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Mit 37 in den Wechseljahren

Frauen

Heißkalt erwischt: Mit 37 in den Wechseljahren

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    Irgendwann ist die Zeit vorbei, in der Frauen Monat für Monat ihre Periode haben. Irgendwann muss sich jede Frau mit den Wechseljahren auseinandersetzen, damit also, dass die Eierstöcke ihre Hormonproduktion allmählich einstellen. 
    Irgendwann ist die Zeit vorbei, in der Frauen Monat für Monat ihre Periode haben. Irgendwann muss sich jede Frau mit den Wechseljahren auseinandersetzen, damit also, dass die Eierstöcke ihre Hormonproduktion allmählich einstellen.  Foto: stock.adobe.com

    Plötzlich also fällt dieses Wort. Als Simone R. damals im Wartezimmer sitzt, in ein paar Frauenmagazinen blättert, rechnet sie mit vielem. Mit dem aber, was ihr der Arzt wenige Minuten später sagen wird, nicht. Als Simone R. in ebenjenem Wartezimmer sitzt, ist sie 37 Jahre alt. Und das Wort, das ihr Gynäkologe dann im Behandlungsraum, ausspricht, lautet: Wechseljahre.

    Ein windiger Märzmittwoch, waschbetongraue Wolken am Himmel. Simone R., lange, blonde Haare, rosafarbenes Shirt, öffnet die Tür ihres Hauses in Gauting, nicht weit vom Starnberger See entfernt, bittet hinein, führt ins Esszimmer, heller Holzboden, Kamin, bodentiefe Fenster, durch die man über den Garten hinaus auf Wiesen und Wald blickt. Auf einem massiven Tisch stehen Espressotassen, Gemüsequiche und Käsekuchen. Simone R. ist heute 56 Jahre alt und heißt eigentlich anders. Ihren Namen will sie lieber für sich behalten, schließlich ist das, was sie gleich erzählen wird, sehr persönlich. Es geht ums Frausein, um Veränderung und die Frage, was das alles mit einem macht. Körperlich, aber auch - oder vielleicht vor allem - emotional.

    „Mit den Wechseljahren wird einem klar: Ich werde alt“

    Denn, das gibt Simone R. offen zu und blickt ein bisschen nachdenklich aus dem Fenster raus ins Grau dieses Tages und ins Grün der Wiesen: „Unterbewusst wird einem mit den Wechseljahren klar: Ich werde alt.“ Sie sei damals zum Frauenarzt gegangen, weil ihre Periode zuerst nur noch alle drei Monate kam, dann so gut wie weg war und sie plötzlich unter Hitzewallungen litt. „Der Arzt machte einen Bluttest, das Ergebnis war eindeutig“, erzählt Simone R. „Er sagte dann zu mir, dass 37 schon sehr früh sei, dass es das aber immer mal wieder geben würde.“ Im Schnitt tritt die letzte Regelblutung mit etwa 50 Jahren ein. Nur bei etwa einem Prozent der Frauen setzt sie schon vor dem 40. Lebensjahr aus.

    Ob eher früh, oder spät: Irgendwann muss sich jede Frau mit den Wechseljahren auseinandersetzen, damit also, dass die Eierstöcke ihre Hormonproduktion allmählich einstellen. Manche gehen relativ locker mit den Veränderungen im Körper um, sehen den neuen Lebensabschnitt als Chance, sich auf andere Weise zu entdecken, zu verwirklichen, andere sehen die Wechseljahre als Abschied von der Weiblichkeit, der Sexualität, der Attraktivität und als Einstieg ins Altwerden, den Herbst des Lebens. Kaum verwunderlich, angesichts der Art und Weise, wie das Thema über Jahrzehnte gesellschaftlich diskutiert, stigmatisiert, negativiert wurde. 1924 etwa schrieb Ludwig Fraenkel, ein renommierter Gynäkologe des frühen 20. Jahrhunderts, die Wechseljahre seien die „Tragödie des Frauenlebens“. Das ist 100 Jahre später freilich anders, derlei heute zu sagen - undenkbar. Gänzlich enttabuisiert ist das Thema aber immer noch nicht.

