Sein Todesurteil war schon gefällt, die ersten schussbereiten Jäger hatten sich schon in Stellung gebracht. Am Freitagnachmittag nahm sein Schicksal dann aber eine überraschende Wendung: Der Wolf mit dem genetischen Code GW 2425m darf leben. Zumindest darf er vorerst nicht legal abgeschossen werden, wie es die Regierung von Oberbayern vor wenigen Tagen verfügt hatte. Das Verwaltungsgericht München gab den Eilanträgen von Bund Naturschutz und der Gesellschaft zum Schutz der Wölfe statt, die sich gegen die Abschussgenehmigung gewandt hatten.
Es bestehe keine Gefahr für Menschen oder die öffentliche Sicherheit, die eine sofortige Tötung des Wolfes erfordere, entschied das Gericht. Zunächst seien weitere Aufklärungsmaßnahmen und gegebenenfalls ein Sender und eine Vergrämung des Tieres geboten. Aus keinem der dokumentierten Vorfälle sei ersichtlich, dass sich besagter Wolf Menschen in einer nicht arttypischen Weise genähert hätte. Zudem gebe es seit dem 19. Dezember 2021 keine Erkenntnisse über den Verbleib des Tieres, erläuterte das Gericht weiter. Die zuständige Kammer sei deshalb in den Eilverfahren zu dem Ergebnis gekommen, dass die Genehmigung zur Tötung des Wolfes voraussichtlich rechtswidrig sei.
Wolf riss mehrere Tiere in Südostbayern - Ministerin fordert Abschuss
Zum Hintergrund: Der Wolf hatte im Dezember in drei Landkreisen im Südosten Bayerns mehrere Tiere gerissen, auch in der Nähe von Siedlungen. Das haben Genanalysen bestätigt. Auch aufgrund der Aufregung vor Ort – speziell in den Landkreisen Traunstein, Rosenheim und Berchtesgadener Land – machte sich vor gut einer Woche schließlich Bayerns Landwirtschaftsministerin Michaela Kaniber (CSU) für den Abschuss des Wolfes stark. Die öffentliche Sicherheit und Ordnung sei gefährdet, argumentierte sie.
Am Freitag vor einer Woche folgte die Regierung von Oberbayern den Worten der Ministerin und erteilte eine Abschussgenehmigung für GW 2425m. Eine Expertenkommission beim Bayerischen Landesamt für Umwelt sei zu dem Ergebnis gekommen, dass sich das Tier wiederholt in unmittelbarer Nähe bewohnter Häuser aufgehalten habe und offenbar die Nähe zu Siedlungsstrukturen suche, hieß es. Damit erhöhe sich die Wahrscheinlichkeit von gefährlichen Begegnungen und Konflikten mit Menschen. Mit der Ausnahmegenehmigung solle eine Gefährdung von Menschen vermieden werden. Anfang der Woche wurde dann eine entsprechende Allgemeinverfügung erlassen, nach der eine „zielgerichtete letale Entnahme“ des Tieres zugelassen sei.
Jäger kritisieren Abschussgenehmigung für Wolf
Es folgte ein heftiger Aufschrei von Tierschützern, Politikerinnen und Wolfsexperten. Die Maßnahme sei übertrieben, der Wolf keine Gefahr für den Menschen und ohnehin längst schon wieder über alle Berge. Und wer könne überhaupt garantieren, dass im Fall der Fälle der richtige Wolf erschossen würde?
Selbst Jäger bezeichneten die Abschussgenehmigung als „weltfremd“ und „nicht sachgerecht“. Der Präsident des Bayerischen Jagdverbandes, Ernst Weidenbusch, sagte noch an diesem Freitag: „Wir empfehlen unseren Mitgliedern dringend, sich nicht auf die Liste von potenziellen Wolfskillern setzen zu lassen. Unsere Jäger sind keine schießwütigen Wildhasser.“ Potenzielle Schützen, die zum Abschuss berechtigt und auch bereit sind, hatten sich bei den Landratsämtern der betroffenen drei Landkreise melden müssen. Vereinzelte Meldungen von Interessenten seien bereits eingegangen, hieß es.
Diese müssen ihr Gewehr nun vorerst wieder zurück in den Waffenschrank stellen. Nicht ausgeschlossen ist jedoch, dass sich das Blatt für den Wolf ein weiteres Mal wendet. Denn die Gerichtsentscheidungen vom Freitag sind nur vorläufig. Gegen sie kann Beschwerde am Bayerischen Verwaltungsgerichtshof eingelegt werden. Zudem stehen dann noch die Hauptsacheverfahren aus. (mit dpa)