Als Helmut Fischer noch ein weithin unbekannter Nebendarsteller ist, der sich als Filmkritiker ein paar Mark dazu verdient – und das ist er den größten Teil seines Lebens – nimmt er sich viel Zeit, um Briefe auf der Schreibmaschine zu tippen. Oft sind es Bewerbungen für kleinere und größere Rollen, die fast genauso oft im Papierkorb landen. Die Adressaten werden das mit hoher Wahrscheinlichkeit bereut haben. Nicht nur, weil Helmut Fischer später zur Legende wird, sondern auch, weil aus jedem dieser Briefe der einzigartige Charme des ewigen Stenz’ spricht, dem man einfach nicht böse sein kann.
Der Schauspieler geht schon stramm auf die Sechzig zu, als er sich in der Rolle des Franz Münchinger – besser bekannt als „Monaco Franze“ – unsterblich macht. Also rein gefühlsmäßig. Weil gestorben ist er trotzdem, viel zu früh, mit gerade einmal Siebzig. Geblieben sind aber wunderbare Anekdoten, ein Gefühl der Melancholie, das Fischer eben auch stets umwehte – und die zugleich durch und durch lebensbejahende Gewissheit: A bisserl was geht immer.

Wie sich Schauspieler Fischer bei Regisseur Dietl bewarb
Dass wir uns 25 Jahre nach seinem Tod noch so gerne an ihn erinnern, ist vor allem dem Regisseur Helmut Dietl zu verdanken – und womöglich auch einem jener Briefe. „Sehr geehrter Herr Dietl, wie ich aus der heutigen Abendzeitung ersehen kann, drehen Sie bald einen großen Spielfilm in München. Da ich hier als Schauspieler ansässig bin, trifft es sich gut, indem ich bei Ihnen um eine Rolle darin nachsuche. Eventuelle Zweifel an meiner Eignung dafür möchte ich dadurch ausräumen, dass ich Ihnen beiliegend ein Bild von meinem Gesicht sende. Mein mimischer Begabungsbogen ist weit gefächert und bietet so alle Chancen für eine gedeihliche Zusammenarbeit während der Dreharbeiten. Zeitlich gesehen stehen Ihnen meine Termine jederzeit zur Verfügung, sodass Sie sich nicht ängstigen sollten, Sie müssten den Film womöglich ohne mich zurechtwurschteln. Schicken Sie mir umgehend das Drehbuch, wenn Sie nicht wollen, dass ich absage.“
Ob der Brief Wirkung zeigte und wie Dietl damals reagierte, bleibt unklar. Später, so viel ist sicher, verhilft er dem lange eher mäßig erfolgreichen Schauspieler zum Durchbruch. Und dem Publikum zu rechten Sternstunden. Dankbar und glücklich müssen wir sein, dass wir dabei sein durften, um es mit dem legendären Herrn Doktor Schönferber zu sagen. Gemeinsam mit dem Schriftsteller Patrick Süßkind schreibt Dietl das Drehbuch für den „Monaco Franze“ – wobei so ziemlich alles dafür spricht, dass der reale Helmut Fischer zumindest partiell die Vorlage für den fiktiven Charakter Franz Münchinger geliefert hatte. Oder kann es wirklich Zufall sein, dass beide als Sohn einer Änderungsschneiderin zur Welt kamen und sich der Vater aus dem Staub machte? Dass beide ihre Frau „Spatzl“ nannten? Dass beide das alte analoge München verkörperten, bevor es zur Weltstadt wurde?
Privat war er kein Hallodri wie der "Monaco Franze"
Die Idee zur Figur kommt Dietl übrigens, als er eines Tages mit seiner damaligen Frau Barbara Valentin an einem Café vorbeispaziert und dort Helmut Fischer in der Sonne sitzen sieht, wie er die Menschen beobachtet – darunter konnten auch Frauen sein. „Komm, setzt’s euch her“, sagt der Schauspieler, der sich selbst als „guten Freizeitverwerter“ bezeichnet. Dietl nimmt Platz – und findet seinen „Monaco Franze“.
Die Rolle seines Lebens an der Seite von Ruth Maria Kubitschek ist für Fischer 1983 eine späte Erfüllung jahrzehntelang zerplatzter Träume. Manchmal hadert er damit, dass er erst so spät zu Ruhm gekommen ist. Andererseits: Hätte er noch mehr Zeit gehabt, er wäre wohl kaum noch aus der Schublade des ewigen Hallodris entkommen – der er privat übrigens gar nicht war. Charmant schon, mit Humor und sprachlichem Witz, aber kein Aufreißer, eher preußisch penibel. 44 Jahre ist er verheiratet mit seiner Utta. In schlechten wie in guten Zeiten. Im Misserfolg wie im Erfolg.
In seinen letzten Jahren kämpft Fischer mit ständigen Rückenschmerzen. Es ist Krebs, doch fast niemandem erzählt er davon. Christian Ude, lange Oberbürgermeister und noch länger einer seiner engsten Freunde, wird hellhörig, als Fischer an seinem 70. Geburtstag sagt: „Das Leben macht sich aus dem Staub.“ Doch wie so viele andere will Ude es wohl einfach nicht wahrhaben, dass Fischers Leben schon zu Ende gehen soll.
In München setzten sie Fischer mehrere Denkmäler
Als dieser für die Öffentlichkeit völlig überraschend am 14. Juni 1997 stirbt, ist er längst ein Münchner Original. Es gibt heute einen Helmut-Fischer-Platz in der Stadt. In seinem geliebten Schwabing haben sie ihm ein Denkmal im Café Münchner Freiheit gesetzt. Da sitzt er nun also in Bronze und schaut den Leuten mit seinem Monaco-Lächeln beim Leben zu. Und wer noch einen Brief von ihm hat, der würde im Leben nicht auf die irre Idee kommen, ihn wegzuwerfen.

Der Journalist Helmut Markwort zitierte einmal aus einem Schreiben, das er nach einem gemeinsamen Termin von Fischer bekommen hatte: „Lieber, sehr verehrter Herr Markwort! Hiermit erstatte ich Ihnen mit herzlichem Dank Ihr Eigentum zurück, weil ich nicht möchte, dass Sie überall herumerzählen, ich wäre einer, der schwarze Socken nicht zurückgibt. Es sind also zwei einwandfrei gereinigte Socken, ein linker und ein rechter. Wobei es natürlich Ihnen überlassen bleibt, den linken Socken rechts zu tragen oder umgekehrt, ich misch mich da nicht ein. Jedenfalls habe ich vier erwachsene Zeugen – ein Diplomingenieur darunter – dass ich die Socken abgegeben habe. Denn, dass Ihre Sekretärin, falls es zu einem Prozess kommen sollte, für Sie aussagt, liegt auf der Hand.“