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München: Debatte um S-Bahn-Stammstrecke in München setzt Söder unter Druck

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Debatte um S-Bahn-Stammstrecke in München setzt Söder unter Druck

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    Ein seltenes Bild: Ministerpräsident Söder in einer Münchner S-Bahn. Die Aufnahme stammt aus dem Jahr 2019 von einem Pressetermin zum Bau der zweiten Stammstrecke.
    Ein seltenes Bild: Ministerpräsident Söder in einer Münchner S-Bahn. Die Aufnahme stammt aus dem Jahr 2019 von einem Pressetermin zum Bau der zweiten Stammstrecke. Foto: Peter Kneffel

    Ministerpräsident Markus Söder (CSU) kommt in der Debatte um die zweite Stammstrecke für die S-Bahn in München schwer unter Druck. Nach einem Bericht unserer Redaktion über frühe, bisher nicht bekannte regierungsinterne Warnungen des bayerischen Bauministeriums vor Kostenexplosionen und Verzögerungen bei dem Milliardenprojekt fordern Grüne, SPD und FDP noch in dieser Woche eine Erklärung der Staatsregierung im Landtag. Aus dem Schreiben des Ministeriums geht hervor, dass die dortigen Beamten in höchster Sorge um das Projekt waren. Sie forderten, die Staatsregierung müsse die Rolle des „Projekttreibers“ übernehmen und zeitnah handeln. Die Staatskanzlei dagegen sieht, wie ein Sprecher auf Anfrage erklärte, die Verantwortung bei der Deutschen Bahn.

    „Es ist für uns skandalös, was da passiert ist“, sagte Grünen-Fraktionschef Ludwig Hartmann am Montag. Seiner Ansicht nach zeigt sich bei dem Debakel um die zweite Stammstrecke ein Muster von Söders Umgang mit Problemen bei Großprojekten: „Erst wird verschleppt, dann wird verschleiert, und wenn das Verschleiern nicht mehr klappt, wird die Verantwortung abgeschoben.“ SPD-Fraktionschef Florian von Brunn äußerte den Verdacht, dass die Probleme beim größten Nahverkehrsprojekt in Bayern verschwiegen wurden, um Söders Ambitionen auf eine Kanzlerkandidatur nicht zu gefährden. „Die schlimmen Folgen sehen wir jetzt. Markus Söder war seine eigene Karriere offenbar wichtiger als viele tausend Pendlerinnen und Pendler, die die S-Bahn jeden Tag nutzen. Die zweite Stammstrecke wird zu Söders Berliner Flughafen.“

    Die Landtagsopposition kritisiert auch Bauminister Christian Bernreiter

    Ähnlich kommentierte auch FDP-Fraktionschef Martin Hagen den Vorgang: „Uns drängt sich die Frage auf, warum die Staatsregierung die Probleme eineinhalb Jahre lang vertuscht hat. Wollte man Söders Kanzlerambitionen nicht durch Negativschlagzeilen gefährden? Der von den Beamten angemahnte Handlungsbedarf wurde offenbar ignoriert.“

    Die Kritik aus den Reihen der Opposition richtet sich auch gegen Bayerns neuen Bauminister Christian Bernreiter (CSU), der seine Vorgängerin Kerstin Schreyer (CSU) Anfang dieses Jahres im Amt abgelöst hat. Bernreiter war zwar vergangene Woche einer Einladung in den Bauausschuss des Landtags gefolgt, um über den Stand der Dinge bei der zweiten Stammstrecke zu berichten, hatte sich zu den Vorgängen vor seiner Zeit aber nicht geäußert. Der Ausschussvorsitzende Sebastian Körber (FDP) erklärte dazu am Montag, Bernreiter habe damit im Verkehrsausschuss bereits jegliche Glaubwürdigkeit verspielt.“

    Alle drei Oppositionsparteien fordern Ministerpräsident Söder auf, noch diese Woche im Landtag Rede und Antwort zu stehen. Er müsse erklären, so von Brunn, „warum er den Brandbrief des Ministeriums an die Staatskanzlei ignorierte und vor der Öffentlichkeit geheim hielt“.

