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München: Bayerns Bauern brauchen einen neuen Chef

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Bayerns Bauern brauchen einen neuen Chef

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    In einem sind sich viele Landwirtinnen und Landwirte einig: Sie fühlen sich von der Gesellschaft unverstanden, obwohl sie es doch sind, die für die Ernährung sorgen. Proteste, wie dieser auf dem Foto, gibt es daher immer wieder. Nun sucht der Bayerische Bauernverband einen neuen Präsidenten, der sich für die Interessen der Mitglieder stark macht.
    In einem sind sich viele Landwirtinnen und Landwirte einig: Sie fühlen sich von der Gesellschaft unverstanden, obwohl sie es doch sind, die für die Ernährung sorgen. Proteste, wie dieser auf dem Foto, gibt es daher immer wieder. Nun sucht der Bayerische Bauernverband einen neuen Präsidenten, der sich für die Interessen der Mitglieder stark macht. Foto: Oliver Berg, dpa

    So demokratisch und spannend ging es vermutlich noch nie zu beim Bayerischen Bauernverband (BBV). Für die Nachfolge von Walter Heidl, der nach zehn Jahren das Amt des Präsidenten abgibt, bewerben sich am kommenden Freitag bei der Landesversammlung in Herrsching am Ammersee gleich fünf Kandidaten. Und wen man unter Insidern auch fragt: Einen eindeutigen Favoriten gibt es offenbar nicht. Der traditionsreiche Verband, der politisch spätestens mit dem Artenschutz-Volksbegehren in die Defensive geraten ist und häufig vergeblich um mehr Respekt für die Leistung der Landwirte für die Gesellschaft wirbt, steht vor einer Richtungsentscheidung.

    Mit dem "Wir"-Gefühl ist es nicht weit her

    Rund 140.000 Bauernfamilien in Bayern gehören dem BBV an. Sie sollen, so sagt es das Leitbild, gemeinsam für die Interessen der bayerischen Land- und Forstwirtschaft einstehen und sich gegenseitig unterstützen. Tatsächlich aber wird der Verband vor allem als professionelles Dienstleistungsunternehmen geschätzt, das seinen Mitgliedern Beratung, Versicherungsschutz, Preisnachlässe und vielfältigen Service bietet. Mit dem „Wir-Gefühl“ aber ist es, wie intern immer wieder beklagt wird, nicht so weit her. Dazu sind, anders als zum Beispiel in Spartengewerkschaften, die Interessen der Mitglieder zu unterschiedlich. Es gibt große, hochmodern arbeitende Mastbetriebe und kleine Milchbauern in den Bergen, konventionell und biologisch wirtschaftende Landwirte, Viehzüchter, Getreidebauern, Waldbesitzer und Betreiber von Biogasanlagen.

    Walter Heidl war zehn Jahre Präsident des Bayerischen Bauernverbandes. Nun tritt er nicht mehr an.
    Walter Heidl war zehn Jahre Präsident des Bayerischen Bauernverbandes. Nun tritt er nicht mehr an. Foto: Tobias Hase

    Gemeinsam ist ihnen nur, dass sie sich von der Gesellschaft immer weniger verstanden fühlen. Verbraucher greifen im Supermarkt mehrheitlich zu billiger Milch, gleichzeitig sollen Milchbauern mehr fürs Tierwohl investieren und ihre Kühe im Stall nicht mehr anbinden. Schweine sollen auf Stroh gehalten werden, aber das Fleisch soll nicht teurer werden. Getreide soll in ausreichender Menge verfügbar sein, aber zum Schutz des Grundwassers möglichst wenig gedüngt werden.

    Mit all diesen Widersprüchen kämpft der Bauernverband seit vielen Jahren. Aber als zur Jahreswende 2018/19 das Volksbegehren „Rettet die Bienen“ startete, stand die traditionsreiche Organisation in der öffentlichen Debatte plötzlich mit dem Rücken zur Wand. Noch im Jahr 2014 hatte es, wie der scheidende Präsident Heidl im Gespräch mit unserer Redaktion sagt, einen Preis für den vorbildlichen Umgang der bayerischen Bauern mit den Bienen gegeben. Anfang 2019 musste er während der Eintragungsphase für das Volksbegehren feststellen, dass all die Blühstreifen und sonstigen Leistungen der Bauern für die Umwelt nicht mehr zählten. Er erinnert sich an eine Situation auf dem Münchner Marienplatz: „Da waren Kinder mit Bienenkostümen auf dem Weg ins Rathaus. Das war wie eine Welle.“

    Die Kritik, der Verband habe in der Zeit einen Schlingerkurs gefahren, weist er zurück. „Dass wir uns in der ersten Phase gewehrt haben gegen die Vorwürfe, das ist doch normal“, sagt Heidl. Als dann klar wurde, dass das Volksbegehren nicht zu stoppen sei und Ministerpräsident Markus Söder sich die Forderungen der Artenschutz-Allianz zu eigen gemacht hatte, sei es für ihn „ganz natürlich“ gewesen, sich „zur Schadensbegrenzung“ an den Runden Tisch zu setzen. „Einiges ist uns an der Stelle auch gelungen“, sagt Heidl. Der Verband habe zum Beispiel klarmachen können, dass Artenschutz eine Aufgabe der ganzen Gesellschaft, nicht nur der Landwirte sei.

    Bayerischer Bauernverband: Fünf Kandidaten treten an

    Mit der Auseinandersetzung um das Artenschutz-Volksbegehren ist offenkundig auch innerhalb des Verbandes viel in Bewegung gekommen. Vor zehn Jahren war Heidl, der damals den Langzeitpräsidenten Gerd Sonnleitner beerbte, noch der einzige Kandidat gewesen. Darauf hatte man sich in der Riege der Funktionäre vorab verständigt. Nun treten gleich fünf Kandidaten gegeneinander an. Drei Herren mit hohen Ämtern: der Vizepräsident des BBV, Günther Felßner, 55, aus Mittelfranken, der gebürtige Allgäuer und erst vor wenigen Wochen gewählte niederbayerische Bezirkspräsident Siegfried Jäger, 53, und der unterfränkische Bezirkspräsident Stefan Köhler, 55. Sowie zwei Männer von der Basis: der Oberbayer Gerhard Langreiter, 41, und der Niederbayer Georg Sachsenhauser, 59.

    Dass es am Freitag in Herrsching nach dem ersten Wahlgang zu einer Stichwahl kommen wird, ist nach Ansicht von Beobachtern sehr wahrscheinlich. Vermutet wird auch, dass Felßner es als amtierender Vizepräsident in die

    Auch Heidl hätte mit 62 Jahren noch einmal antreten können. Er wollte aber, wie er sagt, „ganz bewusst einen Schnitt machen“. Das Urteil über seine Amtszeit will er anderen überlassen. Er gehe mit einem guten Gefühl: „Ich bin mit mir im Reinen.“

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