Der heftige Streit um die Impfpflicht für Pflegekräfte, der Anfang vergangener Woche von Ministerpräsident und CSU-Chef Markus Söder vom Zaun gebrochen worden war, hat sich am Dienstag im Landtag fortgesetzt. Bayerns Gesundheitsminister Klaus Holetschek (CSU) attackierte die Bundesregierung in seiner Regierungserklärung scharf. „Ich frage mich schon, was diese Koalition geleistet hat in dieser Frage – nämlich gar nichts“, sagte Holetschek und geißelte die Corona-Politik der Ampel als „avanti dilettanti“. Politiker der Landtagsopposition warfen der CSU-geführten Staatsregierung im Gegenzug vor, die Umsetzung der Impfpflicht für Pflegekräfte zu sabotieren und die Einführung einer allgemeinen Impfpflicht im Bundestag zu verzögern.
Nicht sofort „Betretungsverbot“ für ungeimpfte Mitarbeiter
Wie der Streit begonnen hatte, spielte in der Debatte nur noch am Rande eine Rolle. Die Impfpflicht für Pflegekräfte, auch einrichtungsbezogene Impfpflicht genannt, war Ende vergangenen Jahres in Berlin einmütig beschlossen worden. Auch die CSU wollte sie und stimmte in Bundesrat und Bundestag zu. Die Umsetzung aber stockte. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) vertrat angeblich die Auffassung, dass der Vollzug im Ermessen der Länder steht.
Dort aber herrschte einige Verwirrung wegen angeblich vieler ungeklärter Rechtsfragen. Gleichzeitig meldeten sich Träger von Alten- und Pflegeeinrichtungen mit der Sorge zu Wort, Mitarbeiter, die sich nicht impfen lassen wollen, könnten ihren Dienst quittieren. Personal zu verlieren aber würde die Versorgung alter und kranker Menschen gefährden.
Um die Lösung der Probleme wurde seit Wochen zwischen den Ministerien des Bundes und der Länder gerungen. Mit Söders Ankündigung vom Montag vergangener Woche, er wolle den Vollzug des Gesetzes in Bayern „de facto“ aussetzen, eskalierte der Streit in der Öffentlichkeit. Ihm wurde vorgeworfen, sich willkürlich über ein Bundesgesetz hinwegsetzen zu wollen. Söder verteidigte sich. Bayern werde selbstverständlich gesetzestreu sein, aber das Gesetz sei administrativ so schlecht gemacht, dass der Vollzug zum Stichtag im März praktisch gar nicht möglich sei.
Gesundheitsminister Holetschek verteidigte Söders Kurs
Im Interview mit unserer Redaktion versuchte er Anfang dieser Woche, den Spieß umzudrehen: Ohne den Vorstoß aus Bayern hätte sich in der Sache gar nichts bewegt. Erst jetzt beginne der Bund, tätig zu werden. Die schriftliche Vorlage zur Ministerpräsidentenkonferenz an diesem Mittwoch scheint ihn zu bestätigen. Man befinde sich, so heißt es dort, bei der Umsetzung der einrichtungsbezogenen Impfpflicht noch „in einem intensiven Abstimmungsprozess“. Und es werde nicht sofort flächendeckend zu einem „Betretungsverbot“ für ungeimpfte Mitarbeiter kommen. Gleichzeitig heißt es aus dem bayerischen Gesundheitsministerium, dass man selbstverständlich auch im Freistaat an der Umsetzung des Gesetzes arbeite.
Welche konkreten Schritte nun in der Praxis getan werden, um die einrichtungsbezogene Impfpflicht umzusetzen, die ja nur der erste Schritt zu einer allgemeinen Impfpflicht sein sollte, war allerdings nicht Gegenstand der Debatte im Landtag. Hier ging es im Kern um gegenseitige politische Schuldzuweisungen. Gesundheitsminister Holetschek verteidigte Söders Kurs und warf der Bundesregierung vor: „Handwerklich wird dort ein Fehler nach dem anderen gemacht.“ Und die Bürgerinnen und Bürger könnten zu Recht erwarten, dass die Staatsregierung in Bayern den Dingen nicht einfach zuschaue und sage: „Augen zu und durch“.
Grünen-Fraktionschef Ludwig Hartmann wollte diese Version nicht hinnehmen. Die Ankündigung Söders, die Umsetzung der einrichtungsbezogenen Impfpflicht auszusetzen, habe der Impfstrategie insgesamt geschadet. Direkt an den Ministerpräsidenten gewandt sagte Hartmann: „Sie haben doch den Kanister mit dem Brandbeschleuniger für die sogenannte Querdenkerszene bereitgestellt.“ Söders „Fundamentalopposition in Berlin“ löse keines der Probleme. „Bayern muss endlich mit anpacken, um die gemeinsamen Ziele umzusetzen.“
Die SPD-Gesundheitspolitikerin Ruth Waldmann stieß in das gleiche Horn. Söder rede zwar immer vom „Team“, sagte sie, doch was er jetzt mache, habe mit „Team“ überhaupt nichts zu tun. Waldmanns Urteil über Söder: „Ihnen geht es nur um die eigene Profilierung.“