Warum führt ein heftiger Wintereinbruch mit starkem Schneefall im Süden Bayerns zu einem Totalausfall im Bahnverkehr, in der Schweiz und Österreich aber nicht? Diese Frage stand nach den Chaostagen Anfang Dezember im Mittelpunkt der ersten Sitzung des Verkehrsausschusses im Landtag im neuen Jahr. Die Antworten der Bahn und der Bayerischen Eisenbahngesellschaft überzeugten die Abgeordneten nicht.
Das, was sich in den ersten Dezembertagen zwischen Passau im Osten und dem Allgäu im Südwesten ereignet hat, so urteilte Ausschusschef Jürgen Baumgärtner, (CSU), sei „eines Landes wie Deutschland nicht würdig“. Sein Kollege Martin Wagle (CSU) fühlte sich gar an ein „Entwicklungsland“ erinnert und nannte den tagelangen Stillstand auf den Bahnstrecken „total unbefriedigend“. Und der Abgeordnete Markus Büchler (Grüne), der in der Nacht zum 2. Dezember selbst mit dem Zug auf freier Strecke liegen blieb, stellte fest: „Bei uns läuft da offenbar etwas schief.“ Sowohl am Bernina Pass in der Schweiz als auch in Tirol habe zeitgleich trotz ebenfalls heftigen Schneefalls „im Prinzip normaler Betrieb“ geherrscht.
Was im Süden Bayerns in der ersten Dezemberwoche alles schief gelaufen ist, konnten Bärbel Fuchs, die Geschäftsführerin der Bayerischen Eisenbahngesellschaft, und Klaus-Dieter Josel, der Konzernbevollmächtigte der Deutschen Bahn in Bayern, in allen Einzelheiten erklären. Das Chaos betraf nach ihren Worten das gesamte System. „In vielerlei Hinsicht überfordert“ waren nach Fuchs’ Schilderung die Eisenbahninfrastruktur, die Abstellanlagen der Fahrzeuge, die Information der Fahrgäste und die Schienenersatzverkehre.
Ein Grund, warum es die Bahn so kalt erwischt hat, war nach Aussage Josels die Wettervorhersage. Die „anfängliche Schneewarnlage“ von zehn bis 20 Zentimeter sei im Lauf des Freitagabends „mehrfach korrigiert worden“. Innerhalb von zehn Stunden sei in der Nacht zum Samstag rund ein halber Meter Schnee gefallen. Mehr als 60, zum Teil gesunde Bäume seien durch die Schneelast auf die Gleise gestürzt. Gefrierender Niederschlag habe die Oberleitungen zum Teil mit „fingerdicken Eispanzern“ überzogen. Es habe reihenweise Kurzschlüsse gegeben. An 80 Stellen seien Oberleitungen beschädigt gewesen. In sechs Stellwerken sei der Strom ausgefallen. Mehr als 200 Signale seien derart vereist gewesen, dass sie nicht mehr erkennbar waren. Die Folge: Von Freitag 23.15 Uhr bis einschließlich Sonntag hätten aus Sicherheitsgründen 66 Strecken gesperrt werden müssen. Gleichzeitig sei ein großer Teil der Regio-Flotte der Bahn durch Frostschäden ausgefallen. 70 Züge der Elektroflotte und 20 Züge der Dieselflotte seien deshalb kurz- und mittelfristig nicht einsetzbar gewesen. Behoben war der Großteil der Schäden schließlich erst nach einer Woche.
Hinzu kamen, wie Fuchs berichtete, weitere Probleme. Vielerorts seien zwar nach und nach die Strecken, nicht aber die Bahnsteige geräumt gewesen. Fahrgäste hätten somit gar nicht einsteigen können. Am meisten aber, so sagte sie, habe sie sich über die „mehr als suboptimale“ Information der Fahrgäste geärgert. Es habe ungenaue Prognosen und Fehlinformationen gegeben und die Auskunftssysteme seien überlastet gewesen. „Eine Reiseplanung für die Fahrgäste war fast unmöglich“, sagte Fuchs.
Die entscheidende Frage aber, warum ein Wintereinbruch andernorts offenbar souveräner bewältigt wird, blieb weitgehend offen. Josel kündigte an, künftig auf eine verbesserte Wettervorhersage zu setzen, früher Alarm auszulösen, Fahrzeuge und Stromleitungen gegen Frost zu ertüchtigen und neue „Priorisierungen“ im Notfalldienst vorzunehmen.
Ausschusschef Baumgärtner forderte: „Neben mehr Geld für die Infrastruktur müssen die offensichtlichen Mängel in der Betriebsorganisation zwingend behoben werden.“ Der Ausschuss werde Bahn und Eisenbahngesellschaft im Oktober erneut zur Berichterstattung vorladen.