Richard Kick ist erleichtert. "Ich freue mich ungemein. Das ist ein wichtiger Schritt", sagt der Sprecher des unabhängigen Betroffenenbeirats der Erzdiözese München und Freising unserer Redaktion am späten Dienstagabend. Kurz zuvor hatte er von der nicht nur für ihn überaus positiven Nachricht erfahren, nun befindet er sich in einer Videokonferenz mit fast allen weiteren Sprecherinnen und Sprechern der sieben unabhängigen Betroffenenbeiräte der bayerischen katholischen Bistümer.
Die Nachricht lautet: Bayerns Sozialministerin Ulrike Scharf (CSU) plant eine "neue Anlauf- und Lotsenstelle für alle Opfer von Missbrauch und Gewalt". Es ist eine gerade auch für Missbrauchsopfer völlig überraschende Ankündigung via Pressemitteilung am Dienstag. Lange hatte sich Scharf gegen eine unabhängige staatliche Anlaufstelle für Betroffene gesperrt. Mit dem Argument: Es gebe bereits 35 Fachberatungsstellen, eine weitere sei nicht zielführend.
Ulrike Scharf lag bei dieser Frage sogar mit Justizminister Eisenreich über Kreuz
Kick, andere Betroffene und Oppositionspolitiker hatten das mit deutlichen Worten kritisiert. Die Fachberatungsstellen seien "nicht im besonderen Maße auf sexualisierte oder geistliche Gewalt im kirchlichen Kontext spezialisiert und nicht wirklich unabhängig von der Kirche", sagte Kick im Gespräch mit unserer Redaktion. Dies sei aber dringend nötig.
In der Frage war es sogar zu öffentlich ausgetragenen Unstimmigkeiten zwischen Scharf und ihrem Parteifreund Georg Eisenreich gekommen. Der CSU-Justizminister hatte im Unterschied zu ihr mehrfach Sympathie für eine unabhängige staatliche Anlaufstelle bekundet und auf die Zuständigkeit des Sozialministeriums verwiesen. Scharf erklärte dagegen noch Anfang März, Eisenreich vertrete eine Einzelmeinung im Kabinett.
Allerdings schien zuletzt Bewegung in die Angelegenheit gekommen zu sein. So zeigte sich Thomas Huber, Sprecher der CSU-Fraktion für Fragen der katholischen Kirche, bereits kurz nach dieser Äußerung Scharfs im Gespräch mit unserer Redaktion zuversichtlich, dass eine derartige Stelle kommen werde. "Ich bin mir sicher, dass wir für Missbrauchsopfer ein Angebot in Form einer unabhängigen Anlaufstelle schaffen können", sagte er unmissverständlich.
Wie die neue "Anlauf- und Lotsenstelle" konkret arbeiten soll, ist noch nicht bekannt
Noch ist nicht bekannt, wie die Stelle ausgestaltet werden soll. In der Pressemitteilung von Scharf hieß es lediglich: "Wir haben ein dichtes, flächendeckendes Hilfenetz in ganz Bayern. Dazu planen wir jetzt beim Zentrum Bayern Familie und Soziales eine zentrale Anlauf- und Lotsenstelle für alle Fälle von Missbrauch und Gewalt einzurichten, um die bestehenden Hilfsangebote zielgerichtet zu vermitteln. Betroffene können sich direkt an diese Stelle wenden."
Richard Kick sagte am Dienstagabend im Namen auch der anderen Betroffenenvertreterinnen und -vertreter: "Unser Wunsch ist es jetzt, bei der konkreten Ausgestaltung unsere Expertise einbringen zu können, etwa in Arbeitsgruppen." Er betonte: "Betroffene sollen sich nicht an eine kirchliche Stelle wenden müssen, sondern an eine staatliche." Und dies gelte ausdrücklich nicht nur für Opfer der Institution Kirche.