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Missbrauch: Betroffene erhärten nach Treffen Kritik an Sozialministerin

Missbrauch

Betroffene erhärten nach Treffen Kritik an Sozialministerin

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    Ulrike Scharf (CSU) ist bayerische Staatsministerin für Arbeit, Soziales und Familie. Missbrauchsbetroffene kritisieren sie.
    Ulrike Scharf (CSU) ist bayerische Staatsministerin für Arbeit, Soziales und Familie. Missbrauchsbetroffene kritisieren sie. Foto: Tobias Hase, dpa (Archivbild)

    Nach einem Treffen von Missbrauchsopfern mit der bayerischen Sozialministerin Ulrike Scharf (CSU) am Montagnachmittag ist die Uneinigkeit innerhalb der CSU über die Frage, ob eine unabhängige staatliche Anlaufstelle für Betroffene eingerichtet werden sollte, nochmals klarer zutage getreten. Vertreterinnen und Vertreter der unabhängigen Betroffenenbeiräte der bayerischen katholischen Bistümer und die Landtagsopposition aus Grünen, SPD und FDP fordern seit mehr als einem Jahr eine derartige Stelle. Auch CSU-Justizminister Georg Eisenreich hatte mehrfach dafür Sympathie bekunden, und auf die Zuständigkeit des Sozialministeriums verwiesen.

    Eine Anlaufstelle könnte Betroffenen psychologische oder juristische Hilfe bieten und ihnen so etwas wie Augenhöhe zur Kirche verschaffen. Aus Sicht von Betroffenen wäre sie ein Signal dafür, dass sich Freistaat und Staatsregierung stärker bei der Aufarbeitung engagieren, auch in anderen Bereichen der Gesellschaft. Scharf lehnt sie unverändert ab. Ihr Argument: Es gebe bereits 35 Fachberatungsstellen, eine weitere sei nicht zielführend.

    Sozialministerin Scharf: Justizminister vertrete beim Thema "Anlaufstelle für Missbrauchsbetroffene" eine Einzelmeinung

    Einem Bericht des Bayerischen Rundfunks zufolge ist die Ministerin zudem verärgert über ihren Parteifreund Eisenreich. Sie habe zur Kenntnis genommen, "dass der Kollege eine anderslautende Meinung hat". Eisenreich vertrete eine Einzelmeinung im Kabinett. In der Fraktion gibt es gleichwohl andere Ansichten. Schon im Februar 2022 hatte etwa Thomas Huber, Sprecher der CSU-Fraktion für Fragen der katholischen Kirche und Mitglied im Landeskomitee der Katholiken in Bayern, unserer Redaktion gesagt, dass an einer externen Begleitung der Kirche durch eine unabhängige Instanz kein Weg vorbei führe. Dem BR sagte er nun, die Bitte der Betroffenenvertreter nach einer staatlichen Anlaufstelle könne er "sehr gut verstehen". Die unterschiedlichen Wortmeldungen seiner Parteifreunde aus dem Kabinett erklärt er sich demnach mit der Zuständigkeit von gleich vier Ministerien: Justiz, Inneres, Soziales und Kultus.

    Betroffenenvertreter über Scharf: "Ihre starre Abwehrhaltung leuchtet mir nicht ein und erschließt sich mir weiterhin nicht"

    Richard Kick vom unabhängigen Betroffenenbeirat der Erzdiözese München und Freising, der am Montag an dem über zweistündigen Gespräch mit der Sozialministerin teilgenommen hat, zeigte sich am Dienstag enttäuscht - und erneuerte im Namen der anderen Betroffenenvertreterinnen und -vertreter seine Kritik an Scharf. Diese habe sich über seine Aussagen gegenüber unserer Redaktion im Vorfeld des Treffens geärgert, sagte er, und sei schlecht vorbereitet gewesen. Kick hatte ihr eine "starre Haltung" attestiert. Am Dienstag sagte er: "Ihre starre Abwehrhaltung leuchtet mir nicht ein und erschließt sich mir weiterhin nicht." Scharf sei "einfach nicht in der Materie drin". Vor allem ärgert er sich über ihren mehrfach wiederholten Verweis auf die Fachberatungsstellen. "Diese sind nicht im besonderen Maße auf sexualisierte oder geistliche Gewalt im kirchlichen Kontext spezialisiert und nicht wirklich unabhängig von der Kirche", so Kick. Dies sei aber dringend nötig.

    In der Tat gibt es laut Auskunft der "Landesweiten Koordinierungsstelle gegen häusliche und sexualisierte Gewalt" keine eigene Fachstelle für Betroffene aus dem kirchlichen Kontext. Auf der Homepage der Koordinierungsstelle liest man, dass sich die aktuell 35 staatlich geförderten Fachberatungsstellen/Notrufe in Trägerschaft von eingetragenen Vereinen befinden, "die überwiegend in den 70iger Jahren durch die autonome Frauenbewegung initiiert wurden". Die Vereine seien Teil der fünf Spitzenverbände der Freien Wohlfahrtspflege Bayern und gehörten unter anderem dem Sozialdienst katholischer Frauen/Caritas oder dem evangelischen Diakonischen Werk Bayern an.

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