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Natur: Der Wolf in Oberbayern darf abgeschossen werden: Es drohen Klagen

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Der Wolf in Oberbayern darf abgeschossen werden: Es drohen Klagen

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    Das Thema Wolf führt in Bayern immer wieder zu heftigen Diskussionen. Die einen wollen dem Tier nachstellen und es erlegen, die anderen wollen es schützen. In Oberbayern wurde nun der Abschuss eines Wolfes erlaubt.
    Das Thema Wolf führt in Bayern immer wieder zu heftigen Diskussionen. Die einen wollen dem Tier nachstellen und es erlegen, die anderen wollen es schützen. In Oberbayern wurde nun der Abschuss eines Wolfes erlaubt. Foto: Gabbert, dpa

    Eigentlich will Martin Wiesend an diesem warmen Tag im Juli 1882 Hirsche jagen. Doch dann hat er plötzlich ein anderes Tier vor der Flinte. Eines, vor dem sich die Menschen fürchten und über das sie sich in stickigen Wirtshausstuben schaurige Geschichten zuraunen. Der Gasthofbesitzer aus dem Fichtelgebirge legt also an und schießt. Er trifft, der Wolf ist tot. Und Wiesend ein Held. Das Fest, das anlässlich des Abschusses gefeiert wird, dauert drei Tage. So erzählt man es sich heute jedenfalls.

    140 Jahre ist das nun her. Es war der letzte Wolf, der in Bayern offiziell erlegt wurde. Das könnte sich jetzt ändern. Denn nun wurde erstmals wieder ein Tier zum Abschuss freigegeben. Der Wolf, um den es aktuell geht, trägt die Bezeichnung GW2425m. Er hatte Genanalysen zufolge in den Landkreisen Rosenheim, Traunstein und Berchtesgadener Land mehrfach Tiere in der Nähe von Siedlungen gerissen. Die Regierung von Oberbayern hatte daraufhin den Abschuss genehmigt und am Montagabend eine entsprechende Allgemeinverfügung veröffentlicht. Zur Vermeidung einer Gefährdung von Menschen sei die „zielgerichtete letale Entnahme“ – so das etwas hölzerne Behördendeutsch – des Tieres zugelassen. Seither kochen die Emotionen hoch.

    LBV fordert Einblick in Bericht der Expertenkommission

    Der bayerische Naturschutzverband LBV etwa kritisiert die Entscheidung der Regierung von Oberbayern massiv. „Die vorgelegte Begründung für die Entnahmegenehmigung ist nicht stichhaltig und tritt den Bayerischen Aktionsplan Wolf mit Füßen“, sagt der LBV-Vorsitzende Norbert Schäffer in einem Pressestatement. „Die jetzt getroffene Entscheidung ist eine schallende Ohrfeige für alle, die an der Entwicklung des Aktionsplans Wolf beteiligt waren. Es entsteht der Eindruck, dass man sich erst gar nicht an die Regeln halten wollte und von vorneherein den Abschuss des Wolfes geplant hatte“, kritisiert Schäffer weiter.

    Grundsätzlich unterstütze der LBV die Vorgaben des Aktionsplans. Darin sei als eine mögliche Voraussetzung für eine legale Tötung aufgeführt, dass ein Wolf ohne Provokation aggressiv auf Menschen oder begleitende Hunde reagiert. „Dies war in der betroffenen Region bislang nicht der Fall. Insofern gibt es auch keine sachliche Begründung dafür, diesen Wolf jetzt zu schießen“, fährt Schäffer fort. Der LBV fordert deshalb eine parlamentarische Überprüfung der Entscheidungsfindung und einen Einblick in den Bericht der Expertenkommission.

    Der Bund Naturschutz hat bereits eine Klage angekündigt

    Auch beim Bund Naturschutz in Bayern ist man entsetzt. „Wäre der besagte Wolf nachgewiesenermaßen eine Gefahr für Leib und Leben von Menschen oder hätte er wiederholt Weide- oder Stalltiere, die bestmöglich durch wolfssichere Zäune oder Herdenschutzhunde gesichert sind, überwunden, wäre eine Tötung nach europäischem Recht und dem bayerischen Wolfsaktionsplan gerechtfertigt“, sagt der BN-Vorsitzende Richard Mergner. „Diese Bedingungen treffen allerdings nach intensiver Bewertung der staatlichen Unterlagen durch unsere Wolfsexperten im konkreten Fall nicht zu.“ Eine Entnahme, so heißt es beim Bund Naturschutz weiter, wäre nicht rechtmäßig. Der Verband will deshalb gegen die Verfügung klagen. Auch die Gesellschaft zum Schutz der Wölfe hat eine Klage angekündigt.

    Der Bayerische Bauernverband (BBV) sieht die Sache naturgemäß völlig anders. Die Entscheidung der Regierung von Oberbayern sei ein erstes gutes Zeichen für die Tierhalter, heißt es dort. „Wer jetzt gegen den Bescheid klagt, entzieht sich ganz klar der Verantwortung für unsere Nutztiere“, sagt der BBV-Umweltpräsident Stefan Köhler in einer Pressemitteilung. „Ein Wolf, der jegliche Scheu verloren hat, in Ställe spaziert und sich greift, was er will, verursacht nicht nur unsägliches Tierleid, sondern gefährdet auch die Weidetierhaltung und nicht zuletzt uns Menschen.“

    Die Landwirtschaftsministerin hält den Abschuss für richtig

    Bayerns Landwirtschaftsministerin Michaela Kaniber (CSU) unterstützt den Abschuss des Wolfes ebenfalls. Die Entscheidung stehe im Einklang mit dem Bundesnaturschutzgesetz, das genau für solche Fälle Ausnahmen vom Artenschutz vorsieht, sagt die Ministerin. „Man muss ein Raubtier, das übergriffig geworden ist und ganz offensichtlich seine Scheu verloren hat, auch mal entnehmen. Bei diesem Wolf, der in Südostoberbayern immer näher an die Siedlungen herangekommen ist, war das dringend notwendig.“

    Längst ist der Wolf in Bayern zum Politikum geworden. SPD-Fraktionschef Florian von Brunn etwa meint: Daraus, dass ein Wolf nachts durch einen Ort läuft, lasse sich noch keine Gefahr für Menschen ableiten. „Das zeigt auch die Tatsache, dass der Wolf vor einem Landwirt geflüchtet ist, der ihn im Stall überrascht hatte.“ Und der Sprecher für Umweltpolitik der Landtags-Grünen, Christian Hierneis, ist der Ansicht, dass es keinen Sinn mache, einen Wolf zu töten und weiter keine Schutzmaßnahmen umzusetzen. „Dann kommt irgendwann der nächste Wolf und reißt wieder Tiere, weil sie nicht geschützt sind.“

    Wird möglicherweise der falsche Wolf erschossen?

    In der Diskussion geht es auch um die Umsetzung des Abschusses. Naturschützer befürchten, dass nicht sichergestellt werden könne, dass auch wirklich der richtige Wolf getötet wird. Auf Nachfrage unserer Redaktion teilt ein Sprecher der Regierung von Oberbayern mit: „Uns liegen keine Erkenntnisse vor, dass sich aktuell im Geltungsbereich der Allgemeinverfügung weitere Wölfe aufhalten würden.“ Es sei deshalb sehr unwahrscheinlich, dass ein falsches Tier erlegt würde.

    Vielleicht hat sich die Debatte ohnehin von selbst erledigt. Denn der Wolf ist womöglich über alle Berge. Das Tier war zuletzt am 19. Dezember nachgewiesen worden. Seitdem fehlt von ihm jede Spur. (mit dpa)

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