    Jede vierte Frau tritt wegen Wechseljahrsbeschwerden beruflich kürzer

    Vor den Esszimmerfenstern von Simone R. ziehen die Wolken vorbei. Die 56-Jährige schneidet den Gemüsekuchen auf, ob es ein Stück sein dürfe, bevor man weiterrede, fragt sie. Schwer falle es ihr nicht, über dieses doch sehr intime Thema zu sprechen - vielleicht auch deshalb, weil sie, bis auf die Hitzewallungen, keine allzu großen Beschwerden hatte. „Und ich habe dann mit der Diagnose auch nicht gehadert“, sagt sie und lächelt. Denn das bringe ja auch nichts, ändern könne man es eh nicht. Simone R. glaubt, dass ihre frühe Menopause eine genetische Ursache hat: „Bei meiner Mutter und bei meiner Schwester war es auch so, die kamen beide vor ihrem 40. Geburtstag in die Wechseljahre.“

    Viele Frauen leiden deutlich stärker. Zu den häufigsten Beschwerden gehören Hitzewallungen, Schweißausbrüche, Schlafstörungen, Abgeschlagenheit, Kopfschmerzen, Konzentrationsstörungen, Leistungsverlust, Stimmungsschwankungen... die Liste ist lang. Und das alles sind längst nicht nur Befindlichkeitsstörungen, nicht wenige Frauen leiden richtig. Das zeigt etwa die im Jahr 2023 veröffentlichte Studie „MenoSupport“ der Berliner Hochschule für Wirtschaft und Recht, in der jede Vierte der befragten Frauen über 55 angab, wegen Wechseljahrssymptomen beruflich kürzer zu treten - in Zeiten des Fachkräftemangels nicht gerade unerheblich.

    Ministerin Gerlach: „Die Wechseljahre sind keine Krankheit“

    Die Frage, welche Auswirkungen die Wechseljahre aufs Berufsleben haben, beschäftigt auch die Politik. „Frauen erfahren im Arbeitsumfeld oft wenig Verständnis für Wechseljahresbeschwerden. Das muss sich ändern“, sagt Bayerns Gesundheitsministerin Judith Gerlach. Über Wechseljahre zu sprechen, dürfe kein Tabu mehr sein, oftmals würden schon ein offener Umgang mit dem Thema und eine zugewandte Arbeitskultur ausreichen, um Missverständnisse auszuräumen und Frauen eine bessere Arbeitsumgebung zu ermöglichen, fährt die CSU-Politikerin fort. Ziel sei es, ein breites Bewusstsein für die gesundheitlichen Veränderungen zu schaffen und das Thema von Vorbehalten zu befreien. „Denn die Wechseljahre sind keine Krankheit, sondern eine natürliche Lebensphase, die jede Frau durchläuft“, sagt die Ministerin.

    In Bayern waren dem Gesundheitsministerium zufolge im Jahr 2023 rund 1,5 Millionen Frauen im Alter von 45 bis 64 Jahren erwerbstätig – also ungefähr im Alter der Wechseljahre. „Dies entspricht rund 44 Prozent aller erwerbstätigen Frauen in Bayern. Deshalb appelliere ich an die Arbeitgeber, stärker auf die gesundheitlichen Belange von Frauen in den Wechseljahren einzugehen und Unterstützung anzubieten“, sagt Gerlach. Schließlich könnten stark ausgeprägte Wechseljahresbeschwerden durchaus auch in Krankschreibungen oder gar vorzeitigem Ruhestand münden. „Das ist auch volkswirtschaftlich relevant.“

