durchaus erfolgreich sind, zeigt ein Blick in die Statistik. In 2657 der insgesamt 3115 neuen Verfahren aus dem Jahr 2023 sind die Tatverdächtigen bekannt, weil sie entweder ihren Namen erst gar nicht verheimlichten oder relativ schnell ermittelt werden konnten. Wer angeklagt wird, muss mit relativ hohen Strafen rechnen.
Verfasser von Hassposting wegen Volksverhetzung verurteilt
Der neue Hate-Speech-Beauftragte der Bayerischen Justiz, Staatsanwalt als Gruppenleiter David Beck, der bisher bei der Justiz in Kempten tätig war, stellte dazu Beispiele vor: Das Hassposting gegen Klimakleber „Ich fahre einfach drüber pferdescheisse liegt auch manchmal auf der Straße“ (hier wiedergegeben im Original mit Fehlern) brachte einem Autofahrer eine Geldstrafe in Höhe von 70 Tagessätzen ein. Ermittelt werden konnte auch der zunächst anonyme Urheber dieser Hassbotschaft, die sich gegen Asylbewerber richtete: „Nein nicht abschieben, ab ins Gas, und danach verbrennen.“ Er wurde wegen Volksverhetzung zu einer Geldstrafe von 120 Tagessätzen verurteilt. Wiederholungstäter müssen nach Darstellung Becks sogar mit Gefängnisstrafen rechnen.
Anklage wurde vergangenes Jahr in insgesamt 728 Fällen erhoben (Vorjahr: 488 Verfahren). Mit Verurteilungen oder einem Strafbefehl endeten 567 Verfahren. Allerdings ist, wie Justizminister Eisenreich hervorhob, nicht jede Widerwärtigkeit, die einem im Netz begegnet, schon eine Straftat. Mit den Mitteln der Justiz ist nach seinen Worten nicht alles zu lösen. „Das Problem für die Gesellschaft beginnt nicht erst an der Grenze zur Strafbarkeit“, sagte Eisenreich.
Bei der Justiz in Bayern gibt es seit Januar 2020 die Zentralstelle zur Bekämpfung von Extremismus und Terrorismus, dort ist auch der Hate-Speech-Beauftragte angesiedelt. Außerdem gibt es an jeder der 22 Staatsanwaltschaften in Bayern mindestens einen Staatsanwalt oder eine Staatsanwältin, die auf Hassdelikte spezialisiert sind.