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München: Verfahren wegen Hausfriedensbruch: Rentnerin sammelte Flaschen

München

Verfahren wegen Hausfriedensbruch: Rentnerin sammelte Flaschen

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    Anna Leeb, 76 Jahre alt, ist von der Bahn angezeigt worden, nachdem sie am Hauptbahnhof Pfandflaschen gesammelt hatte.
    Anna Leeb, 76 Jahre alt, ist von der Bahn angezeigt worden, nachdem sie am Hauptbahnhof Pfandflaschen gesammelt hatte. Foto: Ida König

    Hinweis: Die Staatsanwaltschaft München hat der Frau nach diesem Artikel widersprochen. Hier lesen Sie mehr darüber.

    Anna Leeb kann es immer noch kaum fassen. „In der Arbeit bin ich wegen Ehrlichkeit und Treue ausgezeichnet worden“, sagt die Münchnerin. „Das ganze Leben hast dir nix zuschulden kommen lassen – und jetzt?“

    Jetzt ist die 76-Jährige verurteilt. Verurteilt wegen Hausfriedensbruchs. Und das, weil sie Flaschen am Münchner Hauptbahnhof gesammelt hat. 2000 Euro Strafe musste sie zahlen. „Das sind drei Monatsrenten“, sagt Anna Leeb, die 28 Jahre in einer Münchner Metzgerei gearbeitet hat. Heute hat sie das Geld abbezahlt, einen Hunderter pro Monat. Der Tag, der in ihrem Leben so vieles verändert hat, liegt ja auch schon ein paar Jahre zurück. Aber die Sache geht Anna Leeb so nach, dass sie jetzt darüber sprechen will.

    Hausordnung der Bahn verbietet das Flaschensammeln

    Zwei Bahn-Sicherheitskräfte hatten sie damals beim Flaschensammeln erwischt. Die Frau aus dem Münchner Stadtteil Harlaching bessert damit seit vielen Jahren ihre Rente auf. „Am Bahnhof gibt’s doch so viele Flaschen.“ Dass die Hausordnung verbietet sie mitzunehmen, wusste die Rentnerin gar nicht. Wie auch? „Einmal hat mich sogar eine Schaffnerin gefragt, ob ich leere Pfandflaschen aus ihrem Zugabteil holen will.“ Doch die Bahn erteilte der gebürtigen Münchnerin Hausverbot. Etwas später lief Anna Leeb trotzdem mit ihrem Rollator durch die Bahnhofshalle. Sie war schwer krank damals, kam gerade aus dem Krankenhaus und wollte eine Abkürzung nehmen. Auf dem Weg las sie eine leere Bierflasche auf. „Dann bin ich noch schnell zu meiner Losverkäuferin hin“, erinnert sich die Rentnerin. Wieder tauchten die Bahn-Mitarbeiter auf.

    Anna Leeb leidet bis heute unter dem Vorfall

    Regelrecht hinausgezerrt hätten sie sie, erzählt Leeb. Dann kam das Verfahren wegen Hausfriedensbruchs, die Gerichtsverhandlung, die Strafe. „800 Euro hab’ ich für den Anwalt bezahlt“, sagt die zweifache Oma. Das Weihnachtsgeld für ihre Enkel war in diesem Jahr nicht mehr drin. Körperlich leidet sie bis heute: „Seitdem ist mein Gleichgewicht kaputt.“ Vorbestraft ist Anna Leeb entgegen früherer Angaben übrigens nicht, dafür war die Zahl der Tagessätze ihrer Strafe zu niedrig.

    Der Fall der Rentnerin hat sich inzwischen herumgesprochen. Rund 70.000 Menschen haben eine Petition im Internet unterschrieben, die Straffreiheit für Anna Leeb fordert (hier geht es zur Petition). Die Bahn will den Fall jetzt noch einmal aufrollen. „Die Bahn bedauert, dass sich die Situation um Anna Leeb so zugespitzt hat“, versicherte ein Sprecher auf Nachfrage unserer Redaktion. Man wolle „in den nächsten Tagen auf Anna Leeb zugehen und den persönlichen Dialog mit ihr suchen“. Das Hausverbot bestehe seit mehr als einem Jahr nicht mehr. „Sie kann jederzeit den Hauptbahnhof betreten, muss sich allerdings an unsere Hausordnung halten.“

    Für die Rentnerin ändert das nichts. „Ich geh’ sowieso nicht mehr in den Bahnhof rein“, sagt sie. Flaschen sammeln werde sie künftig im Englischen Garten.

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