    Simone R. entschied sich gegen eine Hormonersatztherapie

    Simone R. kann sich gut vorstellen, dass sich die Wechseljahre auf den Beruf auswirken können. Sie selbst habe kaum Probleme gehabt, weil sie sich mit zwei Kolleginnen ein Büro teilte, mit männlichen Kollegen sei das sicher schwieriger, meint sie, trinkt einen Schluck Espresso, sticht mit der Gabel ein Stück vom Käsekuchen ab. „Und ohnehin ist das ja nichts, das man jedem erzählt, man brüstet sich doch nicht damit.“ Verheimlichen könne man es allerdings auch oft nicht. „Das ist schon ein bisschen unangenehm, wenn man auf einmal knallrote Backen bekommt und anfängt, zu schwitzen, zum Beispiel, wenn man mit jemandem beim Essen ist.“ Obwohl sie dieses Schwitzen nervte, verzichtete Simone R. auf eine Hormonersatztherapie. „Das wollte ich nicht, ständig so viele Hormone zu mir nehmen.“ Stattdessen setzte sie auf pflanzliche Mittel, nämlich auf einen Extrakt der Rhapontikrhabarberwurzel, der ähnlich wie Östrogen wirken soll. „Damit habe ich gute Erfahrungen gemacht“, sagt Simone R.

    Dabei sei gerade bei jüngeren Frauen eine Hormonersatztherapie oft sinnvoll, sagt Richard Häusler, bayerischer Landesvorsitzender des Berufsverbandes der Frauenärzte. „Aber auch jenseits der 50 Jahre profitieren die Frauen von der Hormonersatztherapie“, fährt der Mediziner fort. Neben der Linderung der Beschwerden gebe es eine Verbesserung der Knochenstabilität. „Und bei rechtzeitigem Beginn auch eine Verbesserung der Arterien mit Reduktion des Arteriosklerose-Risikos.“

    Immer weniger Frauen wollen Hormone zu sich nehmen

    Die Gabe von Hormonen ist allerdings umstritten. „Eine Hormonersatztherapie steigert das Brustkrebsrisiko, wenn sie länger als fünf Jahre durchgeführt wird, insbesondere bei Präparaten, die als Kombination sowohl Östrogen als auch Gestagen enthalten“, warnt etwa die Deutsche Krebsgesellschaft. Allerdings sinke das Risiko innerhalb weniger Jahre wieder auf das durchschnittliche Niveau, wenn die Hormone abgesetzt würden, heißt es bei der Fachgesellschaft weiter.

    Immer weniger Frauen wollen angesichts möglicher Risiken eine solche Hormonersatztherapie in Anspruch nehmen, wie eine Auswertung der Techniker Krankenkasse zeigt. Im Jahr 2000 entschieden sich noch 37 Prozent für hormonelle Behandlungsmethoden, zehn Jahre später, im Jahr 2010, waren es nur noch rund zehn Prozent. 2022 dann nur noch sechs Prozent.

    Trotz der Wechseljahre schwanger geworden

    Zurück im Esszimmer von Simone R. in Gauting. Aus dem Nebenzimmer kommt ihr Freund, grüßt, geht in die Küche. Als sie in die Menopause kam, war sie erst relativ kurz mit ihm zusammen. „Über Verhütung hatte ich mir keine Gedanken mehr gemacht, ich war ja in den Wechseljahren“, sagt Simone R.. Dann, nach einem gemeinsamen Urlaub, die große Überraschung: Simone R. ist schwanger, mit 38 Jahren und trotz beginnender Wechseljahre. Mittlerweile ist die gemeinsame Tochter ein Teenager. „Mein Arzt sagte, das sei ein medizinisches Wunder.“ Und so habe sich schließlich alles gefügt, sagt Simone R. und lächelt ihren Freund an, der in der Küche steht und sich sein Mittagessen zubereitet. „Ich habe eine tolle Tochter und es hat sich ja auch herausgestellt, dass der Mann, den ich damals erst so kurz kannte, der fürs Leben ist.“

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