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Muslimische Künstlerin Maqsoodi spricht über Weihnachten

Weihnachten

Künstlerin aus Afghanistan gestaltet Fenster christlicher Kirchen

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    Die afghanische Künstlerin Mahbuba Maqsoodi entwirft gerade ein Friedensfenster in ihrem Münchner Atelier.
    Die afghanische Künstlerin Mahbuba Maqsoodi entwirft gerade ein Friedensfenster in ihrem Münchner Atelier. Foto: Sarah Ritschel

    Das Atelier ist überraschend klein dafür, dass hier bis zu neun Meter hohe Kirchenfenster entworfen werden. Mahbuba Maqsoodi hat ihre Farbpalette weggelegt. Kleckse in Gelb- und Blautönen, in die sie eben noch ihren Pinsel tauchte, fangen an zu trocknen. „Meine Kunst ist voller Farben“, sagt die 67-Jährige. „Ich will sagen: Probieren wir es, schauen wir auf die Welt nicht nur in Schwarz-Weiß oder Böse und Gut“, erklärt sie und strahlt die Ruhe und Güte aus, die sie sich auch von ihren Mitmenschen erhofft. Sie, die Künstlerin, die in einer muslimischen Familie aufgewachsen ist, 1980 aus Herat in Afghanistan vor dem Bürgerkrieg floh und heute christliche Kirchen mit den leuchtendsten Glasmotiven versieht. Mahbuba Maqsoodi serviert Tee und getrocknete Aprikosen, hinter ihr hängen riesige Papierausdrucke. Einer läuft nach oben hin spitz zu, daraus wird der oberste Teil des Kirchenfensters, an dem sie gerade arbeitet. Den Entwurf wird sie mit Aquarellfarben ausmalen und dann an die Werkstatt übergeben, die ihn auf Fensterglas überträgt. Es ist das „Friedensfenster“, das sie für die evangelische Kirche im niedersächsischen Dörverden gestaltet.

    Eins dieser Kirchenmotive reist gerade zigtausendfach durch Deutschland. Die Krippenszene aus dem Weihnachtsfenster „Himmlisches Licht“ in der Abteikirche St. Mauritius in Tholey (Saarland) ziert eine von vier offiziellen Weihnachtsbriefmarken der Deutschen Post. In der Realität sind die Figuren meterhoch, für die Sondermarke schrumpfen sie auf 4,7 mal 3,5 Zentimeter. Der kniende Josef, der das Kind im Arm hält, ein strahlendes Licht vom Himmel - und Maria, die die Szene sitzend beobachtet. Nicht nur wegen der vertauschten Rollen der Eltern Jesu ist die Briefmarke etwas Besonderes. Mehr noch: In den 55 Jahren, seit es Weihnachtsbriefmarken gibt, war darauf noch nie das Werk einer Frau zu sehen. „Die erste Frau zu sein, das hat mich sehr gefreut.“ Maqsoodi lächelt und die Wintersonne fällt durch die schmalen Fenster des Ateliers genau auf ihre Farbpalette. „Die erste Frau – und dann auch noch eine aus Afghanistan!“

    Die Weihnachtsbriefmarke 2024 ziert Maqsoodis Werk „Himmlisches Licht“.
    Die Weihnachtsbriefmarke 2024 ziert Maqsoodis Werk „Himmlisches Licht“. Foto: Mahbuba Maqsoodi/Deutsche Post

    Dass sie selbst muslimisch erzogen wurde, sieht die 67-Jährige nicht als Widerspruch zu ihrer Kunst in christlichen Kirchen. „Die Religion ist entstanden, um den Menschen näher zu Gott zu bringen und mit Gottes Schätzen, miteinander sorgsam umzugehen. Stattdessen denken wir eben oft in schwarz-weiß, manchmal bis zur Selbstvernichtung. Mir geht es um das Menschliche. Am Ende landen wir doch alle am selben Ufer.“ Erst, wenn Religion politisiert und als Zweckmittel genutzt werde, würden die Glaubensrichtungen aufeinanderprallen. Als junge Frau in Afghanistan habe sie erlebt, wie Glaube instrumentalisiert wird. „Muslime tragen selbst eine große Verantwortung dafür, wie der Islam heute wahrgenommen wird. Aber auch die Christen müssen kritisch sein gegenüber vielen offene Fragen, wie zur Frauenposition in der Kirche.“

    „Die Geburt eines jeden Kindes ist ein Licht im Haus.“

    Mahbuba Maqsoodi, Künstlerin

    Auf einem Sideboard hat die Künstlerin, die nach ihrer Flucht in St. Petersburg ein Diplom-Kunststudium absolvierte und 1994 mit ihrer Familie nach Deutschland kam, die Entwürfe für ihren berühmtesten Motivzyklus aufgereiht: die 29 Fenster von Tholey, dem ältesten Kloster Deutschlands. 634 erstmals urkundlich erwähnt und lange fast vergessen, erleuchtete die Kirche im Jahr 2020 neu - dank Mahbuba Maqsoodi und Gerhard Richter, dem berühmtesten Künstler Deutschlands, der drei Fenster im Altarraum gestaltete. Auch in ihrem Weihnachtsfenster sieht die Münchner Künstlerin, die im Stadtteil Hasenbergl lebt und arbeitet, nicht nur ein religiöses Motiv: „Die Geburt eines jeden Kindes ist ein Licht im Haus. Welche Frau würde den Schmerz einer Geburt ertragen, vielleicht sogar mehrmals, wenn es nicht Freude, Liebe und Hoffnung gäbe“, sagt sie lächelnd, sie hat ja selbst zwei Söhne.

    Das Glasbild "Satanssturz" der afghanischen Künstlerin Mahbuba Maqsoodi in der Abteikirche Tholey.
    Das Glasbild "Satanssturz" der afghanischen Künstlerin Mahbuba Maqsoodi in der Abteikirche Tholey. Foto: Katja Sponholz, dpa

    Mahbuba Maqsoodi findet innere Ruhe und Einkehr in der Natur, für sie das beste Beispiel einer göttlichen Harmonie. Den islamischen Glauben praktiziert sie nicht mehr aktiv. „Ob ich eine muslimische Künstlerin genannt werden will? Nun, meine Eltern waren gläubige Muslime, und als Kind bekommt man den Glauben der Eltern wie eine Erbschaft mit“, erklärt sie. Ihre heutige Haltung sei geprägt durch mindestens drei Kulturen. „Dafür bin ich dankbar.“

    Wer die Weihnachtsbriefmarke 2024 kauft, hilft. Diesmal fließt ein Teil des Kaufpreises an die Freie Wohlfahrtspflege. Und Mahbuba Maqsoodi glaubt an die Menschen. „Wie schön ist es, dass der Mensch überwiegend gute Dinge tut. Fast überall, wo etwas zerstört wird, wird es auch wieder aufgebaut - obwohl das Aufbauen viel mehr Zeit und Kraft erfordert als die Zerstörung.“

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