Verspätungen, Zugausfälle, defekte Toiletten und Türstörungen: Der Start von Go-Ahead verlief alles andere als reibungslos. Seit Sonntag hat das Eisenbahnunternehmen das Nahverkehrsnetz rund um Augsburg von DB Regio übernommen und bringt Menschen in neuen blauen Zügen ans Ziel. Die Kundinnen und Kunden mussten schmerzlich erfahren, dass das mit einigen Problemen verbunden war. Manche davon könnten sich nicht so schnell lösen lassen.
Am Sonntag waren es Fahrzeugstörungen, am Montag Probleme am Stellwerk in Ulm. So erklärt Winfried Karg, Sprecher von Go-Ahead, die vielen Verspätungen an den ersten beiden Tagen. Auch die Fahrgastinformationen in den Zügen und an den Bahnsteigen "laufen noch nicht so". Die IT arbeite bereits mit Hochdruck daran, sagt Karg. Bis Ende der Woche soll dieses Problem behoben sein.
Fehlende Routine führt zu Verspätungen der Züge bei Go-Ahead
Neben den technischen Missgeschicken sieht er aber vor allem einen anderen Grund für die Verspätungen: fehlende Routine beim Personal. Es gebe einige Abläufe, die noch nicht reibungslos vonstattengehen. Das Kuppeln der Züge etwa brauche Fingerspitzengefühl: "Die Waggons müssen so verbunden werden, dass die Informationen von jedem Wagen beim Lokführer ankommen. Da darf man nicht zu sehr auf den vorherigen Zug auffahren, aber auch nicht zu wenig. Es muss schon etwas ruckeln, damit die Kontakte funktionieren." In der Ausbildung und an anderen Orten sei das zwar geübt worden, aber nicht an den neuen Standorten.
Die Kundinnen und Kunden würden die Einschränkungen besonders auf der Strecke von Augsburg nach München bemerken, da diese am meisten befahren wird, sagt Karg. Dort sei die Taktung aber auch straffer, sodass die Menschen bei einem Zugausfall nicht so lange auf den nächsten warten müssten. Go-Ahead wird in den kommenden zwölf Jahren mit maximal 56 Zügen das Netz von Augsburg nach München, Ulm und Donauwörth/Treuchtlingen bedienen.
Der Fahrgastverband Pro Bahn sieht durch den Wechsel von DB Regio zu Go-Ahead bisher für die Kundinnen und Kunden keine Verbesserung, eher eine Verschlechterung. Der Grund: Angekündigte Leistungen wurden vorerst wieder gestrichen. Zum Beispiel sollte der Zug von Augsburg nach Dinkelscherben samstags jede halbe Stunde fahren, sagt Errol Yazgac, Sprecher von Pro Bahn in Schwaben. Und auch auf der Strecke nach Meitingen soll zwischen 8.30 und 15.30 Uhr pro Stunde ein Zug wegfallen. Sein Fazit: "So kriegt man keine Verkehrswende hin."
Der Mangel an Lokführern ist der Grund für fehlende Züge
Betreiberwechsel in Eisenbahnnetzen seien immer eine Herausforderung, sagt Yazgac. Aber auch neue Strecken sind anfällig für Pannen, wie sich am Montag bei der Deutschen Bahn zeigte: Eigentlich sollte die Fahrt zwischen Stuttgart und Ulm seit Sonntag um eine Viertelstunde schneller gehen. Wegen einer technischen Panne auf der Neubaustrecke zwischen Wendlingen und Ulm kam es zu erheblichen Verzögerungen. Züge Richtung Stuttgart mussten wieder zurück nach Ulm geführt und über die alte, langsamere Strecke über die Alb geleitet werden, was mitunter zu einer Verspätung von mehr als einer Stunde führte.
Go-Ahead steht also mit Patzern nicht alleine da. In der Vergangenheit habe auch DB Regio mit dem Fugger-Express ähnliche Erfahrungen gemacht, berichtet Yazgac. Die Wetterbedingungen seien für so einen Start nicht ideal, trotzdem könne es nicht sein, dass gleich am ersten Tag Toiletten und Türen nicht funktionieren.
Eines der ärgerlichsten Dinge für Pro Bahn sind aber die fehlenden Züge: Die Ursache, sagt Yazgac, ist der Mangel an Lokführern. Go-Ahead konnte nicht genug selbst ausbilden und von DB Regio wechselten nur wenige zur Konkurrenz. Nach seinen Informationen bleibe dem Unternehmen von 100 Interessenten für eine Ausbildung zum Lokführer nur eine Person, die die Ausbildung tatsächlich abschließt. "Der Lokführermangel ist ein gesellschaftlicher Mangel und lässt sich nicht von heute auf morgen beheben. Es muss darüber nachgedacht werden, wie dieser Beruf attraktiver gemacht werden kann – und zwar bundesweit", sagt der Pro-Bahn-Sprecher.
Die neuen Züge von Go-Ahead haben mehr Sitzplätze und Komfort
Bei all den Startschwierigkeiten freut sich Pro Bahn über die neuen Züge von Go-Ahead, da sie mehr Sitzplätze bieten, der Abstand zwischen den Plätzen größer ist und für Rollstuhlfahrer und Fahrradfahrer der Ein- und Ausstieg erleichtert wurde. "Die Züge konnten sich noch nicht beweisen, aber wir haben ein Auge darauf und hoffen, dass sich die technischen Probleme bis nächste Woche gelöst haben", sagt Yazgac.
Go-Ahead sei selbst nicht zufrieden, dass der Start mit so vielen Baustellen beginne: "Wir haben nicht das erreicht, was wir wollten, aber aus realistischer Sicht haben wir auch nicht erwartet, dass alles geräuschlos abläuft", sagt Go-Ahead-Sprecher Karg. Bei so einem großen Netz sei es schier unmöglich, dass ein reibungsloser Wechsel gelingt.
Das Unternehmen befinde sich im Lernprozess. Mit jedem Zug soll es besser werden, sagt Karg: "Wir sind guter Dinge, dass unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter schnell dazu lernen." Nach Weihnachten soll sich der Betrieb eingependelt haben.