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München: Stammstreckenskandal: Schuldfrage bleibt ungeklärt

München

Stammstreckenskandal: Schuldfrage bleibt ungeklärt

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    Der Bau der zweiten S-Bahn-Stammstrecke München wurde zu einem milliardenschweren Finanz- und Planungsdebakel. Ein Untersuchungsausschuss sollte den Schuldigen herausarbeiten – doch so einfach scheint es nicht zu sein.
    Der Bau der zweiten S-Bahn-Stammstrecke München wurde zu einem milliardenschweren Finanz- und Planungsdebakel. Ein Untersuchungsausschuss sollte den Schuldigen herausarbeiten – doch so einfach scheint es nicht zu sein. Foto: Peter Kneffel, dpa

    Elf Landtagsabgeordnete aus sechs Fraktionen kommen in 20 Sitzungen zusammen, kämpfen sich durch einen Aktenberg von mehr als 100.000 Seiten, befragen dutzende von Zeugen und stellen am Ende fest, dass sie sich nicht einig sind, wer für das milliardenschwere Finanz- und Planungsdebakel bei der zweiten S-Bahn-Stammstrecke in München verantwortlich ist. Die Bahn? Die Staatsregierung und der damalige CSU-Bundesverkehrsminister? Oder irgendwie alle? Das vermutlich bisher einmalige Ergebnis: Es gibt gleich vier Abschlussberichte – allerdings mit Zwischentönen. 

    Bei der zweiten Stammstrecke wurden Zeit- und Kostenrahmen gesprengt

    Die Empörung war groß, als vergangenes Jahr bekannt wurde, dass die zweite S-Bahn-Stammstrecke unter der Münchner Innenstadt mindestens sieben Milliarden statt der zuletzt kalkulierten 3,85 Milliarden Euro kosten wird. Noch größer war der Ärger darüber, dass die Pendler und Bahnfahrer noch einmal knapp ein Jahrzehnt länger auf die Entlastung warten müssen, die das Großprojekt bringen soll. Die zuletzt für 2028 geplante Inbetriebnahme war auf Jahr 2037 verschoben worden. Und als dann noch bekannt wurde, dass die Staatsregierung das Desaster bereits im Jahr 2020 hat kommen sehen, ohne tätig zu werden, setzte die Opposition im Landtag den Untersuchungsausschuss durch. Ihr Vorwurf: Ministerpräsident Markus Söder (CSU) habe das Problem unter dem Deckel gehalten, da ein ähnliches Debakel wie beim Berliner Flughafen seine Ambitionen auf die Kanzlerkandidatur gestört hätte. 

    Diesen Vorwurf wiesen der Vorsitzende des Untersuchungsausschusses, der Allgäuer Abgeordnete Bernhard Pohl (Freie Wähler), und sein Stellvertreter Jürgen Baumgärtner (CSU) in der abschließenden Sitzung am Dienstag zurück. Pohl stellte zwar fest: „So, wie das Projekt gelaufen ist, darf ein Projekt nicht laufen.“ Die Staatsregierung aber sei „aus Sicht der Regierungsfraktionen komplett entlastet“. Und dass es einen Zusammenhang mit der möglichen Kanzlerkandidatur Söders gegeben haben könnte, habe sich „nicht im Ansatz bestätigt“. Die Verantwortung für das Projekt liege bei der Bahn. Sie habe „ihre Aufgaben schlecht bis gar nicht erfüllt“, sagte Pohl. Auch Baumgärtner sieht „die alleinige Verantwortung“ bei der Bahn. 

    Zweite Stammstrecken in München: Eine "dilatorische Vorgehensweise"

    Völlig deckungsgleich aber waren die Urteile von CSU und Freien Wählern nicht. Wie berichtet, war im Verlauf der Untersuchungen ans Licht gekommen, dass Beamte der Staatskanzlei dem Bauministerium unter der früheren Ministerin Kerstin Schreyer (CSU) eine „dilatorische“ Behandlung des Problems nahegelegt hatten. Will heißen: Die Ministerin sollte ruhig bleiben, abwarten und nicht länger Druck auf die Bahn machen. Dass es eine „dilatorische Vorgehensweise“ gegeben hat, ist nach Auffassung Pohls „unstrittig“. Die Staatsregierung hätte, wie er sagte, gegenüber Bahn und Bund „etwas energischer auftreten“ können und auch den Landtag über die Probleme bei dem Projekt informieren sollen. Baumgärtner dagegen vertrat die Ansicht, der Untersuchungsausschuss habe „klar herausgearbeitet, dass es keine dilatorische Behandlung gab“. 

    Dem Abschlussbericht von CSU und Freien Wählern stehen gleich drei Berichte der Opposition gegenüber. SPD und FDP, die sich zum Bau der zweiten Stammstrecke bekennen, legten einen gemeinsamen Bericht vor. Die Markus Söder und Andreas Scheuer haben das Projekt absichtlich schleifen lassen und damit Bayern massiv geschadet.“ Sebastian Körber (FDP) warf der Staatsregierung vor, „bewusst untätig“ geblieben zu sein. „Söder wollte unbedingt Kanzler werden. Da konnte er keinen Baustellen-Skandal solchen Ausmaßes gebrauchen. Damit hat Söder seine persönlichen Interessen über die der bayerischen Bevölkerung gestellt“, sagte Körber. 

    Grüne sprechen vom Tricksen und Täuschen

    Die Grünen, die das Projekt immer kritisch gesehen haben, legten einen eigenen Bericht vor. Der Abgeordnete Martin Runge kritisierte das Verhalten der Staatsregierung als „Tricksen und Täuschen, Vertuschen und Lügen“. Sie habe weggeschaut. „Das ist ganz bewusst von oben gesteuert worden“, sagte Runge. Sein Kollege Markus Büchler betonte: „Dieses CSU-Prestigeprojekt war von Beginn an falsch geplant und schöngerechnet.“ 

    Zu einer eigenen Bewertung kam schließlich auch die AfD-Fraktion. Nach Auffassung des Abgeordneten Ingo Hahn hat Söders Verhalten „schon ein G’schmäckle“, das sich nicht wegdiskutieren lasse. 

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