Die kleine, aber reiche Gemeinde Pullach im Isartal ist für Bayerns Grüne so etwas wie eine Insel der Glückseligen. Die ehemalige Landtagsabgeordnete Susanna Tausendfreund ist dort seit 2014 Bürgermeisterin. Im Gemeinderat sind die Grünen mit Abstand stärkste Fraktion. Mehr als die Hälfte aller Einwohner und Unternehmen heizen klimafreundlich mit Erdwärme aus 3000 Metern Tiefe. Das Stromnetz ist zu 100 Prozent in öffentlicher Hand. Neue Windräder sind in Planung. Und es soll nicht mehr lange dauern, bis der Ort komplett energieautark ist. „Hier sieht man, was alles geht, wenn man will“, sagt Katharina Schulze, die Vorsitzende der Landtagsfraktion.
Dass die Landtagsabgeordneten der Grünen an diesem Freitagmorgen im Rahmen ihrer ersten Klausurtagung ausgerechnet ins Isartal kommen, ist kein Zufall. Nach der für sie enttäuschend verlaufenen Landtagswahl ist Pullach zum einen der ideale Ort, um sich für die kommenden fünf Jahre im Landtag Mut zu machen. Zum anderen passt der Ortstermin mit Besuchen der Geothermieanlage und der Firma Linde Engineering zum Schwerpunktthema der Klausur: der Energiepolitik. „Wir möchten, dass Pullach Schule macht“, sagt Schulze.
Schulze wirft der bayerischen Staatsregierung Versäumnisse in der Energiepolitik vor
Die Grünen-Politikerin, die seit Beginn dieser Legislaturperiode die Fraktion alleine führt, wirft der bayerischen Staatsregierung massive Versäumnisse in der Energiepolitik vor. „Während andere Länder längst erkannt haben, dass regenerative Energien ein Standortvorteil sind, stockt der Ausbau in Bayern. Die Potenziale insbesondere in den Bereichen Wind und Erdwärme werden von der Staatsregierung kaum beachtet – zum Nachteil der heimischen Wirtschaft“, heißt es in der Entschließung der Fraktion, die Schulze am Freitag vorlegte.
Bayern sitze auf einem „Wärmeschatz“, Ministerpräsident Markus Söder (CSU) aber habe bei der Geothermie „bisher völlig versagt“. Er wolle nichts investieren. „Anstatt klimaschonende unterirdische Wärmequellen zu fördern, anstatt einen funktionierenden Plan zur Einhaltung der bayerischen Klimaziele zu entwickeln, zeigt Markus Söder lieber nach Berlin und wartet weiter ab“, sagt Schulze. Ohne im Wärmebereich etwas zu tun, könne weder die Energiewende gelingen, noch könne Bayern seine selbst gesteckten Klimaziele erreichen.
Konkret fordern die Grünen deutlich mehr neue Windräder – 1500 bis zum Jahr 2030 – sowie mehr Geld für die Kommunen, um teure Anfangsinvestitionen in Geothermie stemmen zu können. Um Probebohrungen finanziell absichern zu können, solle der Staat mit Ausfallbürgschaften helfen.
Grüne haben auf dem Land und bei jungen Leuten verloren
Mit sich selbst sind die Grünen, wie mehrere Abgeordnete übereinstimmend berichten, nach dem Rückschlag bei der Landtagswahl wieder im Reinen. Schulze räumt zwar Defizite ein. „Wir haben leider auf dem Land und bei den jungen Leuten verloren.“ Das ändert aber ihrer Ansicht nach nichts daran, dass die Grünen „die einzig verbliebene, hörbare, progressive Kraft in Bayern“ seien. Die Fraktion verstehe sich als „Kontrollorgan und Impulsgeberin der Staatsregierung“.
Um bei den Bürgerinnen und Bürgern verloren gegangenes Terrain zurückzugewinnen, setzt Schulze auf ein entschlossen klingendes Motto: „Raus, raus, raus – rein, rein, rein.“ Will heißen: „Raus in die Fläche zu den Bürgerinnen und Bürgern, rein in die sozialen Netzwerke.“ Die Kritik, die Grünen hätten sich im vergangenen Jahr zu einer reinen Stadtpartei gewandelt, weist Schulze zurück. „Wir sind eine Partei fürs ganze Land“, sagt sie, betont aber zugleich, dass die Partei in ländlichen Region noch mehr den Dialog suchen werde. „Wir wollen das noch einmal intensivieren, weil wir im Wahlkampf eine gewisse Entfremdung festgestellt haben.“
In Lindau stehen bei den Grünen zwei Kampfkandidaturen an
Den Dialog verstärken zu wollen, gilt nach Worten der Fraktionsvorsitzenden auch für die aktuelle Auseinandersetzung um die Landwirtschaft. „Wir scheuen keine Debatte“, sagt Schulze, „wir gehen auch dorthin, wo der Wind vielleicht einmal ein bisschen rauer weht.“ Sie selbst habe mehrere Einladungen von Landwirten, die sie in den kommenden Monaten abarbeiten werde. Fragen nach weiteren Einzelheiten der Strategie, die in der zweitägigen Klausur besprochen wurden, aber weicht Schulze aus.
Wie weit die offenbar neu gewonnenen Harmonie bei den Grünen trägt, wird sich kommendes Wochenende zeigen, wenn sich die Delegierten in Lindau zu ihrem Landesparteitag treffen. Dort stehen zwei Kampfkandidaturen ins Haus. Die beiden Landesvorsitzenden, die Landtagsabgeordnete Eva Lettenbauer aus Schwaben und Thomas von Sarnowski aus Ebersberg, werden von der Ex-Landtagsabgeordneten Gisela Sengl und Ludwig Sporrer aus München herausgefordert.