Bayern will den Abschuss von Wölfen spätestens vom 1. Mai an deutlich erleichtern. Das sagte Ministerpräsident Markus Söder (CSU) am Dienstag nach einer Kabinettssitzung in München. Die Details sollen das Umwelt- und das Agrarministerium zwar nun erst bis zur kommenden Woche ausarbeiten. Die Regelung solle aber bereits vor dem Beginn der Weidesaison am 1. Mai "in trockenen Tüchern sein", sagte Söder. Der Bund Naturschutz kritisierte, die Staatsregierung ignoriere geltendes deutsches und europäisches Recht.
Tatsächlich räumte Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (Freie Wähler) ein, die Staatsregierung bewege sich auf juristisch dünnem Eis. Söder sagte, man wolle die geplante Verordnung "so rechtssicher wie möglich machen. Wir sind aber auch entschlossen, mutig zu entscheiden."
Söder deutete bereits eine sehr weitgehende bayerische Regelung an, ähnlich wie zuletzt in Tirol. Der strenge Schutzstatus des Wolfes sei "eigentlich in der Form nicht mehr angemessen", argumentierte er. Jedenfalls in einigen Regionen sei die Population schon groß. Die Wölfe seien "kurz vor der Rudelbildung, was die Gesamtgefährdung erhöht". Dagegen sei die traditionelle Almwirtschaft durch die wachsende Zahl von Wölfen in Gefahr. Die "klassische Natur" und der Kulturraum Alpenraum könnten dadurch gefährdet sein, warnte Söder. Zudem sei der Mensch "als Schutzgut immer an erster Stelle zu sehen".
Das Kabinett werde deshalb einen Verordnungsentwurf auf den Weg bringen, "der eine drohende Rudelbildung verhindert, der den Erhaltungsstatus als gut definiert und der die Entnahme dort, wo es nötig ist, erleichtert und beschleunigt". Es solle nicht mehr wochenlang auf das DNA-Gutachten eines Wolfes gewartet werden müssen - etwa wenn ein Tier zuvor mehrere Schafe einer Herde gerissen hat.
Hintergrund ist, dass der Wolf nach europäischem und deutschem Recht nach wie vor streng geschützt ist. Auch Tirol hatte zuletzt aber entschieden, dass Wölfe dort künftig wesentlich leichter abgeschossen werden können. Auch dort hatten die Verantwortlichen angesichts der Naturschutz-Vorschriften allerdings von einem "Grenzgang" gesprochen.
Aiwanger betonte, man versuche zu tun, was man tun könne, was in bayerischer Zuständigkeit möglich sei. Er deutete an, dass man dazu beispielsweise eine Gefährdung der Alm- und Weidewirtschaft und letztlich von Menschen feststellen könnte. Und wenn es eine Übergriffsgefahr auf den Menschen gebe, etwa wenn sich die Tiere zu sehr den Dörfern nähern, seien Ausnahmen vom Artenschutz möglich. "Oder eben wenn ein Wolf durch seine Anwesenheit den Weideschutz gefährdet, das heißt, der Weidebetrieb wird nicht mehr möglich." Denn wenn ein Tier durch seine Anwesenheit die Kulturlandschaft verändere, "dann kann auch zugegriffen werden", argumentierte Aiwanger.
Mit dem aktuellen Bären-Nachweis in Oberbayern oder dem von einer Bärin getöteten Jogger im italienischen Trentino hat die bayerische Initiative erst einmal nichts zu tun. Es gehe nur um den Wolf, sagte Söder. In Italien habe man aber gesehen, dass ein Raubtier auch Menschen angreifen könne. Und auch Wölfe seien "halt einfach Raubtiere - nicht Schmetterlinge, nicht Bienen, nicht Hamster".
BN-Landeschef Richard Mergner konterte, Wolf und auch Fischotter seien als gefährdete Arten sowohl durch die europäische als auch durch die deutschen Richtlinien geschützt. "Darüber kann sich auch ein Herr Söder oder Herr Aiwanger nicht einfach so hinwegsetzen."
BN-Fachmann Uwe Friedel plädierte stattdessen für eine Ausweitung der Herdenschutzmaßnahmen - dazu zählen etwa wolfssichere Zäune und Herdenschutzhunde. Denn die staatliche Förderung sei grundsätzlich zwar gut und großzügig, jedoch nicht überall verfügbar. Bisher könnten lediglich Tierhalter in sogenannten Wolfskulissen staatliche Gelder beantragen, also in den Regionen, in denen standorttreue Wölfe leben. Angriffe von Wölfen auf Schafe oder Ziegen gebe es aber häufig von durchwandernden Wölfen in anderen Regionen. Dort müssten Tierhalter die Kosten für die Schutzmaßnahmen bislang selber zahlen. "Der Wolf breitet sich aus, es werden mehr Wölfe kommen", sagte Friedel. Deswegen müssten die Schutzmaßnahmen ausgeweitet werden.
In Oberbayern wurden ganz aktuell wieder Spuren eines Braunbären gesichtet. Das Tier habe am vergangenen Wochenende in den Landkreisen Miesbach und Rosenheim im Grenzgebiet zu Österreich Trittsiegel im Schnee hinterlassen, wie das Bayerische Landesamt für Umwelt in Augsburg mitteilte. Die Spuren seien ausgewertet und ein Braunbär bestätigt worden, hieß es. Nähere Angaben zu dem Bären seien aufgrund von Trittsiegeln nicht möglich. Der letzte bestätigte Hinweis auf einen Braunbären in Bayern stammte demnach aus dem Sommer 2022.
(dpa)