    Staatskanzlei sieht Deutsche Bahn in der Verantwortung für S-Bahn-Stammstrecke

    Auf Anfrage wies ein Sprecher der Staatskanzlei die Vorwürfe an die Staatsregierung zurück: „Die Deutsche Bahn trägt als zuständige Projektträgerin die Verantwortung für den Bau der zweiten Stammstrecke. Weder das bayerische Bauministerium noch das Bundesverkehrsministerium sind Bauherren des Projekts. Sowohl der Bund als auch der Freistaat sind bei der Finanzierung abhängig von gelieferten Fakten und Datenlagen der DB.“ Die Basis aller Entscheidungen seien Informationen vonseiten der Deutschen Bahn. Die Bahn habe, so der Sprecher, „bis zum heutigen Tag leider keine verlässlichen und offiziellen Zahlen geliefert – weder zu den Kosten noch zur Dauer des Bauprojekts.“ Seit dem letzten Spitzengespräch 2019 gebe es „lediglich vorläufige Mutmaßungen, was Bauzeit und Kosten betreffen.“

    Die Staatskanzlei habe daher das für die Begleitung zuständige Verkehrsministerium mehrfach auf Beamtenebene gebeten, mit der Bahn und ihrem alleinigen Eigentümer, dem Bund, eine valide Grundlage der Kostenentwicklung und Projektdauer zu ermitteln. Man teile ausdrücklich die Besorgnis des bayerischen Verkehrsministeriums. Aber politische Gespräche könnten nur auf einer validen Grundlage erfolgen.

    Zu dem internen Schreiben vom Dezember 2020, das unserer Redaktion vorliegt, heißt es in der Antwort der Staatsregierung: „Die Baubegleitung des bayerischen Verkehrsministeriums hat aufgrund eines Monitorings Grobschätzungen angestellt. Über diese Mutmaßungen wurde die Staatskanzlei auf dem Laufenden gehalten. In einer Mail des Bauministeriums heißt es zudem, es gebe keine konsolidierte Datengrundlage. Bis zuletzt habe die Deutsche Bahn keine neuen Ergebnisse präsentiert und auf einen neuen Gipfel verwiesen.“

    Auch Münchens OB Dieter Reiter kritisiert die bayerische Staatsregierung

    Um nun endgültig alle Fakten auf den Tisch zu bringen und danach notwendige Finanzierungsentscheidungen zu treffen, habe die Staatskanzlei zu einem Stammstreckengipfel geladen, bei dem die DB Zahlen und Zeitachsen vorlegen soll. „Um dieses für die Verkehrswende zentrale Projekt für ganz Südbayern zu einem Erfolg zu führen, braucht es von der zuständigen DB endlich Klarheit über Kosten und Dauer des Baus der zweiten Stammstrecke.“

    Der Münchner Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) kommentierte die Vorgänge mit den Worten: „Es ist einfach nur ärgerlich, dass weder CSU-Bundesverkehrsminister Scheuer noch die Bayerische Staatsregierung die Dramatik der Lage ernst genommen haben. Viel zu lange waren die Details zur Bauverzögerung wie auch Kostenexplosion beim DB-Projekt zweite Bahn-Stammstrecke offenbar bekannt. Aber passiert ist … nichts! Hat man gedacht, nichts sehen, nichts hören und vor allem nichts tun würde das Problem verschwinden lassen?“ Das Nachsehen hätten, so Oberbürgermeister Reiter, „die Münchner Bürgerinnen und Bürger, die noch über viele weitere Jahre hinaus die Baustellen ertragen müssen, aber auch die hunderttausenden Pendlerinnen und Pendler, die darauf angewiesen sind, dass die S-Bahn zuverlässig fährt“.

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