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Natur: Das stille Sterben: Die Artenkrise betrifft auch Bayern

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Das stille Sterben: Die Artenkrise betrifft auch Bayern

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    Nur noch elf Brutpaare der Uferschnepfe konnten 2023 auf Bayerns Wiesen nachgewiesen werden – Tendenz: weiter sinkend.
    Nur noch elf Brutpaare der Uferschnepfe konnten 2023 auf Bayerns Wiesen nachgewiesen werden – Tendenz: weiter sinkend. Foto: Sina Schuldt, dpa

    Der auffällige Vogel mit dem rostroten Kopf ist eine Rarität. Und ein Fingerzeig auf den dramatischen Zustand, in dem sich viele Arten im Freistaat befinden. Nur noch elf Brutpaare der Uferschnepfe konnten 2023 auf Bayerns Wiesen nachgewiesen werden – Tendenz: weiter sinkend. "Die Uferschnepfe ist leider auf dem absteigenden Ast", sagt Verena Auernhammer, Expertin für Wiesen- und Feldvogelschutz beim bayerischen Landesbund für Vogel- und Naturschutz (LBV). Eine wirkliche Chance habe die Uferschnepfe, eine von 28 Vogelarten, die im Freistaat vom Aussterben bedroht sind, nur, wenn sich in den wenigen noch bestehenden Brutgebieten schnell etwas ändere. "Es braucht intakte Lebensräume und ein artspezifisches Management der Schutzgebiete", sagt Auernhammer. "Ansonsten stirbt die Uferschnepfe in den nächsten Jahren in Bayern aus." 

    In diesen Tagen rückt das Schicksal vieler bedrohter Arten in den Fokus. Am 3. März rufen die Vereinten Nationen Jahr für Jahr den Welttag des Artenschutzes aus. Nur: Oft bleibt es bei einem Schlaglicht, allzu schnell wird das Thema dann wieder von anderen Problemen überschattet. Eine leise Krise, die durch die vielen lauten ins Abseits gedrängt wird. "Die öffentliche Wahrnehmung wird von anderen Krisen belegt", sagt Norbert Schäffer, der Vorsitzende des LBV. Und für viele Menschen sei das ohnehin eher ein Thema, das sie am anderen Ende der Welt verorteten. "Aber die Artenkrise betrifft nicht nur den Eisbären in der Arktis oder den Orang-Utan im tropischen Regenwald, sondern auch Rebhuhn, Segelfalter und Moorfrosch direkt bei uns vor der Haustür in Bayern", sagt Schäffer. Einige der heimischen Arten – wie etwa die Uferschnepfe – "liegen, bildlich gesprochen, bereits auf der Intensivstation." Und längst trifft es nicht nur Vögel: Weltweit sind rund 40 Prozent der Insektenarten vom Aussterben bedroht. 48 Wildbienenarten etwa gelten dem bayerischen Landesamt für Umwelt (LfU) zufolge im Freistaat als verschollen oder ausgestorben. Auch mehr als die Hälfte der in Bayern heimischen Amphibienarten ist laut Analysen des Bund Naturschutz bedroht. 

    Schäffer: Viele Arten verschwinden in der Agrarlandschaft

    Besonders groß seien die Probleme in der Agrarlandschaft, erklärt LBV-Chef Schäffer. "Das ist kein Vorwurf an die Landwirte, sie haben nichts Illegales getan", fügt er hinzu. Dennoch müsse man festhalten, dass der Einsatz von Pestiziden und Düngemitteln verheerende Folgen hinterlassen habe. "Durch die intensive Landwirtschaft verschwinden Arten." Zum einen, weil es immer weniger Insekten gibt und den Vögeln so die Nahrungsgrundlage fehlt, zum anderen, weil die Tiere ihren Lebensraum an die Landwirtschaft verlieren. Dabei brauche die Natur Platz, um sich auszubreiten, sagt Schäffer und betont: "Artenschutz ist eine gesetzliche Verpflichtung. Das ist kein Hobby wie Briefmarkensammeln." Und auch wenn Bayerns Natur durch das Volksbegehren Artenvielfalt wesentlich besser dastehe als ohne die neuen Gesetze von 2019, sei es "noch ein langer Weg, bis wir den Abwärtstrend aufhalten, den wir beim Bestand vieler Arten aktuell erleben."

    Gerade jetzt, wo es so viele andere Krise gebe, müsse man die Anstrengungen im Artenschutz noch intensivieren, fährt Schäffer fort. Dass Artenhilfsprogramme funktionieren, habe sich schon in den Vergangenheit gezeigt. "Wir haben uns dahintergeklemmt und der Erfolg gibt uns recht." Beispiele für diese Erfolge sind etwa die Bestandszahlen von Vogelarten wie Wanderfalke, Wiesenweihe und Weißstorch, die nach intensiven Artenhilfsprogrammen stark angestiegen sind. Auch der Stieglitz, einst ein Sorgenkind, verzeichnet einen positiven Trend. „2016 wurde der Stieglitz in Bayern wegen abnehmenden Bestands auf die Vorwarnliste gesetzt. Mittlerweile nehmen seine Bestände um mehr als drei Prozent pro Jahr zu“, sagt Alexandra Fink, LBV-Koordinatorin für das Monitoring häufiger Brutvögel.

    Eine Million Arten weltweit in Gefahr

    Dass der Welttag des Artenschutzes am 3. März stattfindet, ist kein Zufall. Das Datum wurde gewählt, weil an diesem Tag im Jahr 1973 das Washingtoner Artenschutzübereinkommen unterzeichnet worden war. Inzwischen gehören dem Übereinkommen 184 Vertragsparteien an, also knapp 95 Prozent aller Staaten der Welt. Es umfasst etwa 5950 Tier- und 32.800 Pflanzenarten. "Diese große Zahl zeigt, wie erfolgreich das Abkommen ist. Sie verdeutlicht aber auch die Krise des Artenaussterbens", erklärt das Bundesministerium für Umwelt und Naturschutz. Denn: Eine Million Arten sind Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern zufolge weltweit bereits vom Aussterben bedroht oder werden es in den nächsten Jahrzehnten sein. In der Arktis, im Regenwald – aber auch in Bayern. 

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